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Gottes Ziel und Gottes Weg

von T. Austin-Sparks

Zuerst veröffentlicht in den Zeitschriften "A Witness and A Testimony", Jan-Feb 1944, Vol. 22-1. Originaltitel: "God's End and God's Way". (Übersetzt von Manfred Haller)

«Er hat uns das Geheimnis seines willens bekannt gemacht... alles unter einem Haupt zusammenzufassen... der alles wirkt nach dem Ratschluss seines Willens... und er hat alles seinen Füßen unterworfen und ihn als Haupt über alles der Gemeinde gegeben, die sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allen erfüllt» (Eph. 1,9-11. 22-23).

Es gibt drei Hauptteile dieser Aussage:

1. Der ewige Wille und Vorsatz Gottes.

2. Christus als das Zentrum dieses Vorsatzes.

3. Die Gemeinde, die sein Leib ist, das Gefäß des vollen Ausdruckes dieses Vorsatzes – d.h. von Christus.

Es wird uns gezeigt, wie Gott sich Dinge aufgrund von ewigen Ratschlüssen vornimmt. Beim Entwerfen und Planen seiner Absichten, «alle Dinge» «im Himmel und auf Erden» (Eph. 1,10) zu erschaffen und zu konstituieren, wurde er durch einen spezifischen und entscheidenden Vorsatz bewegt und regiert. Dieser «Vorsatz» wird im Neuen Testament mehrere Male erwähnt, und von verschiedenen Dingen wird gezeigt, wie sie dazu in Beziehung stehen. Es ist äußerst wichtig, dass wir das erkennen: Wie viele Phasen in der göttlichen Aktivität es auch geben mag, der Vorsatz Gottes bleibt immer derselbe. Nichts ist ein Ziel in sich selbst. Das erste Gesetz geistlicher Fülle (und man möge beachten, dass Fülle das ist, was im Blickfeld steht) ist es, die Tatsache und die Natur von Gottes alles beherrschendem Vorsatz wahrzunehmen. Es ist eine eindrückliche und schmerzliche Tatsache, dass sehr, sehr wenig von dem, was hier mit dem Herrn in Verbindung gebracht wird, wirklich durch geistliche Fülle gekennzeichnet ist. Kleinlichkeit, Schwäche, Begrenzung, Armut, Niederlage, Unwissenheit, Unreife und Enttäuschung charakterisieren so viele vom Volke Gottes und so vieles vom Werk des Herrn. Das ist eines der Dinge, die so viel Not, so viel Untersuchung und Mühe in gewissen Kreisen verursachen.

Könnte nicht dies die Erklärung sein, dass nichts, das nur Teil eines Ganzen ist, den vollen Vorsatz verwirklichen kann? Um auf dem Wege der Fülle sein zu können, ist es in erster Linie entscheidend, dass wir erkennen und merken, dass Gott nicht einfach ein Gschaftlhuber ist, der sich in einer großen Anzahl von guten und barmherzigen Aktivitäten betätigt; vielmehr ist er mit einem einzigen, allumfassenden und sich auf alles beziehenden Vorsatz beschäftigt! «Der ALLES nach dem Ratschluss seines Willens wirkt». Das Maß von höchsten erreichten Zielen und vollbrachten Werken wird sich nach der ursprünglichen Wahrnehmung eines einzigen Vorsatzes richten. Wenn dieser festgesetzt ist, werden wir bald weiter kommen und sehen, welches dieser Vorsatz ist und wie – und durch welche Mittel – er realisiert werden kann. Wenn ein Meister einen einzigen Vorsatz hat, an den er sich völlig hingibt, wird er darauf angewiesen sein, dass alle, die für ihn arbeiten, nicht irgend welche unterschiedlichen Dinge tun, sondern dass sie über ihren eigenen Job hinaus blicken und sich am ganzen Ziel und Projekt beteiligen, indem sie positiv darauf hinarbeiten. Er wird allen günstig gesinnt sein, die kommen, um für ihn zu arbeiten, und auch jedes verwendete Mittel gutheißen, aber nur in dem Maße, wie der volle Vorsatz in ihrem Herzen ist. Das Maß seiner Ressourcen und Fülle wird nur auf dieser alleinigen Basis bestimmt werden. So ist es bei Gott. Doch müssen wir verstehen, dass es sich dabei um geistliche Fülle handelt, sie steht hier im Blickfeld, und nicht persönliche Befriedigung.

Dann besteht der Vorsatz darin, alle Dinge in Christus zusammenzufassen. Es ist eine bis zum Rand gefüllte, ausgedehnte und alles umfassende Person. Die Größe, Großartigkeit, die universelle Fülle Christi ist Gottes Ziel. Wiederum, es genügt nicht, dass wir bloß den Vorsatz sehen, so grundlegend das auch sein mag, vielmehr sollten wir – auf eine stets wachsende Weise – die Fülle Christi sehen. Es muss ein anfängliches Sehen dieser Größe, dieser Majestät, dieser Herrlichkeit, dieser Universalität vorhanden sein. Es war ein solches Sehen, auf welches die Kraft, die Effektivität und Herrlichkeit der Gemeinde der ersten Tage zurückzuführen war. Das war die Bedeutung von «Pfingsten». Es war ebenfalls ein solches Sehen, das aus den Aposteln die Männer machte, die sie dann waren. Paulus schuldete alles der Tatsache, dass Gott Seinen Sohn in ihm offenbarte. Doch dieses Sehen muss weitergehen. Es muss sogar immer voller werden. Wir dürfen unsere Sicht von Christus nicht einfach auf eine vergangene Erfahrung zurückdatieren. Es ist der Wille des Herrn, dass wir so im und durch den Geist leben und wandeln, dass wir imstande sind zu sagen, dass das, was wir heute von Christus sehen, unendlich viel größer und wunderbarer ist als je. Das stimmt nur völlig mit dem Vorsatz Gottes überein, und es ist für alle so, die wirklich eine geistliche Wahrnehmung davon erlangt haben.

Dann, an dritter Stelle, bewegen wir uns dahin, dass wir Gottes Methode und Mittel erkennen, mit denen er seinen ewigen Vorsatz erfüllt. Das geschieht mit Hilfe der «Gemeinde, die sein Leib ist». Von der Gemeinde wird eindeutig gesagt, sie sei «die Fülle dessen, der alles in allen erfüllt». Diese universelle Fülle Christi ist dazu bestimmt, in einem und durch ein Gefäß geoffenbart zu werden, das Gemeinde genannt wird. Was also ist diese Gemeinde?

Zuerst einmal wird gesagt, sie sein eine auserwählte Gruppe von Leuten. Wir lassen alle Theorien über die Erwählung beiseite und begnügen uns für den Moment damit, zu sehen, dass Gott von Ewigkeit her bestimmt hat, eine solche Gruppe zu haben, und diese Erwählung bezieht sich auf den Vorsatz, und nicht in erster Linie – wenn überhaupt – auf die Errettung. Gott kennt die letztlichen Reaktionen der Menschen auf seine Vorschläge, er kann nicht anders als sie zu kennen, und gemäß seinem Vorauswissen hat er hinsichtlich seines Vorsatzes voraus bestimmt. Er beruft bloß. Die Gemeinde ist die Gruppe der Berufenen, die gehorchten.

Zweitens, die Gemeinde ist etwas Größeres als die Gemeinden. Was immer wir unter den letzteren verstehen mögen, die Gemeinde mag in ihnen allen sein, oder sie mag in keiner von ihnen sein. Die Gemeinde ist wesentlich etwas Geistliches; sie ist nicht sektiererisch, denominationell, «kirchlich», traditionell etc. Sie besteht aus einer geistlichen Bezogenheit als einem lebendigen Organismus; sie ist ein Körper, der ein einziges Leben besitzt; sie ist eine einzige Entität, ein «alle einer in Christus». Das Maß an Licht, das wir haben, macht uns nicht mehr oder weniger zu einem Glied dieses Leibes, obwohl es unser Funktionieren beeinträchtigen kann. Das Wahrnehmen von «Gemeinde-Wahrheiten» macht uns nicht zu Gemeinde-Mitgliedern, obwohl sie die Frage der Fülle in großem Maße beeinflussen wird. Lebendiges Bezogensein auf Christus ist die Basis eines tatsächlichen Leibes.

Doch wenn wir dies gesagt haben, müssen wir darauf hinweisen, wie wichtig die Anerkennung der Gemeinde ist. Neben einer persönlichen Offenbarung von Christus in seiner Größe, ist auch die Offenbarung von der Gemeinde an unseren praktischen Fortschritt in Richtung Fülle gebunden. Paulus hat eine viel größere Fülle in seinen Schriften als irgend ein anderer Apostel, und der Grund dafür ist die besondere Offenbarung von der Gemeinde, die ihm gegeben wurde. Was aus dieser Offenbarung hervorgeht, ist, dass Christus und die Gemeinde eine einzige Realität sind, Haupt und Glieder eines einzigen Leibes.

Da gibt es ein oder zwei Dinge, die für unsere Wahrnehmung in dieser Angelegenheit relevant sind. Zunächst einmal ist da die Tatsache – so klar und voll in der Schrift dargelegt – dass Gott die Gemeinde ebenso unmittelbar und bestimmt für die Verwirklichung seines ewigen Vorsatzes erwählt und eingesetzt hat, wie er seinen Sohn auserwählt und eingesetzt hat. Er hat sich selbst und in seiner Fülle ebenso positiv an die eine wie an den andern gebunden. Während die eine dem andern unterworfen und das Medium und Gefäß des andern ist, wie die Frau im Blick auf ihren Mann (Eph. 5,22-24), so sind sie doch eins in der Frage des Vorsatzes. Dies bringt mit sich die Eifersucht Gottes für seine Gemeinde, und dies bedeutet, dass für die Fülle Ignorieren, Geringmachen oder Beleidigen erlaubt werden darf.

Viertens sucht Gott in der Frage der geistlichen Fülle strikt eine leibmäßige Wirksamkeit zu bewahren. Das heißt, es ist für keinen Teilbereich möglich, als solcher Fülle zu erreichen. Fülle ist eine Angelegenheit des aufeinander Bezogenseins. «Die Gemeinde ist die Fülle dessen». Kein Individuum kann das sein. Darum sind geistliche Einheit, aufeinander Bezogensein, Gemeinschaft, Gegenseitigkeit und gegenseitige Abhängigkeit für das Erreichen des geistlichen Erwachsenenalters grundlegend und unverzichtbar. «Bis wir alle hingelangen... zu einem erwachsenen Menschen, zur Fülle Christi» (Eph. 4,13).

Im Alten Testament, als die Dinge dem himmlischen Muster entsprechend konstituiert wurden, redete Gott aus dem Zelt der Zusammenkunft. So ist es auch im Neuen Testament. Um die Antwort auf seine Frage auf dem Weg nach Damaskus zu bekommen, musste Paulus in die Stadt hinein gehen und sie aus der Gemeinde heraus zu empfangen. Um sein großes Lebenswerk anzutreten, musste er in der Gemeinde in Antiochien bleiben und seinen Auftrag von ihr bestätigt bekommen (Apg. 13). All das bedeutet nicht, dass Gott sich nie souverän und in Gnade bewegt hat ohne die Anerkennung dieses Gesetzes bei denen, die sich um seine Interessen kümmern, doch reden wir von geistlicher Fülle, und unser Dienst befasst sich damit. Nicht ein Komitee, weder allgemein, noch ausführend oder nur beratend, sondern «der Leib», dargestellt und geistlich funktionierend, ist der von Gott angeordnete Weg.

Es würde viel mehr Platz beanspruchen, als uns zur Verfügung steht, wenn wir alle Werte und Bedeutungen einer Wahrnehmung vom Platz und Vorsatz Gottes für seine Gemeinde in allen Dingen aufzeigen wollten. Dies ist eine der Angelegenheiten, die in unserem gesprochenen und schriftlichen Dienst in den vergangenen Jahren einen beträchtlichen Raum eingenommen haben.

Das führt uns weiter zu den Gemeinden; d.h. zu den örtlichen Gemeinschaften des Volkes Gottes. Zeiten und Bedingungen haben sich seit den Tagen des Neuen Testamentes stark geändert; das trifft zumindest auf die westliche Welt zu. Es war einfach und gradlinig, zu jener Zeit Gläubige zu versammeln; es gab ja damals nur Gläubige und Ungläubige. Heute bestehen noch zahlreiche andere Fragen, wie z.B. «Verbindungen», «Ordnung», «Praxis», «Glaubensbekenntnis», etc. Doch da gibt es ein oder zwei Dinge, die noch immer diese Frage regieren:

1. - Die örtliche Gemeinde bzw. Versammlung ist so gedacht, dass sie an einem bestimmten Ort all das ist, was die Gemeinde als Ganze universell ist. Sie darf in ihrer Vision, ihrer Berufung, ihrem Beziehungsgeflecht nicht kleiner sein. Obwohl sie lokal angesiedelt ist, ist sie ihrer Natur, ihrer Reichweite, ihrem Anliegen und ihrer Funktion nach universell. Wenn sie für sich selbst lebt, wird sie sterben. Die Fülle hängt von ihrer geistlichen Länge, Breite, Höhe und Tiefe ab.

2. - Die örtliche Gemeinde ist das geistliche Trainingsfeld für jede Nützlichkeit für den Herrn. Hier werden alle wesentlichen Lektionen gelernt, und zwar nicht allein durch Belehrung, sondern durch geistliche Disziplin. Die ganz entscheidende Lektion der Unterordnung unter den Herrn – die in Sachen geistlichen Wachstums so viel bedeutet – lernt man nur in einer echten Versammlung und Gemeinschaft des Lebens. Alles unabhängige, auf nichts anderes bezogene und bloß persönliche Leben wird unmöglich, wenn der «Leib» wirklich erkannt wird.

Die geistliche Unterstützung, Aufrechterhaltung, Umgeben und Schützen des Volkes Gottes auf mehr als nur allgemeine Weise ist von ungeheurem Wert und von großer Konsequenz. Weit davon entfernt, dass die örtliche Gemeinde bloß ein «Ort des Versammelns» oder eine Predigtstätte ist, ist sie vielmehr dazu gesetzt, ein örtlicher Ausdruck der Familie Gottes zu sein, und alle Funktionen eines echten Familienlebens und einer echten Familienbeziehung zu erfüllen und dazu beizutragen.

3. - Die Sache, die sowohl in der örtlichen wie auch in der universellen Gemeinde von vorrangiger Bedeutung ist, ist die absolute, souveräne Stellung Christi als Haupt. Alles, was diese usurpiert oder auf irgend eine Weise damit in Konflikt steht, wird mit Sicherheit zu geistlicher Eingrenzung und zu einer entsprechenden Verlangsamung des Wachstums führen. Ist das nicht der Grund, weshalb in den neutestamentlichen Gemeinden nicht ein einzelner Mann an der Spitze stand, sondern dass mehrere Älteste eingesetzt wurden? Das «Leib-»Prinzip wird durch das gemeinschaftliche aufrechterhalten, und die individuelle Vorherrschaft wird so vereitelt. In Antiochien sprach der Heilige Geist zu einer Gruppe von repräsentativen Männern, die in geistlicher Verantwortung Gemeinschaft pflegten. Ältestenschaft bedeutet Repräsentation – und sie ist ein geistliches, und kein kirchenstrukturelles Maß. Die neutestamentliche Pluralität der Ältestenschaft bedeutet, dass die Gemeinde – in und durch ihre Repräsentanten – unter die vollständige Souveränität Christi durch den Heiligen Geist gebracht wird.

4. - Wir müssen nun erkennen, dass die Apostel niemals auszogen mit dem Plan, Gemeinden zu bilden. Das war das spontane und notwendige Ergebnis der Wirksamkeit des Heiligen Geistes an jedem Ort. Christus wurde gepredigt und angenommen, und das Aufeinanderbezogensein folgte auf dem Fuß (s. Apg. 2,42). Was entscheidet, ob etwas eine Gemeinde ist, ist Christus. Das ist die Lösung und die Antwort auf viele der Probleme und Fragen, die sich in diesen besonders komplizierten Zeiten, insbesondere in der westlichen Welt, erheben. Welches sollte unser leitendes und alles entscheidendes Prinzip sein, wenn wir uns versammeln? Es ist dies, Christus zu sein! Wir versammeln uns allein auf diesem Grund. Wo Gottes Ziel am vollsten im Blickfeld steht, und was am meisten dazu beiträgt, dieses Ziel zu erreichen – entscheidet darüber, wo wir sein sollten, und niemand sollte deswegen streiten. Wegen der (fleischlichen) Hingabe an und Eifersucht für irgend ein «Ding», eine «Mission», eine «Denomination», eine «Tradition», eine «Gemeinschaft», eine «Bewegung» etc. entstehen Rivalitäten und schlechte Gefühle. All dieses Gerede über «Schafe stehlen» und «das Volk Gottes spalten», oder zumindest ein großes Stück davon, entsteht aus einem Anliegen – nicht für geistliches Wachstum – sondern für irgend etwas hier auf der Erde. Wie viel von diesem Gerede wäre unmöglich, wenn jeder, der davon betroffen ist, die Haltung einnehmen würde, dass es nicht darauf ankommt, was überlebt oder zu existieren aufhört, solange Christus auf eine geistliche Weise zunimmt. Das macht es natürlich nötig, dass das ganze Volk Gottes, besonders aber diejenigen in offiziellen Positionen und in Stellungen mit viel Einfluss, aufs äußerste und einzig der Zunahme Christi verpflichtet sind. Christus ist nicht getrennt, darum ist Christus der Grund der Einheit, und nicht die Dinge, die wir oben genannt haben.

Wessen Schafe sind sie denn? Gehören sie uns? Können Christi Schafe von solchen gestohlen werden, die ihm verpflichtet sind? Wenn sie Schafe von diesem und jenem sind, dann befinden sich die Dinge in einem ganz anderen Bereich. Nein, diese ganze Angelegenheit ist die Ursache für geistliche Schwäche und Kleinlichkeit, und ein neuer Sinn für Christus selbst ist nötig, um die Fülle zu erreichen.

Zum Schluss, in diesem Zusammenhang und im Augenblick: Alles, was vom Herrn angeordnet wurde, ist für den direkten und positiven «Aufbau des Leibes» gedacht. Das kennzeichnet sein Ziel und seine Richtung, und auch sein vereinigendes Gesetz. Evangelisation, Belehrung, Gaben, sowohl persönliche wie geistliche etc., so wird gesagt, dienen entschieden diesem einen Ziel. Der Evangelist und die Evangelisation sind nicht ein Ziel in sich selbst, sie sind auch nichts Zusätzliches. Das Neue Testament überwältigt eine solche Vorstellung und ein solches Vorgehen vollständig. Alle diese Funktionen sind «Leib-»Funktionen, und für einen wohl ausgeglichenen Leib müssen sie alle zusammen gehalten werden; keines darf auf Kosten des andern betont werden; keines darf ausgelassen werden. Ein Lehrdienst muss mit einem evangelistischen Dienst Hand in Hand gehen; dasselbe gilt auch umgekehrt. Jeder, der als Glied des Leibes Christi funktioniert, sollte nicht einfach im Blick haben, dass Seelen gerettet werden, oder dass die Heiligen unterwiesen werden, sondern dass durch diese Dienste und durch alle andere Mittel eine Vermehrung Christi erfolgt. Wir wollen nicht vergessen, dass die Gemeinde weder groß noch klein ist; unser Werk ist nicht mehr oder weniger erfolgreich entsprechend der Zahl von Leuten, die da repräsentiert werden, sondern entsprechend dem positiven Maß von Christus.

Ich kann diesen Rückblick nicht abschließen ohne Bezugnahme auf ein oder zwei Dinge, die für diesen Dienst (von T. Austin-Sparks) entscheidend sind.

Da ist zunächst die Sache des Kreuzes. Es wird nichts Neues oder Ungewöhnliches gesagt, wenn wir sagen, dass das Kreuz Christi tief mit der Frage der göttlichen Fülle verbunden ist. Doch inwiefern dies so ist, macht eine ständige Nachachtung und eine wachsende Entfaltung erforderlich. Die Schrift macht sehr deutlich, dass der Widersacher mit all seiner Macht und mit allen Mitteln versucht, die Frage nach der Annahme und des Standes vor Gott neu aufzuwerfen. Er wird sehr spät am Tag (Offb. 12) als der «Ankläger der Brüder» sichtbar, und die Zerstörung der Heilsgewissheit ist eine seiner entschiedendsten Unternehmungen. Alles, das die Vorstellung enthält, wir müssten irgend etwas tun und uns selbst zu etwas machen, um die Barmherzigkeit Gottes zu erwecken, so dass er uns annehmen kann, trägt den Stempel des Teufels auf sich. Der Tod Christi für uns und unser Tod mit ihm ist der einzige, aber sichere, Grund für eine völlige Annahme! Besser als Luther kann man es gar nicht sagen, wenn er so redete:

«O Christus, ich bin deine Sünde, dein Fluch, dein Zorn Gottes, deine Hölle; und im Gegensatz dazu bist du meine Gerechtigkeit, mein Segen, mein Leben, meine Gnade Gottes, mein Himmel».

Kein Wunder also, dass der Teufel Martin Luther so sehr hasste und ihn so bitter attackierte.

Aber es geht nicht nur um diesen grundlegenden, anfänglichen, vollkommenen Wert des Kreuzes für unsere volle und unangefochtene Annahme; es gibt noch eine Bedeutung des Kreuzes in Bezug auf geistliche Fülle und Fruchtbarkeit. Es ist das, was Paulus «seinem Tode gleichförmig zu werden» nennt (Phil. 3,10).

Das muss, lasst uns das unterstreichen, gesondert von unserer Rechtfertigung und unserem Zugang zu Gott behandelt werden. Wie viele Tragödien, Skandale, Niederlagen, Schwächen, Tod, Begrenzung und Lieblosigkeit vieler Christen und christlicher Institutionen, Gemeinschaften und Gemeinden sind auf das «ungekreuzigte Fleisch» und das natürliche Leben zurückzuführen! Wie stark wird Christus aus dem Gesichtsfeld gerückt durch Menschen und Dinge und Methoden, die sich selbst in den Vordergrund drängen! Wenn er, und wir mit ihm, an den Platz seiner göttlichen Bestimmung kommen soll, dann ist ein fortgesetztes und ein sich immer vertiefendes Werk des Kreuzes in uns notwendig. Wir müssen uns in einer Stellung befinden, da wir sagen können: «Ich bin mit Christus gekreuzigt». Aber, wir müssen die Aussage auch vollständig machen: «nicht mehr lebe ich». Stimmt es - «Nicht mehr ich?» «Nein... ich»? Das ist es, was Paulus meinte, doch wer kann die Tiefe dieses «Ich» kennen? Nur Christus weiß, wie tief und gründlich sein Kreuz ist, und wir müssen uns ihm ausliefern, damit der Heilige Geist seine Bedeutung des Kreuzes in uns hineinwirken kann, wenn der Weg für seine Fülle frei werden soll.

So ist also diese doppelte Botschaft und Bedeutung des Kreuzes ein sehr starker Teil dieses Dienstes. Es gibt viele, welche die zweite nicht schätzen und sie nicht wahr haben wollen. Wir können nur sagen, dass, wenn sie etwas mehr als den Durchschnitt in Sachen geistlichen Reichtums und ihrer Wahrnehmung Christi repräsentieren, und wenn das, womit sie in Verbindung stehen, frei ist von den gewöhnlichen Ergebnissen der Kraft des natürlichen Lebens, es dann in ihrer Gegnerschaft gegenüber der subjektiven Bedeutung des Kreuzes etwas geben muss, dem wir Beachtung schenken sollten. Doch wir waren selber dort, und wir kennen den Unterschied.

Wir müssen abschließen, und das tun wir, indem wir noch auf eine andere Sache hinweisen. Viele mögen vielem zustimmen, was wir geschrieben haben, doch reagieren sie darauf, indem sie sagen, das sei «idealistisch»; es sei zu hoch; dass es so, wie die Dinge heute liegen, nicht möglich sei; dass wir nicht auf eine solche Wiederherstellung hoffen können. Nun, es gibt eine einzige Antwort auf diese Einstellung. Die Bibel hat stets eine solche Einstellung erkannt und für sie vorgesorgt. Es war nur eine kleine Zahl aus der gefangenen Nation Israels, die freiwillig zurückkehrte, um die Stadt, die Mauer, das Haus in Jerusalem wieder aufzubauen, und das Wort, das sie bestimmte und charakterisierte, war: «Wer immer ein williges Herz hat, dessen Gott sei mit ihm».

Im Buch der Offenbarung wird deutlich, dass die Mehrheit den vollen Gedanken des Herrn preisgegeben hat. Der Appell geht an diejenigen unter ihnen, die «ein Ohr haben, zu hören». Wir stellen fest, dass sie «Überwinder» genannt werden, und das bezieht sich deutlich auf die dekadenten Bedingungen; eine Reaktion also auf den vollen und ursprünglichen Gedanken des Herrn. Man kann schwerlich erwarten, dass alle Christen auf diesen Appell und Standard eingehen, doch ist es klar, dass sie es können, der Herr will es so, und was er will, das steht nicht außer Frage. Es mag ein kostspieliger Weg sein; und der Preis wird hauptsächlich akut sein wegen der Einstellung der andern Christen.

Darum stellen wir fest, dass dieser Dienst das Volk des Herrn sichten wird, und nur diejenigen, die es mit dem Herrn ernst meinen und die «zum vollen Mannesalter voran schreiten», werden Platz dafür haben. Unsere Botschaft ist darum eine, welche die «Überwinder» angeht, obwohl wir diese nicht als eine Auswahl unter den Erwählten betrachten, gleichsam eine auserwählte, geistliche Aristokratie. Sie werden aber einen Platz von besonderer Ehre haben, weil der Herr in ihnen etwas finden wird, worauf sein Herz von Anfang an ausgerichtet war. Der Unterschied wird dem entsprechen, der letztlich zwischen Joseph und seinen Brüder bestanden hat.

Ein solcher Dienst, von dem wir gesprochen haben, wird schließlich das Resultat seinem sehr tiefen und drastischen Handeln an uns sein. Er ist nicht etwas, das man durch Studium und mit dem Verstand erlangen kann. Wir werden nie als vollendetes Gefäß von der Drehscheibe wegkommen, aber irgendwie wird der Herr eine Kombination zwischen dem Geformt- und Gebrauchtwerden erreichen. So sollte es gewiss sein. «Der Botschafter des Herrn in der Botschaft des Herrn» enthält das wesentliche Prinzip, dass das Instrument seiner geistlichen Geschichte nie vorauseilen sollte. Selbst Proheten, die von kommenden Dingen und von vielem sprachen, deren Bedeutung ihnen noch keineswegs klar war, wurden so geführt, dass ihr Dienst durch praktische Erfahrung in sie hineingewirkt wurde. Doch die drastische Behandlung hat immer Vermehrung und Fortschritt zum Ziel. Ein solcher Dienst kann nicht einfach «aufgegriffen» oder adoptiert werden. Wir können nicht wie in eine andere Art von Arbeit in ihn eintreten, sei es durch technisches oder intellektuelles Training und durch Instruktion. Tatsächlich ist es etwas, vor dem wir von Natur aus zurückschrecken, wie dies Moses, Jeremia und andere taten. Es ist hilfreich und interessant, aber auch erleuchtend, zu sehen, dass, als der Herr durch Jeremia zu Israel über das Töpferhaus sprach, und der Töpfer, und dann er selbst den Platz des Töpfers einnahm, das Formen, Gestalten, Korrigieren, Anpassen, Reinigen bis zur Brauchbarkeit (des Gefäßes) durch Angriffe und Heimsuchungen von feindlicher Aktivität vollzogen wurde. Es bestand eine Verbindung zwischen den Händen des Töpfers und der Opposition und Belagerung eines fremdem Herrschers. So benutzt der Herr also zur größerer Brauchbarkeit den Feind und sein Werk, und wir werden nicht so schnell von diesem Druck befreit.

Dies sind also die hauptsächlichen Dinge, zu denen wir berufen, und denen wir auch verpflichtet sind. «Hier stehen wir, wir können nicht anders; Gott helfe uns».

Der Herr gebe euch allen ein Herz, das «dem Lamme folgt, wohin immer es geht», und dass ihr seine Fülle erreicht.


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