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Wie es am Anfang war

von T. Austin-Sparks

Kapitel 7 - Der Große Übergang

Vieles ist schon geschrieben worden, und wird noch geschrieben, über den Unterschied im Fortschritt des Evangeliums in den ersten drei Jahrzehnten des Christentums und der viel längeren Zeit seither. Dass der damalige Fortschritt nicht geringer als phänomenal war, kann man unmöglich leugnen. Wir haben schon mehr als einmal die Wort von Dr. A.M. Fairbairn zitiert:

«Im Jahre 33 nach Christus forderten galiläische Fischer Redefreiheit in Jerusalem und wurden als arme und unwissende Leute hart behandelt. In dem Jahr, als Paulus starb (etwa 30 Jahre später), wie sah da die Sache aus? Es gab Gemeinden in Jerusalem, Nazareth, Cäsarea, in ganz Syrien, Antiochien, Ephesus, Galatien, Sardis, Laodizäa, in allen Städten an der Westküste durch Kleinasien, in Philippi, Thessaloniki, Athen, Korinth, Rom, Alexandria, in den wichtigsten Städten der Inseln und des Festlandes von Griechenland, und in den westlichen Kolonien».

Mit all der gewaltigen Organisation, dem Aufwand und der Propaganda seither und besonders im letzten Jahrhundert gibt es nichts, was sich damit vergleichen ließe, besonders wenn man bedenkt, dass wir aus diesen ersten Jahren nichts von irgend einer Maschinerie, von Appellen, dem Rummel, den Abordnungen, Ausstellungen, Demonstrationen und der ganzen Organisation von Missionen und missionarischen Bemühungen lesen, mit denen wir in unserer Zeit so vertraut sind. Es ist nicht so, dass ein Mangel an Einsatz für die Evangelisation oder an Opfer- und Leidensbereitschaft auf Seiten vieler hingegebener Diener Gottes existieren würde. Was immer wir auch sagen mögen, wir sollten uns davor hüten, das sehr große Ausschütten von Leben und Kraft kleinzureden oder zu unterschätzen, das die Anstrengungen zur Rettung von Seelen in diesen letzten Jahrhunderten charakterisierte. Kontakt mit vielen solcher hingegebener Diener Gottes in diesen Bereichen des Dienstes bedeutet einen gesunden Tadel für irgend einen Geist der Kritik.

Doch, auch wenn wir jedes Bisschen dieser aufopferungsvollen Hingabe anerkennen, gibt es sehr wenige, die sich des oben erwähnten Unterschiedes nicht bewusst sind, und eine Unmenge Literatur wird zu diesem Thema publiziert. Unsere Absicht, unter tiefer innerer Übungsarbeit, ist es nicht, zu kritisieren oder Verleumdungen auszustreuen, sondern zu fragen - wenn der Vergleich bzw. der Kontrast richtig ist und stimmt - ob es irgendwelche Faktoren oder Gesichtspunkte gibt, die diese Veränderung kennzeichnen? Gab es am Anfang charakteristische Merkmale, die heute nicht mehr ALLGEMEIN gelten? Wo wirklich ein echtes und wirksames Werk geschehen ist, auf das alle hinweisen können als auf etwas, das ungefähr dem der ersten Tage entspricht, ist dies denn möglich wegen dem Vorhandensein dieser ersten Faktoren? Lasst uns ein oder zwei beachtenswerte Beispiele betrachten und sehen, ob sie auf etwas im Original zurückweisen.

In erster Linie wollen wir uns die erstaunliche und herzaufwühlende Geschichte der Mährischen Brüder in Erinnerung rufen.

In ihren ersten 20 Jahren (nur zwanzig Jahre, merkt es euch) sandten sie mehr Missionare aus als die GESAMTE PROTESTANTISCHE KIRCHE in ZWEI JAHRHUNDERTEN ausgesandt hatte. Es weckt Erstaunen und Scham, von den geschlossenen Ländern, in die sie gingen, von den Leiden, die sie freudig ertrugen, von der Reichweite, die sie abdeckten, von den gelebten und hingegebenen Leben, von der Gnade Gottes, die sich manifestierte, zu lesen. Jemand hat gesagt, wenn Glieder der protestantischen Kirchen in entsprechender Anzahl ausgezogen wären, dann wäre ein Heer entstanden, das weit über die geschätzte Zahl hinausging, die nötig wäre, um die ganze Welt zu evangelisieren.

Was war das Geheimnis, und welches waren die Faktoren?

In erster Linie war das Kreuz tief in das Wesen jedes einzelnen dieser Menschen hineingewirkt worden. Das geschah durch tiefes Leiden. Ihr Land war zu einem Feld von blutigen Massakern gemacht worden. Sie wurden von ihren Häusern vertrieben. Von drei Millionen wurden sie durch Verfolgung auf eine Million reduziert. Manchmal schien es sogar, als seien sie ausgerottet worden, und als sei ihr Zeugnis ausgelöscht.

Aus diesem Feuer der Trübsal ging eine gereinigte Schar hervor, mit einem weiteren Feuer, das in ihren Knochen brannte. Es war das Feuer einer leidenschaftlichen Liebe zum Herrn Jesus. Die Versammlungen dieser Brüder atmeten, als sie später wieder möglich wurden, eine Atmosphäre wie im Obersaal in Jerusalem, wo die Spannung ja ähnlich war. Bünde wurden geschlossen, dass das Fleisch in all seinen Formen vollständig (aus ihrer Mitte) verbannt sein soll: Eigenwille, Selbstliebe, Eigeninteresse, Selbstsucht.

Arm im Geist zu sein würde fortan ihr Bestreben sein, und jede bzw. jeder von ihnen geben sich dazu hin, vom Heiligen Geist belehrt zu werden. Eine Gebetswache soll eingerichtet werden, die Tag und Nacht am Brennen gehalten werden soll. Und in Staffeln sollte ein Gesamt von 24 Stunden besetzt werden, in denen man den Herrn suchte. Ihr Motto lautete: «Für das Lamm den Lohn seiner Leiden einzuholen».

All das begründet sich selbst. Ein tief ins Innere eingewirktes Kreuz führte zu einer mächtigen persönlichen Liebe für den Herrn Jesus. Persönliche Überlegungen gingen unter, und es brauchte keine Überzeugungsarbeit. Ist es notwendig, zu argumentieren und darauf hinzuweisen, dass dies eine echte Entsprechung von den frühen Tagen des Christentums war?

So viel zu unserem ersten Beispiel. Wir wenden uns einem andern zu, in dem vieles, was wir gesagt haben, übernommen wurde, wenn auch mit andern Gesichtspunkten. Wie oft wurde auf die frühe Geschichte der China Inland Mission hingewiesen, und wie oft wurde als ein großes Beispiel eines echten Werkes Gottes in seinem geistlichen Leben und seiner Effektivität an sie appelliert! Noch immer werden Bücher veröffentlicht mit dem Ziel, durch das Beispiel dieses Werkes zu inspirieren und zurückzugewinnen. Doch wäre es ein Fehler, das Werk und die Mission groß zu machen, und dabei den geistlichen Hintergrund und die Erklärungen zu übersehen. Mit all seiner Vision und Leidenschaft für die Evangelisierung des chinesischen Hinterlandes, ist es wohl bekannt, dass, als er von Ort zu Ort ging mit seiner Herzenslast, um zu Versammlungen von Christen zu sprechen, Mr. Hudson Taylor vergleichsweise wenig über China sprach, oft sogar gar nicht. Er schüttete seine geistliche Botschaft aus, um das Volk Gottes zu einer volleren Erkenntnis dessen zu bringen, was ihre Vereinigung mit Christus bedeutete. Das zentrale und überragende Thema in seiner Botschaft und beim Herrn war seine Betonung der UNIVERSELLEN WIRKSAMKEIT DES GEBETS!

Hört, was er sagt: «Beim Studium des göttlichen Wortes habe ich gelernt, erfolgreiche Mitarbeiter zu bekommen, nicht ausgeklügelte Appelle um Hilfe, sondern ernsthaftes Gebet zu Gott... und die Vertiefung des geistlichen Lebens der Gemeinde, so dass es für die Menschen unmöglich wird, zu Hause zu bleiben, war das, was nötig war».

Wären wir gezwungen, die innere Geschichte jenes Werkes - den ursprünglichen, geistlichen Hintergrund - in wenige Worte zu kleiden, müssten wir sagen, dass es nicht durch Organisation, durch gute Anwälte, durch Propaganda, durch Appelle oder Reklame geschah, sondern durch einen Mann mit einer tiefen Erkenntnis Gottes, geboren, indem das Kreuz tief in ihn hineingewirkt wurde, mit einer lebendigen geistlichen Botschaft für das Volk des Herrn, die sie zu einem vollsten Leben in ihm bewegte, und durch die praktische Ausübung eines solchen Lebens durch Gebet. Mr. Hudson Taylor stellte sich nicht in die Reihe der hervorragenden Bibellehrer in dem Sinne, dass er die Wahrheit in systematischer Form präsentierte. Er gehörte nicht zur Zahl der großen Bibellehrer im allgemein akzeptierten Sinne dieses Begriffs in seiner Generation. Er hatte eine Botschaft, die sofort zu zwei Ergebnissen führte. Das eine ist die Beziehung des Gläubigen zum Herrn, und dann die praktische Ausübung dieser Beziehung im Gebet und anderen Formen des Dienstes; um das Evangelium zu denen zu bringen, die noch keine Chance hatten, es zu empfangen, es sei denn, durch hingegebene Bemühungen, sie zu erreichen.

Mr. Hudson Taylors Leben wandte sich an einem gewissen Punkt einer tieferen Realisierung dessen zu, was Einheit mit dem Herrn wirklich bedeutet.

In unserem letzten Kapitel sprachen wir von der engen Verbindung zwischen der Konferenzbewegung, wie «Keswick», und der weltweiten Evangelisation. In dieser Beziehung möchten wir auf die reichen, geistlichen Dienste solcher Knechte Gottes wie Dr. Andrew Murray und Mr. Charles Inwood hinweisen, durch welcher beider Dienste starke und fruchtbare evangelistische Missionen ins Dasein gerufen wurden.

In welcher Weise können diese Dienste mit jenen ersten Jahren des Christentums in Verbindung gebracht werden? Die Antwort findet sich gewiss in einem richtigen Verständnis der Bedeutung von Pfingsten.

Was war Pfingsten? Wir haben beklagenswerterweise versagt, diese Frage richtig und angemessen zu beantworten. Die gehäuften und äußerlichen Effekte haben die tieferen Elemente verdunkelt. Wir haben Pfingsten in Begriffen von Aktivität, Zeichen, Gefühlswallungen, Erregbarkeit, Zungen, Heilungen etc. interpretiert.

Doch da gab es etwas, das alle Manifestationen erklärte, und was mehr als diese war. Es war - DIE INTHRONISIERUNG DES HERRN JESUS ALS ABSOLUTEN SOUVERÄN, OHNE VORBEHALT UND RIVALEN ÜBER DAS UND IM GANZEN LEBEN, MIT ALL SEINEN INTERESSEN UND AKTIVITÄTEN HINGEGEBENER MÄNNER UND FRAUEN. Was mit dem Herrn Jesus selbst geschehen war, wurde durch den Heiligen Geist auch bei der Gemeinde bei ihrer Geburt wahr gemacht. Diese Erhöhung zum und in den Himmel bedeutete, dass Jesus freigesetzt worden war. Das Buch, das wir als «Apostelgeschichte» (Taten der Apostel) kennen, könnte sehr wohl neu mit «die Freisetzung des Herrn» benannt werden.

Bis zum Zeitpunkt seines Todes war er sehr eingeschränkt. Das sagte er selbst. Seine Aussage diesbezüglich war:

«Ich bin gekommen, ein Feuer auf die Erde zu werfen; und wie sehr wünschte ich, es wäre schon entzündet! Doch muss ich mit einer Taufe getauft werden; und wie sehr bin ich bedrängt, bis sie vollbracht ist» (Lk. 12,49.50). («bedrängt» bedeutet hier «unter Anspannung und Stress»).

Sein Geist sehnte sich nach Freiheit; er kämpfte gegen die Einschränkungen seiner gegenwärtigen Position. Die Inkarnation in Natur und Bestimmung bedeutete eine geographische und physische Einschränkung. Es bedeutete auch nationale Einschränkungen. Es bedeutete Einschränkungen in den Männern, die er erwählt hatte; ihren gegenwärtigen Mangel an geistlicher Einsicht und an Verständnis; ihre Unfähigkeit, die Natur der neuen Heilszeit zu erkennen, die zu eröffnen er ja gekommen war; ihre Erdgebundenheit; ihr Eigeninteresse und ihre Ambition; ihr Stolz, ihr Selbstbewusstsein und ihre natürlichen Urteile. Dann aber auch die schreckliche Einschränkung des unerfüllten Gesetzes in Israel, die Herrschaft der Gesetzlichkeit, welche die Seelen derer, die ihrer Ruhe zerstörenden Kraft unterworfen waren, erdrückte und gefangen setzte. «O», rief er, «wenn doch die Taufe (der Passion) schon vollbracht wäre, so dass ich, und sie, befreit werden könnten.

Diese Befreiung kam durch Tod und Auferstehung - Erhöhung. Nach der Passion unterlag er keiner physischen, geographischen, nationalen und natürlichen «Enge» mehr; er war emanzipiert und frei. Universalität war die neue Ordnung, und die Erde «lernte des zerstreute Feuer» kennen. Nicht mehr durch Überzeugung und Befehl besaß er jetzt die Reaktion seiner Männer. Nun entkamen auch sie durch eine innere, dynamische Erleuchtung ihren Ketten und den traditionellen Gefängnismauern. Nicht Furcht, sondern Mut! Nicht Schande, sondern Herrlichkeit! Nicht Selbstverteidigung, sondern Bereitschaft, zu leiden, selbst bis zum Tod um seines Namens willen! Mit einem strategischen Schlag berührte er Männer «von jeder Nation unter dem Himmel» in Jerusalem an einem Tag. Was für eine Geschichte folgte dieser Befreiung! Wie breitete sich das Feuer aus!

Die Befreiung des Herrn bedeutete die Freisetzung des Heiligen Geistes, und diese wiederum bewirkte die Freisetzung der Gemeinde. Zwei Dinge ergeben sich daraus für die Betrachtung und die geistliche Übung. Das eine ist eine neue Wahrnehmung der Befreiung durch Tod; d.h., was das Kreuz wirklich bedeutet im Blick auf die Freisetzung der Gemeinde; und das zweite ist das, was die wahre Natur der gegenwärtigen Position Christi ist. An diesem Punkt ist das Christentum gefallen, wo die Gemeinde am Anfang gerade aufstand. Diese beiden Dinge werden im nächsten Kapitel im Fokus stehen. Denn genau hier muss zweifellos eine geistliche Rückkehrbewegung einsetzen, wenn Effektivität und Kraft wiedergewonnen werden sollen.

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