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Prophetischer Dienst

von T. Austin-Sparks

Kapitel 5 - Warum die Botschaft Eines Propheten Nicht Ankommt

Schriftlesung: Apg. 13,27.15; 2. Kor. 3,14-18; Jesaja 53,1

Die Propheten wurden, wie Paulus hier aufzeigt, an jedem Sabbat gelesen. Es war eine feste Gewohnheit, an jedem Sabbat das Gesetz und die Propheten vorzulesen, und man kann darauf verweisen, dass dies nicht nur zu einem bestimmten Zeitpunkt am Tag geschah, sondern den ganzen Sabbat-Tag hindurch wurden in den Synagogen das Gesetz und die Propheten gelesen. Und doch heißt es hier, dass, obwohl sowohl die Obersten selbst als auch die Bewohner von Jerusalem, die den Tempel aufsuchten, das Lesen der Propheten so fortgesetzt hörten, sie nie die Stimmen der Propheten vernahmen. Und weil es ihnen nicht gelang, dieses innere Etwas zu hören, das mehr war als bloß das hörbare Lesen dessen, was die Propheten gesagt hatten, verloren sie alles, was ihnen zugedacht war, wie dieses 13. Kapitel der Apostelgeschichte zeigt. Die Apostel verließen sie und wandten sich an die Heiden, die ein Ohr hatten, das bereit war, zu hören.

Das ist eine Angelegenheit von nicht geringer Konsequenz und Ernsthaftigkeit. Es ist offensichtlich, dass es unsere Pflicht ist, die Stimmen zu hören versuchen, wirklich zu wissen, was die Propheten zu sagen haben. Lasst uns nochmals die Aussage betrachten: «...weil sie ihn nicht kannten, noch die Stimmen der Propheten». Warum kannten sie ihn nicht? Warum hörten sie nicht? Es gibt eine grundlegende Antwort auf diese Frage, die uns jetzt ein wenig beschäftigen wird, und die uns zu den Fundamenten, zu den eigentlichen Wurzeln der Dinge bringt.


Das Ärgernis des Kreuzes

a. Ein leidender Messias

Die Antwort auf diese Frage lautet: Weil sie nicht bereit waren, das Kreuz zu akzeptieren. Das ist es, was an die Wurzeln dieser ganzen Angelegenheit reicht. Zuerst waren sie nicht bereit, einen leidenden Messias zu akzeptieren. Sie hatten sich beides so recht ausgemalt, sowohl was für eine Art von Messias ihr Messias sein würde, als auch, was er tun würde, und welches die Ergebnisse seiner Ankunft sein müssten; und alles was dieser fixen Mentalität entgegenstand, wurde nicht nur nicht akzeptiert – es war ein Ärgernis. Sie konnten im Bereich ihrer Betrachtungen nicht zulassen, dass ihr kommender Messias ein leidender Messias sein würde. Und doch sprachen die Propheten stets von einem leidenden Messias. Jesaja präsentiert, an dem Punkt seiner Prophetien, die wir als 53. Kapitel kennen, den Klassiker über den leidenden Messias, und doch beginnt er mit der Feststellung: «Wer hat unserer Botschaft geglaubt?»

Ich denke, wir müssen uns nicht dabei aufhalten, um nach weiteren Beweisen zu suchen, dass dies ihre Einstellung war. Durch alles hindurch war es genau das. Paulus behandelte in seinem Brief an die Galater dieselbe Sache. Gegen Ende des Briefes sprach er vom Ärgernis des Kreuzes, und er stellte dies den Judaisierern gegenüber, die sich überall an seine Schritte hängten und versuchten, Vorurteile gegen seinen Dienst zu schüren, und durch deren Hände er zu leiden hatte. Er «trug an seinem Körper die Malzeichen des Herrn Jesus» (Gal. 6,17). Warum? Wegen seiner Botschaft vom Kreuz. Er sagte: «Wenn ich bereit wäre, das fallen zu lassen, könnte ich all diesem Leiden entgehen; es ist das Ärgernis des Kreuzes, das die Ursache für all diese Schwierigkeiten ist» (Gal. 5,11). Und durch alles hindurch sehen wir, wie die Juden nicht bereit waren, einen leidenden Messias zu akzeptieren.

b. Der Weg der Selbstentäußerung (w. Selbstentleerung)

Doch es ging weiter als nur bis dahin. Es wurde nicht nur zu einer nationalen Frage, sondern auch zu einer persönlichen. Die wollten das Prinzip des Kreuzes auch nicht für sich selbst akzeptieren. Ihr stellt fest, dass einzelne Repräsentanten der Nation, die von Zeit zu Zeit zu Jesus kamen, mit dem Ärgernis des Kreuzes konfrontiert wurden – und wieder wandten sie sich ab, nicht bereit, es zu akzeptieren. Nikodemus war sehr an dem Reich interessiert, das der Messias errichten würde, er erwartete es und sehnte sich danach, aber das Kreuz wurde für ihn zu einer persönlichen Sache. Bevor der Herr noch mit Nikodemus am Ende war, hatte er die Schlange, die in der Wüste erhöhte worden war, ins Blickfeld gerückt. Das war ein Ärgernis.

Ein anderer Mann, den wir als den «reichen Jüngling» kennen, ging traurig weg, weil das Kreuz ihm zum Ärgernis wurde. Es war zu diesem Zeitpunkt für den Herrn noch nicht sinnvoll, in präzisen Begriffen über das Kreuz zu reden, bevor das Kreuz tatsächlich stattgefunden hatte, ausgenommen zu seinen Jüngern, aber er wandte bereits das Prinzip an, was natürlich auf dasselbe hinausläuft. Hier wandte er das Prinzip auf diesen jungen Mann an. «Wenn du, wie du sagst, am Reich Gottes und am ewigen Leben interessiert bist, dann ist dies der Weg: der Weg des Entleerens - äußerster Selbstentleerung». «Er ging betrübt hinweg, denn er hatte viele Güter» (Mt. 19,22). Der Herr sagte: «Wie schwer werden die Reichen ins Reich Gottes hineinkommen!» (Lk. 18,24). Das Ärgernis des Kreuzes stellt uns bloß.

Nun, was die Juden hier als Ganzes betrifft, so hatten sie aus dem Königreich Gottes etwas Irdisches gemacht nach den Prinzipien dieser Welt - und wir dürfen sie deswegen nicht tadeln, ohne dass wir uns selbst auch in diesen Tadel einschließen. Das ist unser Kampf bis heute. Es ist etwas, das uns in unserem Herzen bloßstellt. Oh, ihr braucht gar nicht zu erwarten, dass dadurch, dass ihr Christus predigt, ein zeitliches Königreich aufgerichtet werden wird, und dass ihr eine Krone tragen und auf einem Thron sitzen werdet - das mag überhaupt nicht euer Horizont und eure Einstellung sein. Aber befinden wir uns nicht fast jeden Tag unseres Lebens in Schwierigkeiten, weil der Herr vor uns alles verbirgt, was er tun wird, und den Ehrgeiz unserer Seele, die Dinge zu sehen und sie zu besitzen, verkümmern lässt? Ist dies nicht die Basis für eine ganze Anzahl unserer Probleme? Wir möchten sehen, wir möchten haben, wir möchten die Unterlagen und die Beweise. Tatsächlich möchten wir doch ein Königreich, das durch unseren Seh- und Gehörsinn und durch unser Gefühl wahrgenommen und geschätzt werden kann - ein berührbares Königreich, eine Antwort auf alle unsere Anstrengungen und Bemühungen in berührbarer Form; und sein Gegenteil ist eine ungeheure Anspannung unseres Glaubens, und manchmal stürzt es uns in eine ernsthafte Krise.

Warum tut der Herr nicht dies und jenes, von dem wir glauben, dass er es tun müsse? Der Grund dafür ist ganz einfach das Begehren unserer Seele nach Beweisen und Demonstrationen. Darum ist es auch so, dass, wenn irgend ein christliches Werk aufgebaut wird, das offensichtlich, groß, beeindruckend ist, wo etwas Großes organisiert und eine große Bewegung auf die Beine gestellt wird und sich alles in dem Bereich bewegt, wo man die Dinge sehen kann, da Scharen von Christen sich zusammenfinden; oder, wo es Manifestationen gibt, Dinge, die klare Beweise zu sein scheinen, da finden sich Scharen von Leuten ein. Der Feind kann eine Menge von Leuten verführen, indem er die Werke des Heiligen Geistes im Bereich von Demonstrationen und Beweisen imitiert. Wir sind so beeindruckbar, wir müssen besitzen; und das ist genau dasselbe Prinzip, das die Obersten beherrschte. Sie waren nicht dafür bereit, dass das Kreuz auf diese Weise angewandt wird - im Sinne einer äußersten Selbstentleerung, indem wir an ein Ende von allem außer dem Herrn selbst gebracht werden.

Das Thema der Propheten - den Herrn Kennen

Nun seht ihr, dies bringt uns zu der Angelegenheit der Stimmen der Propheten. Was war die eine Sache, über die die Propheten ständig sprachen? Es ging um die Kenntnis des Herrn. Das, was in den Tagen der Propheten im Volk Gottes am meisten fehlte, war die Kenntnis des Herrn. Es gab zwar eine Menge von Leuten, die bereit waren, den Herrn für alles in Anspruch zu nehmen, was er für sie tun konnte, aber den Herrn selbst kennen zu lernen... ah, das war etwas ganz anderes. Was verfolgt der Herr bei euch und bei mir? Möchte er vor allem, dass wir bestimmte Dinge (für ihn) tun? Die Vorstellung dessen, was heute von Gott ist, wird hauptsächlich mit Dingen in Verbindung gebracht, die für ihn getan werden, mit der Arbeit, in der wir engagiert sind, usw. - d.h. also mit all dem, was objektiv und äußerlich ist. Doch dem Herrn geht es nicht in erster Linie darum, wie viel wir tun. Er ist viel mehr daran interessiert, ganz gleich, ob wir viel oder wenig tun, dass alles aus einer Kenntnis seiner selbst hervorgeht. Jede Menge kann man in einer christlichen Arbeit und in christlichen Aktivitäten für den Herrn tun, so, wie man andere Arbeiten verrichtet, aber es geht nicht unbedingt aus eurer tiefen Kenntnis des Herrn hervor. Dem Herrn geht es vor allem andern darum, dass wir ihn kennen. «Der Weise rühme sich nicht seiner Weisheit, und der Starke rühme sich nicht seiner Stärke, der Reiche rühme sich nicht seines Reichtums; sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er Einsicht hat und mich erkennt, dass ich der Herr bin ... Denn daran habe ich Wohlgefallen» (Jeremia 9,22.23).

Kann das nicht gerade das Prinzip des Kreuzes erklären, das bei uns angewandt wird? Der Herr befriedigt uns nicht einfach und deckt unsere Bedürfnisse; in mancherlei Hinsicht schein er wieder und wieder «Nein» zu einer Menge von Dingen zu sagen, die wir begehren; und wenn sie uns dann versagt werden, kommen wir an den Punkt, da wir bereit sind, fast alles aufzugeben und die größten Fragen bezüglich unserer Beziehung zum Herrn zuzulassen. Und doch ist das, was er die ganze Zeit durch sein Verneinen, Zurückhalten und seine Aufschübe anstrebt, dies, unsere Kenntnis von ihm selbst zu vertiefen. Worum es dem Herrn vor allen Dingen geht, ist nicht dies, dass wir an irgend einem Ort eine Menge christlicher Arbeit für ihn verrichten (doch lasst euch dadurch nicht daran hindern, dem Herrn zu dienen!), sondern dass wir als solche dort sind, die den Herrn kennen. Unsere Gelegenheiten, ihm zu dienen, werden sich aus unserer Kenntnis seiner selbst ergeben; dafür wird er sorgen. Der Herr, der Geist, arrangiert sein eigenes Werk. Er weiß, wo bestimmte Bedürfnisse existieren, und wenn er jemanden sieht, der dieses Bedürfnis befriedigen kann, wird er den Kontakt herstellen.

Die Kenntnis des Herrn ist die Grundlage
für alle Brauchbarkeit

Das ist das Prinzip im Neuen Testament. Wir sehen es im Leben unseres Herrn Jesus selbst. Jene Begegnung zwischen Jesus und der Frau von Samaria war nicht bloß ein zufälliges Zusammentreffen, eine nette Geschichte. Nein, da gibt es Prinzipien. Der Heilige Geist schrieb jene Erzählungen, und bei jedem Ereignis waren Prinzipien enthalten. Hier steht einer, der Wasser zu vergeben hat, von dem die Welt nichts weiß, und da ist auch eine durstige Frau. Gott sorgt dafür, dass derjenige, der ein Bedürfnis hat, in Berührung mit dem kommt, der es befriedigen kann. Das ist ein Gesetz. Wenn ihr noch nicht mit dem Nötigen versorgt worden seid, dann ist es weitgehend ein leeres Werk, das für den Herrn getan wird.

Das Prinzip des Kreuzes wirkt sich in vielen Richtungen und auf viele verschiedene Arten aus - indem es uns prüft, testet, entleert - um uns an den Punkt zu bringen, wo wir den Herrn kennen, und wo unsere Freude des Herrn, unser Enthusiasmus und unser christliches Leben das Ergebnis von etwas Tieferem ist als vom bloßen Anstoß dadurch, dass wir viele Dinge tun, von Versammlung zu Versammlung laufen, Botschaften halten, beschäftigt sind auf dem Scheitel einer Welle von Engagements in christlicher Arbeit. Der Herr möchte nicht, dass es so ist. Damit sage ich wiederum nicht, dass ihr euch nicht mal auf dem Scheitel einer Welle befinden könnt, dass ihr nie alle Hände voll zu tun haben könnt; doch die Art, wie der Herr aus uns brauchbare Diener macht, ist die, dass er so mit uns verfährt, damit wir ihn kennen lernen, so dass wir, ob wir äußerlich mit einer christlichen Arbeit beschäftigt sind oder nicht, uns mit einer Kenntnis des Herrn dort aufhalten. Was wir so dringend brauchen, ist ein zunehmendes Maß von der Kostbarkeit des Herrn für unsere Herzen; damit er, ob wir imstande sind, irgend etwas für ihn zu tun oder nicht, für uns dennoch sehr kostbar bleibt. Das ist es, was er möchte.

Das ist sehr einfach, aber es liegt allem zugrunde. Ihr befindet euch da an einem Ort, wo ihr nicht ständig über den Herrn reden könnt, wo ihr sehr wenig tun könnt; doch wenn der Herr für euch kostbar ist, dann ist das ein Dienst für ihn, und dann hat er in euch ein Gefäß zur Verfügung für alles weitere, was er noch tun möchte. Ich bin sicher, dass der Herr uns nie hinausschickt und uns mit Verantwortung betraut, solange er an dem Ort, wo wir uns befinden, uns sehr kostbar geworden ist, selbst wenn uns vieles, was wir auch noch möchten, versagt bleibt und uns vorenthalten wird. Es ist das Prinzip des Kreuzes.

Nikodemus kommt mit seiner ganzen «Fülle». Er ist ein Mann von großer Fülle - ein Oberster der Juden, von hohem Stand, an einem einflussreichen Platz, und vieles mehr. Er repräsentiert eine Fülle von religiöser Natur. Dann sagt der Herr im Grunde zu ihm: «Du musst das alles fahren lassen und wie ein neugeborenes Kind noch einmal von vorne beginnen. Du beschäftigst dich mit dem Königreich des Himmels, aber du kannst nichts von all dem in das Königreich bringen». Zu dem reichen Jüngling sagt er im Grunde: «Du kannst deine Reichtümer nicht hier herein bringen». Du magst eine Menge natürlichen Wohlstandes besitzen - intellektuell, finanziell, einflussmäßig, stellungsmäßig, doch das gibt dir im Königreich des Himmels noch keinerlei Stand. Der Reichste, Vollste, Größte hier in dieser Welt bekommt vom Herrn keinen größeren Schimmer in ihrer Richtung zu sehen als der Ärmste und Schwächste. Alle werden zu diesem einen Punkt heruntergebracht - ihr müsst von neuem geboren werden, ihr müsst in dieser Sache des Königreichs der Himmel noch einmal bei Null beginnen. Das Reich Gottes ist nicht eine Frage von Essen und Trinken, es ist eine Frage des geistlichen Maßes; und ihr beginnt mit dem geistlichen Maß, wenn ihr aus dem Geist geboren werdet. Das neue Leben ist äußerst geistlich von seinem ersten Atemzug an - etwas, das es zuvor nicht gegeben hat, etwas völlig Neues.

Geistliches Maß ist bloß dies: Den Herrn zu kennen; das ist alles. Unser Stand im Königreich des Himmels ist bloß eine Sache der Kenntnis des Herrn, und wenn wir dort einen höheren Platz gewinnen wollen, dann geschieht das nicht aufgrund von irgendwelchen Vorzügen, sondern durch die Zunahme unseres geistlichen Maßes. Leute die im Himmel zählen, sind geistliche Menschen, und was zählt, ist der Grad ihrer Geistlichkeit; und Geistlichkeit ist nichts anderes als dies, dass wir den Herrn kennen. Wir können dies für sicher nehmen, dass der Herr sich aufs Äußerste darauf konzentriert, uns dazu zu bringen, dass wir ihn kennen. Das ist es, was wirklich zählt.


Das Kreuz ist für alle Erkenntnis
des Herrn grundlegend

Sie konnten die Stimmen der Propheten nicht hören, weil die Propheten von einem leidenden Messias sprachen, und es war etwas im Innern des Volkes, das die Tür zugemacht hatte; sie waren allem abgeneigt, was in diese Richtung wies, und so konnten sie nicht hören. Selbst die Jünger des Herrn Jesus befanden sich in dieser Position. Als er anfing, von seinem Kreuz zu sprechen, sagten sie: «Herr, schone dich selbst! Das widerfahre dir nur nicht!» (Mt. 16,22). Ein leidender Messias? Oh nein! Doch sie kamen an den Punkt, wo das Kreuz seine tiefe Anwendung hatte, wo es für sie das Ende von allem bedeutete. Der Herr trieb diese ganze Frage voran, und ihr seht sie nach seiner Kreuzigung - sie hatten ihr messianisches Königreich verloren, sie hatten alles verloren, sie waren entblößt und leer. Und was geschah dann? Sie fingen an, zu erkennen, sie fingen einfach an zu erkennen, und ihre Kenntnis wuchs und wuchs; doch war sie von einer vollständig anderen Ordnung. So stellt ihr im Rest des Neuen Testamentes fest, dass in ihrer eigenen Geschichte und in ihrer Unterweisung anderer zwei Dinge zusammenliefen. Sie sind wie der negative und positive Pol im elektrischen Stromkreislauf - es gibt keinen Strom ohne die beiden. Der negative Pol ist die Anwendung des Prinzips des Kreuzes, das Nein, Nein, Nein sagt: ein Ende: Tod uns selbst, Tod der Welt, Tod unserem ganzen natürlichen Leben gegenüber. Doch der positive Pol ist der Heilige Geist, der Geist Gottes, mächtig präsent, doch immer Hand in Hand mit dem Kreuz. Mit diesen beiden, die immer zusammen funktionieren, das Negative und das Positive - das Kreuz, und himmlischer Vorsatz und himmlische Kraft und Effektivität - stellt ihr fest, dass da eine Bewegung stattfindet und eine fortwährend wachsende Kenntnis des Herrn.

Wir können die Kenntnis des Herrn - die wichtigste Angelegenheit im Sinn des Herrn für uns - nur auf dem Grund einer ständigen Anwendung des Kreuzes haben, und das wird bis ans Ende zu bleiben. Bildet euch nicht ein, es werde ein Tag kommen, an dem ihr das Kreuz hinter euch habt, an dem das Prinzip des Kreuzes nicht mehr nötig sei und an dem ihr aus der Schule entlassen werdet, wo das Kreuz das Werkzeug des Herrn ist. Ein solcher Tag wird niemals kommen! Mehr und mehr werdet ihr merken, wie notwendig das Kreuz ist! Wenn ihr zu einer größeren Fülle der Erkenntnis weiterschreitet - ich meine damit die geistliche Erkenntnis des Herrn - und darum auch zu einer größeren Fülle der Brauchbarkeit für ihn, dann müsst ihr das als feste Tatsache annehmen, dass das Prinzip des Kreuzes immer tiefer angewandt wird, je weiter ihr vorankommt.

Oh, möge Gott das in eure Herzen schreiben! Denn ganz gewiss wissen wir alle um die Notwendigkeit des Kreuzes; und diejenigen, die am meisten davon wissen, sind sich auch am meisten bewusst, wie nötig es noch immer ist. Wir haben die furchtbare Tragödie von Leuten gesehen, die die Botschaft vom Kreuz in Fülle kannten, und die selbst nach vielen Jahren noch ein krasser Widerspruch zu eben dieser Botschaft waren - gekennzeichnet von Selbstsicherheit, Selbstbewusstsein, Ungeduld, Reizbarkeit, so dass es andern Menschen nicht möglich war, mit ihnen zusammen zu leben. Seid ihr einer von jenen gewohnheitsmäßig reizbaren Leuten? Ich meine nicht einer von den Menschen, die gelegentlich von diesem Fehler übermannt werden. Der Herr ist geduldig mit den Ärger, der hie und da manchmal hochkommt; aber sind wir aus Gewohnheit reizbar, aufbrausend, schwierig zusammen zu leben? Das ist eine Verleugnung des Kreuzes, und das hat das Leben und das Werk schon so manchen Missionars zugrunde gerichtet.

Das Kreuz wird bis ans Ende angewandt, und, völlig abgesehen von unseren Fehlern und den Dingen in unserer Konstitution und Natur, die ohnehin behandelt werden müssen, wir werden, in dem Prozess, durch den wir Herrn zu immer größerer Brauchbarkeit kennen lernen, von Tod zu Tod geführt auf dieser Seite der Dinge. Wir denken an einige, die wir kennen. Wir staunen über die Weise, wie der Herr sie gebrauchen konnte, über den großen Platz, an den er sie gestellt hat, über die Reichtümer, die er ihnen gegeben hat. Und doch wurden sie erst kürzlich in Tiefen des Todes getaucht, die sie noch nie zuvor kannten. Offensichtlich geschieht dies, damit sie noch zu etwas Weiterem, zu etwas Größerem gelangen. So ist es eben; die Kenntnis des Herrn erfordert dies auf immer zunehmende Weise.

Erkenntnis und Brauchbarkeit -
durch das Kreuz sicher gestellt



Weiter noch: Es gibt keinen sicheren Ort abgesehen abgesehen von der ständigen Anwendung des Prinzips des Kreuzes. Die Sicherheit verlangt dies absolut. Nichts ist in unseren Händen sicher. Je mehr der Herr segnet, desto mehr Gefahren lauern. Die größte Gefahr taucht dann auf, wenn der Herr anfängt, uns zu brauchen. Vielleicht sagt ihr: «Das spricht aber nicht sehr für unsere Heiligung». Gewiss spricht es nicht sehr viel für unsere «Ausrottung». Nun, hier ist Paulus. Wusste dieser Mann irgend etwas über das Kreuz? Würde er sagen, er sei ein gekreuzigter Mann? Wenn er es nicht war, wer ist dann sonst? Kannte er den Herrn? Und mit all dem, was er über das Kreuz und den Herrn wusste, wusste er auch, dass er es bis zum Ende nötig hatte, dass das Kreuz angewandt wurde? Dann musste er das ganz bestimmt irgend wo aufgeschrieben haben - «...Und damit ich mich nicht wegen der außerordentlichen Offenbarungen nicht überhebe, wurde mir ein Pfahl fürs Fleisch gegeben, ein Engel Satans, dass er mich mit Fäusten schlage, damit ich mich nicht überhebe» (2. Kor. 12,7). Und merkt euch: Er sagt dies, wegen der großen Offenbarung, die ihm geschenkt worden war. Er wurde in den Himmel hinaufgehoben. Es ist eine äußerst gefährliche Sache, mit göttlichen Reichtümern betraut zu werden, soweit es unser Fleisch betrifft. Der einzig sichere Ort ist der, wo das Kreuz noch immer am Werke ist, wo es alles berührt, was von uns selbst stammt, unsere ganze Unabhängigkeit im Handeln.

Nehmt alle diese Apostel - nehmt euch Petrus vor, ein Mann, der so unabhängig handelte, der die Dinge auf seine Weise zu tun pflegte und der tat, was er wollte. Wir stellen fest, dass es immer wieder auftaucht. Er ist der Mann, der handelt, ohne mal anzuhalten und jemanden zu fragen. Wir haben keinen Hinweis darauf, dass er je einmal die Gemeinschaft seiner Apostelbrüder aufgesucht und gesagt hätte: «Ich denke daran, dies oder jenes zu tun, ich möchte gerne, dass ihr mit mir darüber betet und mir sagt, was ihr davon haltet; ich beabsichtige nicht, voranzugehen, solange wir unter uns nicht eines Sinnes sind». Petrus tat nie etwas dergleichen. Er hatte eine Idee, und schon schoss er los. Der Herr fasste ihn sehr gut zusammen, als er sagte: «Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und gingst, wohin du wolltest; doch wenn du älter wirst, wirst du deine Hand ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht wolltest» (Joh. 21,18). Das war Petrus, bevor das Kreuz in ihn hineingewirkt wurde. Doch seht, wie er später war. Warum lesen wir in den ersten Kapiteln der Apostelgeschichte ständig: «Petrus und Johannes»; «Petrus und Johannes», «Petrus und Johannes»? Nun, jetzt bewegen sie sich gemeinsam, es besteht eine gegenseitige Beziehung. Ist es ein Zugeständnis, dass Petrus jetzt Kooperation und Gemeinschaft braucht, dass er eingesehen hat, in welche Gefahren und Desaster ihn das unabhängige Handeln getrieben hat, auch wenn seine Absichten und Motive die besten sein mochten? Dies sind nur kurze Einblicke, wie das Kreuz uns in unserer impulsiven, unabhängigen Natur, unserem Eigenwillen, unserer eigenen Kraft trifft. Das Kreuz muss mit all dem verfahren, um die Dinge für Gott sicher zu stellen, und uns dabei zu halten, auf dem Weg einer zunehmenden Kenntnis des Herrn fortzuschreiten, die, wie wir gesagt haben, die all unserem Wert, unserer Brauchbarkeit, unserem Dienst für Gott zugrunde liegt.

Das Kreuz öffnet den Weg
zu einer vollen Erkenntnis des Herrn

Das Kreuz ist der einzige Weg zu geistlicher Erkenntnis. So wichtig das Studium des Wortes Gottes in seinem eigenen Bereich sein mag, indem es für den Heiligen Geist ein Fundament legt, auf dem er wirken kann, so gelangt ihr nie bloß durch das Studium der Bibel zu einer Kenntnis des Herrn. Der Heilige Geist mag das, was ihr von der Bibel kennt, stark dazu brauchen, euch zu belehren, eure Erfahrungen zu erklären, euch fähig zu machen, zu verstehen, was der Herr tut, doch ihr erlangt diese Art von geistlicher Erkenntnis niemals durch Bibelstudium und Belehrung.

Ihr müsst bereit sein, das Kreuz so auf euer Leben anwenden zu lassen, dass ihr zerbrochen und entleert werdet und zu Pulver zermahlen - so dass ihr an den Punkt gebracht werdet, wo ihr, wenn der Herr nicht etwas tut, erledigt seid. Wenn ihr für diesen Weg bereit seid, werdet ihr dazu gelangen, den Herrn zu kennen. Das ist der einzige Weg. Es kann nicht durch Botschaften und Vorlesungen geschehen. Sie haben ihr Wert, aber ihr lernt den Herrn geistlich nicht auf diese Weise kennen.

Die volle Erkenntnis des Herrn ist für uns reserviert worden, die wir in diesem Heilszeitalter leben, weil dieses vom Kreuz beherrscht wird. Petrus selbst hatte dazu etwas zu sagen:

«Wegen dieser Errettung haben die Propheten gesucht und nachgeforscht, die von der euch zuteil gewordenen Gnade geweissagt haben. Sie haben nachgeforscht, auf welche und was für eine zeit der Geist des Christus in ihnen hindeutete, der die für Christus bestimmten leiden und die darauf folgenden Herrlichkeiten zuvor bezeugte. Ihnen wurde geoffenbart, dass sie nicht sich selbst, sondern uns dienten mit dem, was euch nunmehr bekannt gemacht worden ist... Dinge, in welche auch die Engel hinein zu schauen begehren» (1. Petr. 1,10-12).

Hier habt ihr zwei Ordnungen - Propheten und Engel - die bestimmte Dinge nicht wussten, die uns geoffenbart wurden. Die Propheten wussten viel, doch forschten sie fleißig danach, etwas zu wissen, das sie nicht entdecken konnten. «Was bedeutet das?» mussten sie sich gefragt haben. «Der Heilige Geist lässt uns diese Dinge sagen, aber was bedeuten sie?» Sie forschten fleißig danach, das zu wissen, was für uns reserviert war. Warum konnten sie es nicht wissen? Weil die volle Erkenntnis sich auf das Kreuz gründet, und damals hatte das Kreuz noch nicht stattgefunden. Und auch Engel begehren Einblick in diese Dinge. Kann das zutreffen? Wir glaubten doch, Engel würden alles wissen! Sicher haben doch die Engel weit mehr Kenntnisse und Einsichten hinsichtlich dieser dinge als wir? Nein, sie wissen nicht. «Dinge, in welche auch die Engel hinein zu schauen begehren». Warum wissen sie es nicht? Die Engel hatten kein Kreuz nötig; das Kreuz hat für sie persönlich keine Bedeutung. Nur auf der Grundlage des Kreuzes kann man in eine volle Erkenntnis eintreten. Braucht es dazu weitere Argumente?

Das Kreuz sichert positive,
nicht nur negative Resultate

So muss also der Heilige Geist, um uns zur vollen Erkenntnis des Herrn zu bringen und uns mittels dieser wachsenden Erkenntnis brauchbar für den Herrn zu machen, ständig durch das Prinzip des Kreuzes wirken. Und mein abschließendes Wort lautet folgendermaßen. Das Werk (des Kreuzes) ist nicht nur negativ; der Herr arbeitet auf einer positiven Grundlage. Ihr mögt denken, der Herr sage immer Nein, er sei ständig gegen euch, das Kreuz unterdrücke stets. Doch nein, es ist ein positives Instrument in der Hand des Geistes Gottes. Gott wirkt entlang einer positiven Linie. Tatsache ist, dass er, wann immer der Heilige Geist uns in eine neue Erkenntnis von der Bedeutung des Kreuzes bringt, nach etwas mehr strebt. Das ist das Gesetz des Geistes des Lebens.

Ihr müsst daran denken, dass der Herr Jesus in seiner Auferstehung nicht dort gelassen wurde, wo er vorher war. Bevor er starb, war er auf dieser Erde; und dann starb er; und Paulus bezieht sich mit diesen Worten auf sein Auferstehen vom Tod: «was ... die überwältigende Größe seiner Kraftwirkungen an uns ist, die wir glauben gemäß der Wirksamkeit der Macht seiner Stärke. Die hat er wirksam werden lassen in Christus, als er ihn aus den Toten auferweckte und ihn zu seiner Rechten setzte in den himmlischen Regionen, hoch über jedes Fürstentum und jede Gewalt, Macht und Herrschaft und jeden Namen, der genannt wird nicht allein in dieser Weltzeit, sondern auch in der zukünftigen» (Eph. 1,19-21). Die Auferstehung trägt ihn hindurch zu dem «hoch über alle», und das Prinzip der Auferstehung ist stets das des Rückschlags - wir müssen sehr tief hinunter, tiefer als wir es je zuvor kennen gelernt haben, doch der Geist Gottes beabsichtigt, dass das zu dem führt, dass wir höher als je zuvor erhöht werden. Fürchtet euch deshalb nicht, wenn ihr euch sehr leer, sehr erledigt, sehr stark am Ende fühlt. Bittet den Herrn, dass wenn dies wirklich das Werk des Kreuzes ist, dass es in dem erfolgreich sein möge, was er für euch beabsichtigt. Und wenn es erfolgreich war, werdet ihr euch nachher auf höherem Grund befinden, als ihr je zuvor wart.


Die Notwendigkeit für eine
entschiedene Transaktion mit dem Herrn

Wir haben von Zeit zu Zeit gesagt, das Kreuz bringe eine Krise mit sich. Für einige mag dies eine überwältigende Erfahrung sein, das Größte, das je in eurem Leben geschehen ist, größer selbst als eure Bekehrung. So war es für einige von uns, als wir uns von der Wahrnehmung des stellvertretenden Aspekts des Kreuzes, wo wir nur das sahen, was Christus für uns getan hat, hinbewegten zu einer Wahrnehmung unserer Einheit mit Christus im Tod, im Begräbnis und in der Auferstehung. Ob ihr eine große Krise durchgemacht habt, die euer Leben in zwei Teile teilte, oder nicht, ihr müsst einen Punkt der Transaktion mit dem Herrn erreichen, wo ihr erkennt, dass das Kreuz im Prinzip eine äußerste, alles umfassende Realität ist, welche die Erde um diesen letzten Rest von Eigenleben bringt, das der Grund ist für Satans Macht. In einem gewissen Punkt ist es das beste, dieses Verständnis zu haben: «Ich frohlocke in der Tatsache deines Todes für mich, und ich bin aufgrund dieses Todes und meines Glaubens daran gerettet. Doch ist starb in dir - das war dein Gedanke in Bezug auf mich als Sohn Adams. Ich konnte es nicht ertragen, dass mir das, was dies alles bedeutet, aufs Mal beigebracht wurde, doch erkenne ich, dass es ausgearbeitet werden musste, wie es die Gnade ermöglichte, und dass ich früher oder später an mein äußerstes Ende kommen musste; und darum gebe ich mich an all das hin, was du durch das Kreuz meinst».

Eine Transaktion dieser Art ist notwendig. Fange nicht an, auszuschlagen, wenn der Herr anfängt, das auszuführen. Er nimmt euch bei eurem Wort, doch tut er dies mit dem entschiedenen Ziel im Blickfeld, euch zu einer höheren und volleren Erkenntnis seiner selbst zu bringen. Aus dieser wachsenden Erkenntnis von ihm heraus, aus der wachsenden Kostbarkeit des Herrn, wird aller echte Dienst hervorgehen. Es ist nicht das, was wir tun, sondern was wir haben, das das Geheimnis des Dienstes ausmacht.

In Übereinstimmung mit dem Wunsch von T. Austin-Sparks, dass das, was er frei erhalten hat, weitergegeben und nicht gewinnbringend verkauft werden sollte und dass seine Botschaften Wort für Wort reproduziert werden, bitten wir Sie, diese Botschaften mit anderen zu teilen und frei anzubieten, um seine Wünsche zu respektieren - frei von jeglichen Änderungen, kostenlos (außer notwendigen Vertriebskosten) und mit dieser Erklärung inklusive.