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Haushalterschaft

von T. Austin-Sparks

Zuerst veröffentlicht in den Zeitschriften "A Witness and A Testimony", Mär-Apr 1937, Vol. 15-2. Diese Version bearbeitet und neu veröffentlicht in den Zeitschriften "Toward the Mark" Mär-Apr 1977, Vol. 5-2. Originaltitel: "Stewardship". (Übersetzt von Manfred Haller)

«So soll man uns betrachten: als Diener des Christus und Haushalter der Geheimnisse Gottes. Im übrigen wird von einem Haushalter nur verlangt, dass er treu erfunden wird» (1. Kor. 4,1.2).

Ein Haushalter ist ein Mensch, der einerseits in einer lebendigen Beziehung zu allem steht, was sein Herr besitzt, und andererseits eine ebenso enge Beziehung zu all jenen hat, welche die Versorgung ihrer Bedürfnisse von ihrem Herrn erwarten. So ist also der Haushalter eine sehr verantwortungsvolle Person.

Die Verantwortung des Haushalters

Der Haushalter ist für das Ansehen seines Meisters verantwortlich. Was die Welt von diesem Meister weiß, wird zum größten Teil mit dem Charakter und dem Verhalten des Haushalters übereinstimmen. Was die Welt oder der Haushalt an Gutem und Bereicherung empfängt, hängt von ihm ab. Der Apostel Paulus bezeichnete sich selbst als Haushalter, als einen, der mit einer solchen Aufgabe betraut worden ist; doch ist es beeindruckend, zu beachten, dass er diesen Begriff auch auf die Gläubigen in der korinthischen Gemeinde anwendet. Wir können sehr wohl verstehen und gutheißen, dass Paulus ein Haushalter sein sollte, doch wenn er die Glieder der korinthischen Gemeinde so anredet, indem er sie alle einbezieht, dann zeigt das, dass diese Bezeichnung auf jeden gewöhnlichen Gläubigen angewendet werden kann. Wir können diese Frage daher nicht einfach umgehen, indem wir sagen: Nun gut, das gilt für besondere Leute wie Paulus. Es gilt auch für die Korinther und uns, wobei betont wird, dass Menschen imstande sein sollten, uns als Haushalter Gottes zu betrachten und mit uns als solchen zu rechnen.

Das redet von etwas mehr als bloß davon, dass wir uns in der Stellung von Gläubigen befinden. Vielleicht meinen wir, die Welt müsse mit uns als Christen rechnen; sie wird das auf jeden Fall tun, wenn wir uns zum Glauben an Christus bekennen, doch dieser göttliche Gedanke führt uns viel weiter. Er führt uns an einen Ort besonderer und entschiedener Verantwortung in zweierlei Hinsicht: Erstens in Beziehung zum Herrn, indem er uns auf aktive Weise mit den Interessen des Herrn ver; auf eine ebenso praktische Weise mit den Menschen. Wir sind Haushalter und stehen an einem Ort zwischen beiden, und mit einer Verantwortung in zwei Richtungen.

Das Volk Gottes muss von Zeit zu Zeit daran erinnert werden, dass auf jedem eine ungeheure Verantwortung liegt, der mit Ihm in Verbindung steht, denn diese Beziehung sollte nie eine passive sein. Es ist nicht damit getan, dass die Sache beginnt und endet, indem wir beanspruchen, Glieder einer Familie zu sein. Mitgliedschaft im Haushalt des Glaubens ist nur eine Phase der Wahrheit, der Lehre des Wortes Gottes. Gläubige werden mit ganz verschiedenen Bezeichnungen belegt, die einander nicht widersprechen, weil es so viele Aspekte des Ganzen gibt, und die sich gegenseitig auch nicht ausschließen. Im Falle von irdischen Beziehungen zum Beispiel würde die Tatsache, dass wir ein Glied der Familie sind, uns von der Aufgabe der Haushalterschaft ausschließen, doch bei der geistlichen Beziehung ist das nicht so. Wir müssen die Familienbeziehung an ihrem Ort behalten, indem wir anerkennen, dass sie ihre eigenen Verpflichtungen mit sich bringt, doch gleichzeitig müssen wir wertschätzen, dass uns die Stellung eines Haushalters zugeteilt wurde mit ihren besonderen Verantwortlichkeiten. Das trifft auf uns alle zu. Es ist Gottes Gedanke für jeden Gläubigen, dass er ein Haushalter sein sollte. Das führt uns zu verschiedenen wichtigen Betrachtungen.

Die Qualifikationen eines Haushalters

Eine Tatsache, die für uns sehr hilfreich sein könne, ist die, dass alle Behandlungen, die der Herr uns zuteil werden lässt, mit der Absicht geschehen, uns zu solchen Haushaltern zu machen, die wir sein sollten. Ein Haushalter muss für seine Aufgabe qualifiziert sein. Er muss ein Mann mit ganz bestimmten Charakteristiken sein. Die Erfüllung seiner Haushalterschaft erfordert Erfahrung. Er kann nicht einfach ohne weiteres in eine geistliche Haushalterschaft eintreten. Er muss gut darauf vorbereitet werden, er muss für einen solchen Dienst geschult und ausgerüstet werden. Wenn ihr sorgfältig nachlest, welche Verbindung im Sinn von Paulus besteht zwischen der Haushalterschaft und ihrer konkreten Verwirklichung, könnt ihr feststellen, dass sie sehr praktisch und aktiv ist. Er war sich bewusst, dass es dazu eine besondere Befähigung, besondere Gaben, besondere Qualifikationen braucht, und für eine derartige Zurüstung erkannte er die Neotwendigkeit von besonderen Erfahrungen. Haushalterschaft ist eine Frage des Trainings, und erst noch eines tiefgreifenden Trainings.

Um aus uns tüchtige Haushalter zu machen, führt der Herr uns durch vielerlei Erfahrungen, von denen einige außerordentlich und ungewöhnlich sein mögen; eine solche Vielfalt von Erfahrungen, wie sie nur Sein Volk machen kann. Niemand sonst durchläuft ein ähnliches Training, denn sie benötigen es auch nicht. Andere Menschen in der Welt mögen gewisse Leiden durchmachen, die denen ähneln; sie mögen die Schwierigkeit der Armut kennen lernen, die Schwierigkeit, ihre Stellung in der Welt halten zu können; äußerlich mag eine gewisse Ähnlichkeit bestehen, aber innerlich sind Elemente mit der Erfahrung von Gläubigen verbunden, die ganz speziellen Charakter haben. Bei den Gläubigen kommt ein Anspruch hinzu, den andere nicht kennen und der von andern nicht verlangt wird, die keine Gläubigen sind. Einfach weil wir des Herrn Diener sind, müssen wir durch Züchtigungen hindurch und müssen uns Feinden stellen; all das wird vom Herrn zugelassen, der uns dadurch zu schulen versucht.

1. Eine erfahrungsmäßige Kenntnis der Not

Zu welchem Zweck dient denn das? Wir haben bereits aufgezeigt, dass das, was seine Art, mit uns zu verfahren, seine geheimnisvollen und seltsamen Behandlungen, seine einzigartigen Zulassungen, bestimmt, seine Absicht ist, aus uns Haushalter zu machen. Diese Dinge kommen deshalb vor, weil der Diener die Nöte der Leute kennen lernen muss, denen er dienen soll. Er muss in die Natur der Nöte jener Menschen eindringen. Der Mann Gottes ist nicht bloß ein Beamter; er ist nicht jemand, der aus der Menge herausgenommen und in ein Amt mit einer täglichen Aufgabe gestellt wird, die man lernen kann, indem man ein Handbuch studiert. Er muss eine lebendige Beziehung zu seiner ganzen Stellung haben, und er muss eine lebendige und erfahrungsmäßige Kenntnis der Natur der Nöte jener Menschen haben, denen er dienen möchte. Zwischen ihm und den Leuten, denen er die Reichtümer des Meisters mitteilen soll, muss eine Sympathie des Herzens bestehen. Er muss die Unterschiedlichkeit ihrer Nöte kennen, denn was der eine unbedingt benötigt, ist für einen andern vielleicht völlig unpassend. Er muss feststellen, wie das ein Arzt tut, dass nicht zwei Fälle genau gleich sind, weil keine zwei Temperamente genau gleich sind. Ein Dutzend Leute können dieselben Klagen äußern, und doch ist es vielleicht nötig, jede einzelne verschieden zu behandeln, wegen der unterschiedlichen Temperamentsfaktoren in jedem einzelnen Fall. Genauso wie der Arzt nicht nur die Klage, sondern auch den Patienten in seine Überlegungen einbezieht, so ist es auch mit dem Haushalter. Er muss ein Mann mit einem Herzensverständnis sein.

Der Herr behandelt uns, damit wir fähig werden, in geeigneter Weise zu dienen. Seine Haushalter müssen Menschen des Verständnisses sein, die so mit jedem Einzelnen umgehen, dass die den Ausruf hervorrufen: «O, das trifft genau auf mich zu! Das berührt meinen Fall! Dieser Haushalter muss aus Erfahrung wissen, wie das ist!» Der Herr weiß immer, und er wird uns immer durch solche Erfahrungen führen, die uns diese Art von Kenntnissen vermitteln, damit wir fähig werden, seine Güte auszuteilen. Die Art, wie der Herr uns trainiert, ist es, uns zuerst durch die Dinge hindurch zu schicken, denn wer könnte besser helfen als der, der bereits durch dieselben Leiden hindurch gegangen ist?

2. Eine erfahrungsmäßige Kenntnis der Ressourcen

Ferner muss der Haushalter nicht nur die Natur der Not verstehen, der er begegnen soll, sondern er muss auch die Ressourcen kennen, mit denen er der Not abhelfen kann. Er muss die Qualität dessen kennen, was ihm zu Gebote steht, seine Natur und die Werte, die darin liegen. Auch hier können wir niemals die Werte der Dinge Gottes kennen, es sei denn, wir seien durch Erfahrungen gegangen, in denen wir sie auf die Probe stellen und als bewährt erleben konnten. Keiner kennt wirklich den Wert der göttlichen Dinge, der ihre Kraft nicht in seinem eigenen Leben erprobt hat.

Die Haushalterschaft des Evangeliums ist etwas mehr als ein neutestamentliches System der Wahrheit im Blick auf die Gnade Gottes. Es ist etwas mehr als bloß eine Formel von bestimmten Wahrheiten wie z.B. die Vergebung der Sünden, Rechtfertigung durch den Glauben, und alle anderen Lehren des Evangeliums. Die Haushalterschaft des Evangeliums beinhaltet, dass dessen Kraft in das innerste Wesen des Haushalter hineingewirkt worden ist, und dass der Haushalter sich selber dieser Kraft erfreut. Ein solcher Haushalter kann aus dem Schatzhaus herauskommen und dem Haushalt und denen darüber hinaus dienen, indem er sagt: «Ich habe hier etwas von ungeheurem Wert; ich genieße es selbst; ich kenne es, und ich kann euch versichern, dass das nicht das Resultat meiner Studien oder des Einsammelns von andern ist, sondern dass es von einem aktuellen Genuss seiner Wohltaten kommt».

Was auf das Evangelium zutrifft, gilt auch für die vielseitigen Geheimnisse Gottes. Das ist eine andere Haushalterschaft, von der Paulus spricht (Kol. 1,25). Ihr und ich, wir werden in die Mysterien Gottes eingeführt, in die Tiefen, um jene geheimen Dinge zu entdecken und mit Schätzen aus dem Dunkeln hervor zu kommen. Eine Zeitlang mögen wir spüren, alles sei Tod und Verwüstung, so als herrschten Armut und Entbehrung über uns, aber mit Schätzen aus solch dunklen Erfahrungen hervorzugehen macht aus einem Menschen einen echten Haushalter der Geheimnisse Gottes. Haushalter sind Männer und Frauen, die durch das Dunkel gegangen sind und dort göttliche Schätzen entdeckt haben, die sie später weiterzugeben imstande sind.

3. Treue

Wie viel habt ihr auszuteilen? Seid ihr sicher, dass ihr das weitergebt, was ihr habt? Der Herr hat euch nicht nur für euch selbst durch diese Prüfung, durch diese seltsame Erfahrung geschickt. Er ist nicht so mit euch verfahren, wie er das getan hat, damit ihr euch dann in euch selbst einkapselt und das Ergebnis allein genießt. Er hat getan, was er tun musste, um aus euch einen Haushalter zu machen. Wenn wir nur zulassen, dass diese Tatsache uns in den Tagen der Schwierigkeit und Prüfung beherrscht, wird es uns zwar durchhelfen. Wir sollten jedoch an der Tatsache festhalten, dass die Prüfung den Sinn hatte, uns mit Bereicherung für andere auszustatten, und unsere Ausrüstung und Qualifikation für das Werk der Haushalterschaft zu vermehren. Es gibt so viele, die ein Maß von geistlichem Reichtum haben, die es aber nicht andern zukommen lassen. Sie haben eine Kenntnis des Herrn, die aus der Erfahrung hervorgegangen ist, und wenn sie nur andern beistehen würden, dann könnten sie ihnen einige Segnungen und Bereicherungen weitervermitteln, die sie zuerst empfangen haben.

Bittet den Herrn, euch in eure Haushalterschaft zu entlassen innerhalb eurer Möglichkeiten. Ich denke dabei nicht an einen offiziellen, organisierten Dienst, der künstlich ist und von euch etwas erwartet, was ihr gar nicht geben könnt, sondern an die Möglichkeit von lebendigen Kontakten, die euch Gott zu andern schenkt. Kinder Gottes mögen in ärgster Not euren Weg kreuzen, und mögen ständig Ausschau halten nach jemandem, der ihnen helfen kann. Vielleicht haben sie zum Herrn geschrieen, er möge ihrer Not begegnen, und ihr seid möglicherweise die Person, durch die Gott ihre Gebete erhören kann. Wenn sie euren Weg kreuzen und ihr redet bloß von allen möglichen gewöhnlichen Dingen, dann werden sie ihren Weg unbefriedigt fortsetzen, und ihr habt in eurer Haushalterschaft versagt. Wie traurig, wenn der erwählte Haushalter diejenigen enttäuscht hat, die zum Herrn riefen, und dabei auch den Herrn enttäuscht.

«Im übrigen wird von einem Haushalter nur verlangt, dass er treu erfunden wird» (1. Kor. 4,2). Er muss treu sein, nicht notwendigerweise redegewandt, intellektuell, mit einer starken Persönlichkeit oder ähnlichen speziellen Gaben. Ich glaube, dass die größte Tugend in den Augen Gottes die Treue ist; sie umfasst alles. Treue ist etwas, das Gottes Herzen entspricht. Blickt auf Paulus, den Haushalter: «Demas hat mich verlassen... alle haben mich verlassen» (2. Tim. 4,10 und 16) und staunt über seine Beharrlichkeit. Er wurde praktisch allein gelassen. Er hatte mehr Feinde als je zuvor. Selbst einige seiner früheren Freunde scheinen seine Feinde geworden zu sein. Aber da ist keine Gedanke, kein Anflug, aufzugeben. Sein Wort lautet: «treu bis zum Tod». Dieser Haushalter war treu. Es war nicht so, dass sein Leben dadurch restlos gerechtfertigt worden wäre. Nein, irgendwie scheint es, als würde er als einsamer Mensch sterben. Doch – als ein treuer Haushalter – wurde er treu erfunden.

Welche Bereicherung jedoch ist auf uns gekommen wegen all dieser Treue! Durch alle Jahrhunderte hindurch haben Menschen durch viele und tiefe Enttäuschungen hindurch von Paulus’ Verwalterschaft Nutzen gezogen. Sein Werk geht immer noch weiter. Es ist typisch für eine treue Haushalterschaft, dass der Haushalter abberufen werden kann, seine Haushalterschaft jedoch weiter geht. Treue wird stets über die wildesten Träume von Menschen hinaus belohnt. Wir dürfen nicht niedergeschlagen sein, wenn im Augenblick unsere Treue uns einen Anschein von möglichem Versagen ausliefert. Unsere Aufgabe ist es, gute und treue Haushalter zu sein.


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