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«Gott hat Geredet»

von T. Austin-Sparks

Kapitel 2 - Der Allumfassende Gegenstand

Bisher waren wir vorwiegend negativ bei unserer Annäherung an den «Brief an die Hebräer», obwohl es uns dabei ernst war, und wir werden feststellen, während wir weiterfahren, dass es nötig ist, ständig den Ton dessen anzuschlagen, was Gottes Sinn hinsichtlich seines Volkes NICHT ist.

Bei der Beauftragung seines Knechtes Jeremia sagte der Herr, sein Dienst würde doppelt so sehr korrektiv und zerstörerisch als konstruktiv sein (Jer. 1,10). Das deutete an, wie viel zuerst aus dem Wege geschafft werden musste, bevor Gottes Ziel erreicht werden konnte. Es war wie bei Nehemia, als viel «Trümmer» dem späteren Aufbauwerk im Wege lagen. Doch das Beste für eine Korrektur ist noch immer das Positive, d.h., dass man den Vorsatz Gottes so umfassend wie möglich präsentiert.

Das, was also alles in diesem Brief beherrscht, wie übrigens überall im Neuen Testament, ist das Hingelangen zur


Fülle Christi

und die stärksten Warnungen - mit schrecklichen Beispielen - werden angebracht, wenn man in dieser Angelegenheit versagt. Die fatale Schwäche von so vielem im Werk der Gemeinde, sowohl im Blick auf die Evangelisation als auch auf Aktivitäten im Innern, ist das Unvermögen, einzusehen, dass Gott nie bloß damit zufrieden gestellt werden kann, wenn man einfach Bekehrte und Anhänger gewinnt; vielmehr betrachtet er es als ungemein wichtig, sie zum geistlichen Erwachsenenalter zu bringen. Darum besteht ja auch das bleibende Monument der göttlichen Offenbarung - das Neue Testament - zu 99 Prozent aus einem Buch für Christen und bezieht sich auf ihr Leben nach ihrer Bekehrung. Das ist, zuerst und vor allem, Gottes Art, zwei Dinge zu sagen:

1. dass das Ziel, ohne das zu erreichen seine ewigen Ratschlüsse zusammengebrochen wären, Christus IN FÜLLE ist, nicht nur in einzelnen Aspekten. 2. dass nur eine Gemeinde, die ein großes Maß von Christus hat, den Vorsatz des Evangeliums angemessen und effektiv erfüllen kann. Es gibt in dieser und rund um diese Welt weit mehr geistige Macht zu überwinden, als ein Neuling von Gemeinde oder von einem Gläubigen bewältigen könnte. Nur Christus in Fülle kann dies tun, und das Maß der Effektivität wird sich stets nach dem Maß von Christus richten, das vorhanden ist. Dass der «Brief an die Hebräer» sich so umfassend mit dieser Angelegenheit beschäftigt, kann man an der Tatsache sehen, dass er - im Prinzip - die ganze neutestamentliche Offenbarung und Bedeutung umfasst und umfängt, sowohl lehrmäßig als auch praktisch. Setzt euch damit hin und schaut, ob ihr darin nicht den Kern des Römer-, Korinther-, Galater-, Epheser, Philipper- Kolosser- und 1. Petrusbriefes finden könnt. Und legt er nicht auch die Grundlage für die Fragen an die Gemeinden in der «Offenbarung»?

Aber um unmittelbarer an den umfassenden Gegenstand heranzukommen, nehmt diesen Gedanken der Fülle auf und lest den Brief mit diesem als Leitfaden durch. Wenn ihr das dann getan und erkannt habt, dass es dies ist, das alles beherrscht, dann beginnt nochmals mit diesem zweiten Gedanken; in welcher Hinsicht wird Christus hier als Fülle offenbart, so dass wir ihn wahrnehmen und erreichen können? Schließlich wird noch eine dritte Frage auftauchen: Welche Korrekturen müssen vorgenommen werden, wenn wenn dieses Erreichen Wirklichkeit werden soll? Wir werden versuchen, diese Fragen der Reihe nach zu beantworten.


Fülle, der beherrschende Gegenstand

Gott glaubt weder an Leere noch an teilweise Besitznahme. Das wird klar durch die ganze Schrift hindurch gezeigt. Wenn er zu irgend einer Zeit auf eine bestimmte Weise redet, in einer bestimmten Richtung und mit einem besonderen Nachdruck, dann nur, um etwas zu einer Ganzheit aufzubauen und alles zur Vollendung zu bringen. Das ist der Punkt bei der ersten Feststellung in diesem Brief. Gott hat in vergangenen Zeiten teilweise und auf verschiedene Weisen geredet, doch alle Teile und Weisen wiesen auf ein Ganzes hin, und schließlich wurde dieses Ganze als in Christus gefunden - in seinem Sohn. Er ist nicht bloß eine andere Weise oder Form der Rede, er ist die Summe und Vollendung von allem. Er war in allen Teilen vorhanden, aber in keinem von ihnen vollständig. Alle Teile waren - im Prinzip - Aspekte oder Gesichtspunkte von ihm. Doch ist die Fülle nicht bloß die Kombination und Koordination der Teile als Typen und Sinnbilder, als Redensarten. Vielmehr ist sie die göttliche BEDEUTUNG von allem, was voraus gegangen ist. Die Fülle ist geistlich, himmlisch, ewig, nicht zeitlich, irdisch, vergänglich. Dies ist ein Punkt, der uns innehalten und alles noch einmal überdenken lässt. Die Fülle wird in der wesentlichen Natur des Gedankens Gottes gefunden, und nicht in ihrer symbolischen Darstellung. So ist die Sohnschaft, wenn richtig verstanden, die größte Offenbarung, die je von Gott den Menschen gegeben wurde, und der größte aller göttlichen Gedanken für den Menschen. So fassen Kapitel 1 und 1 alles in der Sohnschaft zusammen.

Zuerst wird der Sohn präsentiert.

Er wurde zum Erben aller Dinge erklärt.
Er war das Instrument bei der Entstehung der Zeitalter.
Er ist die Fülle der Offenbarung Gottes.
Er erhält alle Dinge in ihrem inneren Zusammenhang und in ihrem Wesen.
Er vollbrachte die Reinigung von Sünden.
Er sitzt zur Rechten Gottes.
Er ist erhaben über die Ordnungen der Engel.
Er hat einen unauslöschlichen Namen geerbt.

Es ist eine Präsentation Christi im Blick auf zwei Seiten seines Wesens, Sohnschaft in zweifacher Hinsicht - Sohn Gottes und Sohn des Menschen (Menschensohn). Nur im Brief von Paulus an die Kolosser (Kapitel 1) und im Evangelium Johannes (Kapitel 1) gibt es eine vergleichbare Präsentation der Fülle und überragenden Stellung Christi.

Der Punkt, dessen wir uns versichern sollten, dass wir ihn verstehen, ist der, dass es, obwohl die Fülle stets Gottes Gedanken und Absicht für seine Schöpfung war, keine MÖGLICHKEIT einer echten Fülle seit dem Fall gab, bis Christus, der Sohn, sich nach dem Kreislauf von Demütigung, Leiden, Tod und Auferstehung zur Rechten Gottes setzte. Gott beginnt mit der Fülle, er arbeitet nicht auf sie hin. Nur in der Erfahrung schreitet die Fülle voran, doch in Wirklichkeit, im Sinn Gottes, arbeitet sie sich RÜCKWÄRTS zur der ursprünglich festgesetzten Realisierung in Christus. Wenn der Sohn - der göttliche Standard für Fülle - vor uns hingestellt wurde, dann wird die Sohnschaft in Bezug auf ihn (nicht in seiner Gottheit, sondern als Sohn des Menschen) als die gläubige Familie betreffend herausgestellt. Alle familiären Titel werden verwendet: «Kinder», «Brüder», «Söhne», und das «Haus Gottes».

Das soll nicht eine detaillierte Auslegung des Briefes werden, vieles muss kommentarlos übergangen werden, obwohl es sehr wertvoll ist. Wir lassen uns von einem einzigen Gedanken beherrschen.

Nachdem der Sohn und die Söhne präsentiert worden sind, und mit ihnen Gottes Gedanken und Absicht der Fülle als das, was das schöpferische Werk beherrscht, besonders in Bezug auf den «Menschen» und den «Sohn des Menschen» (2,6), dann wird der große und bedeutsame Satz verwendet: «Gefährten der himmlischen Berufung». Durch diesen Satz werden wir in den ganzen Gegenstand dieses Briefes, in sein Sachthema und in die Krise, die er repräsentiert, hineingestürzt.

1. «Die himmlische Berufung». Was ist das?
Die Herrschaft über die «kommende bewohnte Erde» (wovon wir reden)» (2,5).

a. Der Mensch war in erster Linie dafür gedacht, aber er versagte und verfehlte es.

b. Israel war der Typus eines erwählten Volkes, das dies als seine Bestimmung hatte. Aber SIE VERFEHLTEN SIE (Kapitel 3, etc.).

c. Die Herrschaft wurden vollständig im «Sohn des Menschen» sicher gestellt, welcher «der Sohn Gottes ist». «Dein Thron, O Gott» (1,8) - und er jetzt «gekrönt ist mit Herrlichkeit und Ehre». Und dieses «Erbe» ist für die Gemeinde.

2. Doch da gibt es zwei Faktoren von wesentlicher Bedeutung.

a. Diese «himmlische Berufung» ist wesensmäßig himmlisch und geistlich. Es hat keine Beziehung zu dieser gegenwärtigen Erde, es sei denn als geistliches Zeugnis.

b. Ihre volle Realisierung und Vollendung «kommt erst», sie liegt in der Zukunft, nach diesem Zeitalter.

Wir wollen uns diese beiden Dinge etwas näher ansehen. Welche Blickrichtung hat dieser Brief? Der Blick richtet sich völlig nach oben! Achtet auf die «himmlischen» Belegstellen.

«Himmlische Berufung», (3,1); «himmlische Gabe» (6,4); «himmlische Heimat» (11,16); «himmlisches Jerusalem» (12,22); «himmlische Dinge» (8,5; 9,23); «den Himmel durchschritten» (4,14); «höher als die Himmel», «Hoher Priester» (7,26); «Thron der Majestät in dem Himmeln» (8,1); «in den Himmel selbst eingegangen» (9,24); «im Himmel ein besseres...» (10,34); «im Himmel aufgeschrieben» (12,23); «dem, der vom Himmel her redet» (12,25); «den Himmel erschüttern» (12,26).

So wird der Herr und alles, was ihn betrifft, als von unten her betrachtet. Das Gegenstück des ganzen Alten Testamentes scheint im Himmel zu sein, und es war bloß eine zeitliche Repräsentation einer himmlischen und geistlichen Realität. Christus ist im Himmel, und alle unsere religiösen Bande mit Gott existieren durch Christus, der dort ist. Jedes Band mit dieser Erde ist zerbrochen, selbst solange wir auf Erden wandeln. Christus im Himmel nimmt den Platz von allen irdischen Schattenbildern und Repräsentationen im Ritus ein. Es ist wichtig, zu erkennen, dass dieser Brief in erster Linie an ein Volk adressiert war, das während Jahrhunderten die Position eines Volkes innehatte, das Gott aus der Wert für sich selbst heraus genommen hat; und er erklärt dessen eigene Natur und Geschichte im Licht des Christentums und zeigt auf, dass selbst ein solches Volk seine Absonderung zu etwas Irdischem und Erdgebundenem machen kann. Alles hier und jetzt ist seinem Wesen nach Geist, doch wird gezeigt, dass es eine falsche Spiritualität, eine Pseudospiritualität gibt. Die Juden hatten geglaubt, wie auch zahllose Scharen von wohlmeinenden Christen glauben, dass das Befolgen von gewissen Riten, das Einhalten von gewissen Formen, das Ausüben von bestimmten Ritualen, das Tragen bestimmter Gewänder, das Benutzen bestimmter Instrumente, einer bestimmten Sprache, bestimmter Klänge - und in der Tat das Anerkennen von mehr oder weniger sinnlichen Begleiterscheinungen - wenn eingebettet in eine Atmosphäre von Ehrfurcht und Feierlichkeit, sei geistlich. Dieser Brief, in dem wir entschieden Überlegungen anstellen werden, schneidet scharf zwischen Seele (von welcher das oben Genannten ein Ausdruck ist) und Geist (4,12). Im Grunde genommen besteht sein Korrektiv darin, dass wenn ihr echtes, geistliches Wesen habt, ihr nichts vom oben Genannten benötigt; und tatsächlich ist dies das Zeitalter, in welchem das alles dem, was einzig und allein geistlich ist, Platz machen musste. Doch könnt ihr all das haben und doch keine wirklich geistlichen Leute sein. Je geistlicher ihr wirklich seid, desto weniger werdet ihr von diesen Dingen beeindruckt oder von ihnen eingenommen sein. Sie werden euch wie kindische Spielereien vorkommen. Dies kann durch die Tatsache bewiesen werden, dass in den Bereichen, wo das Ritual am meisten gilt, der Graben zwischen der persönlichen Erkenntnis des Herrn und dem Ritual ebenfalls am größten ist. Während sich ein tiefes, reiches Leben in Gott meistens dort befindet, wo es wenige oder gar keine äußeren Formen im Sinne eines religiösen Systems gibt.

Bevor wir nun dieses Kapitel schließen, sei noch angemerkt, dass gerade in diesem Bereich und in diesem Zusammenhang der Appell, die Warnung, die Ermahnung und das Argument dieses Briefes liegt. Er richtet sich nicht gegen die korinthische Sinnlichkeit oder Weltlichkeit oder Zerrissenheit; nicht gegen die Sünden der Christen; sondern gegen die Unreife, gegen das Kindische (Kapitel 5,12 und Kapitel 6,12) derer, die, obwohl sie «einmal erleuchtet» waren, sich in Gefahr begaben, dass ihr geistliches Leben dadurch eingeschränkt und behindert wird, indem sie sich mehr und mehr einem traditionellen und fixierten irdischen religiösen System anglichen, das, obwohl es einst von Gott eingesetzt wurde, um in den niedereren Klassen der Schule der Zeitalter einen Dienst zu verrichten, in diesem Zeitalter jedoch aufgegeben wurde, während alle, die diesem Heilszeitalter angehören, ihr geistliches Leben und ihre Erziehung auf einem ganz anderen Level beginnen, und mit einer völlig übergeordneten Ausrüstung.

Diese Ausrüstung ist zwiefach, und sie eröffnet alles überragende Möglichkeiten und Verantwortlichkeiten: Christus in voller Offenbarung; nicht in Typen und Symbolen, sondern in lebendiger Realität, in dem er in Tat und Wahrheit selber der Priester, das Opfer, der Altar, der Gnadenthron, die Stiftshütte, das Allerheiligste etc., etc. ist; und dann der Heilige Geist, der verliehen wurde, um Christus, in all dem, was er ist, eine lebendige INNERE Realität werden zu lassen, so dass wir in all dem leben durch die Kraft und Innewohnung des Heiligen Geistes. Doch Christus ist umfassender und voller als es je von einem Menschen erfasst wurde, und die wachsende Offenbarung und Wahrnehmung von Ihm durch die Energie des Heiligen Geistes hält das Leben des Gläubigen in einem sich stets fortbewegenden und wachsenden Zustand, so dass das Christentum nie ein statisches System sein kann, sondern ein sich stets ausdehnendes Leben. Daher der ständig wiederkehrende Aufruf: «Lasst uns fortfahren», «Lasst uns...», «Lasst uns...».

In Übereinstimmung mit dem Wunsch von T. Austin-Sparks, dass das, was er frei erhalten hat, weitergegeben und nicht gewinnbringend verkauft werden sollte und dass seine Botschaften Wort für Wort reproduziert werden, bitten wir Sie, diese Botschaften mit anderen zu teilen und frei anzubieten, um seine Wünsche zu respektieren - frei von jeglichen Änderungen, kostenlos (außer notwendigen Vertriebskosten) und mit dieser Erklärung inklusive.