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Wahrheit im Innersten

von T. Austin-Sparks

Zuerst veröffentlicht in den Zeitschriften "A Witness and A Testimony", Sep-Okt 1962, Vol. 40-5. Originaltitel: "Truth in The Inward Parts". (Übersetzt von Manfred Haller)

«Siehe, du verlangst nach Wahrheit im Innersten» (Ps. 51,8). 

PSALM 51 mag sehr wohl DE PROFUNDIS (Aus der Tiefe) zum Titel haben.

Denn hier erreicht der Psalmist die tiefsten Tiefen des Kummers und der Gewissensbisse. Der Grund wird berührt, wenn es zu einer Frage der «Blutschuld» wird, denn, bei allen Vorkehrungen für die Sünde gibt es im mosaischen Ritual keine für Blutschuld; nur der Tod ist die Antwort darauf. David weiß das, und in diesem Psalm steht er genau dieser Tatsache gegenüber, wegen jener Episode mit Urija, dem Hittiter (2. Sam. 11-12). David wusste sehr wohl, dass die Barmherzigkeit Gottes tiefer gehen musste als bis zum Tod, den er verdient hatte. In seiner tiefen Todesangst ist David auf eine entscheidende Frage oder einen entscheidenden Punkt gestoßen. Hier haben wir dieses «Tiefe ruft der Tiefe». Tiefes Leiden ruft nach einer tiefen Lösung, wenn das Leiden sich auf Sünde bezieht. Die Lösung dafür steht in Vers 8: «Du verlangst nach Wahrheit im Innersten». Um diesen tiefsten Ort und diese tiefste Lösung zu erreichen, benutzt Gott unser Versagen und unsere Fehler.

Es gibt ein

Voranschreiten in Gottes Behandlungen

Im Verlauf unserer geistlichen Geschichte verfährt Gott auf eine sich immer vertiefende Art und Weise mit uns. Hinab, hinab, hinab geht er, bis er den Boden berührt, damit die Dinge in ihrer ganzen Tiefe wahr werden. Er schneidet all unsere Bekenntnisse, unsere Lehren, Behauptungen, Vorwände, Illusionen und Gewohnheiten durch.

Es gibt diesbezüglich keinen bloßen Formalismus; kein bloßes jüdisches Ritual; kein bloß äußerliches Einhalten von Riten und Zeremonien! Nein! Das muss ins innerste Wesen eindringen, eben ins «Innerste». Erkennt ihr dies? Versteht ihr, was er mit uns tut? Oh, er wird uns auf einer gewissen Stufe mit Segen überhäufen, wenn wir vor ihm wandeln, wie jener Mensch in Psalm 1. Er wird uns mit seiner gnädigen Vorsorge begegnen, wenn wir sündigen, übertreten und versagen, und wenn wir falsch handeln – da wird er uns in Gnade begegnen. Doch Gott wird diese Sache bis an den innersten Ort unseres Wesens verfolgen und dort sein Werk der Gnade und Erlösung registrieren.

«Du verlangst...», aber David kam nicht dahin, bis er den abgründigsten, tiefsten Ort der Not, der Versagens, der bewussten Schwäche und Wertlosigkeit erreicht hatte. Dann schrie er. Es genügt nicht, Gott einfach auf eine gewöhnliche Weise zu gefallen; es genügt auch nicht, das Ritual des Gesetzes einzuhalten, den Zeremonien beizuwohnen, und all das auszuführen, was bloß äußerlich ist. Gott verlangt nach der Wahrheit im Innersten, genau dort in den Tiefen unseres Wesens. Warum? Warum? Weil Wahrheit ein Hauptgesichtspunkt und eine Bestandteil der göttlichen Natur ist. Gott wird der Gott der Wahrheit genannt; Jesus Christus, die zweite Person der Gottheit, nannte sich selbst «Die Wahrheit» - «Ich bin ... die Wahrheit»; «Dazu bin ich in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege»; der Heilige Geist wird als der Geist der Wahrheit beschrieben - «wenn er, der Geist der Wahrheit, gekommen ist...».

Die Gottheit, Vater, Sohn und Heiliger Geist, werden durch dieses eine Erscheinungsbild charakterisiert – durch Wahrheit! Und Gott verlangt danach und hat sein Herz darauf gesetzt, ein Volk zu haben, das Teilhaber der göttlichen Natur ist, , und so arbeitet er immer tiefer auf dieses Ziel hin: Was auf ihn zutrifft, wird auch auf seine Kinder zutreffen – auf diejenigen, die von ihm geboren sind – dass sie in diesem Sinne wahrhaftige Söhne Gottes sind.

Alle Unwahrheit ist satanisch

Satan wird beschrieben als Lügner und als der Vater der Lüge. Aus diesem Grunde ist alle Unwahrheit Gott ein Gräuel. Gott hat alle Lügner an den Feuersee verwiesen; er hat alles vom neuen Jerusalem ausgeschlossen, was eine Lüge darstellt. Gott hasst alles, was nicht wahr ist, was nicht durch und durch wahr ist wie er selbst. Er muss Wahrheit im Innersten vorfinden.

Die Einmischung Satans in Gottes Schöpfung – den Menschen – führte dazu, dass der Mensch zu etwas Falschem wurde, insoweit es Gott betrifft: Er ist eine Fehlbesetzung von dem, was Gott im Sinn hatte; und er ist eine verführte Kreatur. «Der Gott dieser Welt», sagt Paulus, «hat den Sinn der Ungläubigen verblendet». Der Mensch ist ein verführtes, geblendetes Geschöpf; Gott aber verlangt nach Wahrheit im Innersten.

Nun, ihr seht, welch große Angelegenheit dies ist, und man steht unter großem Druck, zu wissen, was man darüber sagen sollte und was nicht. Lasst uns jedenfalls einen Augenblick bei der Klausel «im Innersten» verweilen. Ihr werdet in diesem Psalm feststellen, dass dies durchwegs das Thema ist. Hier ist es: «Schaffe in mir ein reines Herz»; «erneuere einen festen Geist in mir»; «einen zerbrochenen Geist und ein zerschlagenes Herz wirst du nicht verachten». Ihr seht, es ist überall dieser innerste Bereich der Dinge, der nun als die eigentliche Not auftaucht. Keine Verführung mehr, keine Falschheit, keinen Spott, keine Heuchelei, kein So tun mehr, als wäre alles in Ordnung, dabei ist überhaupt nichts in Ordnung; kein Benutzen äußerlicher Mittel mehr, um die innere Unechtheit zuzudecken; kein Versammlungsbesuch, keine Gebete, und keine Teilnahme am ganzen System mehr, wenn die innere Teile nicht in Ordnung sind vor Gott. Wenn wir denn sehen, dass wir das sind, was wir jetzt von Natur aus sind, so bedeutet das für uns eine Neukonstituierung. Alles, was nicht dazu dient, ist in sich selbst schon falsch. Jedes religiöse System, das nur äußerlich übernommen wird, und das das innere Leben durch bloße Riten und Rituale überdeckt, ist falsch, ist nicht wahr. Das Werk Gottes besteht darin, die menschliche Natur zu rekonstituieren. Und das beinhaltet zwei Dinge.

Auf der einen Seite führt das zu einem Zusammenbruch. Und wenn ihr irgend eine Ahnung davon habt, wie Gott mit Leben verfährt, die in seine Hand gelangen, gibt es zweifellos viel Raum dafür – für einen fortschreitenden Zusammenbruch; ein an die Wurzel der Dinge Hinabreichen, dafür, dass wir von der Verführung geheilt werden. Sollten wir irgend welche Illusionen über uns selbst haben, werden sie alle verschwunden sein, wenn Gott mit uns fertig ist. Sollten wir durch irgend eine Falschheit über uns selbst, von unserer Position und unserem Werk, bestimmt werden, so wird all das, wenn Gott mit uns fertig ist, verschwunden sein. Er wird uns so lange zerbrechen, bis wir uns selbst splitternackt sehen, als etwas Unreines, mit all unserer Gerechtigkeit als schmutzige Lumpen. So will er uns zerbrechen, und er tut es auch.

Doch da gibt es natürlich auch noch die andere Seite, und zwar die ganze Zeit, denn Gott ist nicht nur, und nicht immer, negativ; es gibt auch noch das Aufbauen, das an den Punkt Bringen, wo alles, was falsch, was nicht absolut transparent und wahr, gerade, klar ist, uns hassenswert erscheint. Mehr und mehr revoltiert unserer innerer Mensch gegen unsere eigene Falschheit. Jede Übertreibung fällt sofort auf uns zurück mit der Überführung, dass es falsch ist; jede falsche Aussage trifft uns hart, und wir wissen, dass wir nicht die Wahrheit gesagt haben. Es ist etwas Ungeheures, in die Hände des Heiligen Geistes zu geraten, bis, genau wie bei Gott, das eine, das wir hassen, alles ist, was falsch ist. «Ich hasse», sagte David, «jeden falschen Weg». Dahin müssen wir kommen. Aber wir müssen solche werden, welche die Wahrheit lieben. Und das wird uns überall hin verfolgen; es wird uns ins Innere unseres eigenen Lebens verfolgen, damit wir uns nicht mehr verführen lassen. Vor Gott wissen wir genau, was Gott über uns denkt, und wir wissen, wo wir im Licht stehen.

Wahrheit im sozialen Leben

Es wird uns auch in unserer soziales Leben hinein verfolgen, und all unsere sozialen Lügen und Heucheleien müssen unter die Hand Gottes kommen. Oh, was für eine ungeheure Menge von Falschheit, von Heuchelei, gibt es doch im sozialen Bereich. Ist es nicht so, dass ihr etwas vorgebt zu sein, was ihr gar nicht seid? Den Anschein von etwas zu geben, das nicht stimmt? Das ganze gesellschaftliche Leben läuft so; es ist eine Fabrik der Unwahrheiten, und wir haben viele verschiedene Arten, Dinge zu sagen, die nicht wahr sind.

Wahrheit im Geschäftsleben

Es verfolgt uns auch in unser Geschäftsleben hinein; (es geht um) die Lüge, die uns zu einem guten Verkauf oder Einkauf verhilft. Und so wird Gott durch und durch diese Angelegenheit der Wahrheit weiter verfolgen. Vergebt mir, aber es ist eine sehr, sehr wichtige Sache bei Gott. Wenn Gott hasst, was unwahr ist, und wenn er nach Wahrheit im Innersten verlangt, wie kann er da segnen, wenn da irgend etwas Falsches, von irgend welcher Art, ist – seine Augen sehen es.

Und das ist eine Arbeit, die Zeit benötigt – in der Tat, es ist ein lebenslanges Werk. Diese Sache kommt immer mehr ans Licht, sie wird intensiver, je weiter wir voran gehen. Der Herr übersieht bei uns eine Menge Dinge, weil wir noch geistliche Säuglinge sind, genau wie wir es unseren Kindern gegenüber tun. Wir wissen, dass sie noch Kinder sind, und wir schenken gewissen Dingen nicht allzu große Beachtung, von denen wir wissen, dass sie nicht richtig sind. Und Gott ist sehr zart und sehr geduldig, um uns weiter zu bringen. Es wäre nicht gut, wenn er allzu früh mit der Fülle und Genauigkeit seiner Natur hereinplatzen würde – er verteilt es über die ganze Lebenszeit. Und je näher wir dem Herrn kommen, desto genauer nimmt es der Heilige Geist in dieser Angelegenheit der Wahrheit; und desto enger wird sein Handeln an uns. Es ist sehr wahr, seht ihr, «die Heiligkeit in der Furcht des Herrn vollenden» - vollenden. Je näher wir dem Ende kommen, desto strikter wird der Herr mit allem Falschen in unserem Leben verfahren. Es ist eine Zeit-Angelegenheit, doch ist Gott sehr treu – Er ist sehr treu; er lässt die Dinge nicht einfach passieren. Möchten wir, dass er treu ist? Nun, es ist nicht angenehm, das zu sagen, ja, aber es ist gut, dass er treu ist jeder Inkonsequenz, jedem Widerspruch, jeder Falschheit im Innersten gegenüber.

Das setzt die Sache tiefer an als nur bei unserem eigenen, natürlichen bzw. moralischen Leben. Ich rede jetzt nicht von Moral. Es ist richtig, ehrlich zu sein; es ist richtig, Integrität zu besitzen; es ist richtig, direkt zu sein; es ist auch richtig, wahrhaftig, natürlich und menschlich zu sein: aber es ist nicht das, worüber ich rede. Diese Sache geht tiefer als bis zu unserem natürlichen, moralischen Leben, auch in seiner besten Form, und zwar aus dem einfachen Grund, weil wir von Natur aus nicht Gottes Vorstellungen und Gottes Standards besitzen. Wie Gott über die Dinge denkt ist völlig verschieden von unserer Art. Wir würden oft erlauben, was Gott nie erlauben würde. Er vertritt einen völlig anderen Standpunkt den Dingen gegenüber. Wir urteilen auf eine Art über Dinge, Gott aber auf eine andere. Es ist nötig, dass wir zu Gottes Standpunkt gelangen. Oh, wir würden sagen, an dieser oder jener Sache ist doch nichts Schlimmes. Oh, daran ist doch nichts Falsch; seht euch doch diesen oder jenen an – und so nehmen wir vielleicht an andern Leuten Maß. Wir haben Leute gekannt, die das getan haben; sie haben auf irgend eine herausragende Figur im Werk Gottes gezeigt, in deren Leben eine bestimmte Sache vorhanden war – und dann wurde der Betreffende zum Vorbild genommen, er wurde kopiert, und so hat sich die Sache weiter verbreitet. Oh, da ist doch nichts Schlimmes dabei, seht doch den und den an! Und ich habe Leben und Dienste gekannt, die mit genau dieser Ausrede ruiniert wurden. Die Frage lautet: Was sagt der Herr dazu? Gott sagt: Wandle vor mir! Nicht vor irgend einem menschlichen Vorbild; nicht vor irgend einem menschlichen Standard; «Daran ist doch nichts Schlimmes; so und so tut es doch auch; es ist ganz allgemeine Praxis». Nein, nein! «Wandle vor mir», sagt der Herr. Wir müssen dies in unseren Geist, in den inneren Menschen, herein bekommen. Und das ist tiefer als unsere besten moralischen Standards. Sonst führt es zu nichts, dass es überhaupt in der Bibel steht, wenn unsere moralischen Standards sich bis zu Gottes Zufriedenheit aufschwingen können – warum müssen wir dann noch so behandelt und rekonstituiert werden? Es ist tiefer als unser Intellekt, unsere Vernunft. Ihr könnt aufgrund der Vernunft oder des Intellekts Gottes Standard nicht erreichen. Überhaupt nicht! Oh, glaubt doch nicht, ihr könntet je durch irgend eine Methode der Argumentation Gottes Standard erreichen. Das werdet ihr nie. Hier geschieht es nur durch Offenbarung des Geistes. Es macht keinen Sinn, wenn Jesus sagt: «Wenn er, der Geist der Wahrheit gekommen ist, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten», wenn wir durch unsere eigene Intelligenz dorthin gelangen könnten. Überhaupt nicht! Es muss durch die Offenbarung Christi in unsere Herzen gelangen, in unser Innerstes. Das ist eine geistliche Angelegenheit. «Gott ist Geist; die, welche ihn anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten» - Geist und Wahrheit gehören zusammen. Nur das, was geistlich, was von Gott ist, ist Wahrheit – nur das!

Der Apostel Paulus hatte einen großen Intellekt, wie jedermann weiß, und er hatte einen sehr hohen Standard bezüglich des moralischen Lebens, doch war er vor seiner Bekehrung ein äußerst verführter Mann. «Ich glaubte, ich müsste...». «Es war für mich eine Frage des Gewissens, vieles gegen ... zu tun». Er war gewissenhaft. Er konnte in Bezug auf die Gerechtigkeit nach dem Gesetz sagen – tadellos! Es gibt einen moralischen Standard; es gibt einen intellektuellen Standard; und es gibt auch einen Gewissens-Standard! Aber das alles kann falsch, fehlgeleitet sein. Nein, das ist nicht der richtige Weg. Es ist nur möglich durch das Werk des Heiligen Geistes in uns, indem er uns verändert, uns vollständig verändert. Es kann sein, dass allgemeine Ehrlichkeit, Ernsthaftigkeit ein Weg ist, auf dem der Herr kommen kann. Ich bin ganz sicher, dass, wenn wir nicht ehrlich und gerade heraus sind vor Gott, er uns nicht begegnen wird, doch das wird uns nicht dorthin bringen. Er mag den Durchgang fordern, durch den er zu uns gelangen kann, den Durchgang, der darin besteht, dass wir es wirklich ernst meinen mit ihm, und dass wir durch und durch ehrlich sind mit ihm. Doch lasst uns nie glauben, dass irgend eine Ernsthaftigkeit unsererseits uns zu Teilhabern der göttlichen Natur machen wird – ganz und gar nicht! «Du verlangst nach Wahrheit im Innersten», im tiefsten Bereich unseres Wesens, in unserem Geist.

Wenn wir in einer falschen Position sind, befinden wir uns in großer Schwachheit, und unser Fundament wird früher oder später einstürzen. Doch des Herrn Art ist es, uns davon zu befreien.


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