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In Christus

von T. Austin-Sparks

Kapitel 2 - «In der Gleichheit seines Todes»

Es ist schon oft darauf hingewiesen worden, dass der Tod Christi einen doppelten Aspekt hatte und (immer noch) hat. Zunächst ist da einmal der stellvertretende Aspekt, welcher einzigartig, isoliert und schlüssig ist. Nichts kann dem hinzugefügt werden, noch kann irgend etwas einen Anteil haben an seiner stellvertretenden und erlösenden Effektivität. Wir empfangen den Nutzen davon als eine Gabe durch Glauben und sind dadurch gerechtfertigt.

Aber da gibt es noch den zweiten Aspekt, nämlich den der Repräsentanz. In diesem sind wir, in der Natur Adams, im gefallenen Zustand, mit einbezogen. Mit unserer Sünde wird im stellvertretenden Aspekt verfahren, wir selbst jedoch werden im repräsentativen Aspekt behandelt. Weil diese beiden entscheidend und grundlegend mit unserer Errettung zu tun haben, erlangt dieser zweite Aspekt seine Betonung, wenn es darum geht, dass wir das Christus-Leben leben und den Christus-Vorsatz erfüllen sollen.

Das Alte Testament ist von dieser zweiten Betonung, sowohl typologisch als auch lehrmäßig. So musste Abraham notwendigerweise vom «Heimatland» (Welt), von der «Verwandtschaft» (natürlichen Beziehungen) und vom «Vaterhaus» (der «alte Mensch») getrennt werden. Wie ein bestimmter Verfasser aufgezeigt hat, war sein ganzes Leben eine ständige Anwendung des Todesprinzips auf die vielen Phasen des natürlichen Menschen. Er machte eine anfängliche Bewegung, als er aus dem Land der Chaldäer auszog, doch wurde sein Fortschritt aufgehalten in Haran, bis sein Vater gestorben war. Der alte Mensch kann nicht über den Jordan (das Kreuz)mit genommen werden. Das alte Leben kann nicht hinter die Grenzen der «himmlischen Regionen» gelangen. Der zitierte Verfasser zeigt die Bedeutung der vielen Beziehungen und Ereignisse in Abrahams Leben in ihrer fleischlichen Natur auf, und auch die Schwierigkeiten, die Beschlagnahme und die Tragödie, die sie brachten; und ferner, wie sie weggeschnitten und aufgegeben werden mussten. Einige davon waren:

1. Ägypten - der Bereich der Sinne; der Versuch, geistliche Kraft und Befähigung durch das Berührbare, Augenscheinliche und Gegenwärtige zu finden.

2. Lot - «der natürlich-aufrichtige Verstand». Der geistliche und natürliche Verstand schienen anfänglich so sehr vereint, dass es schwierig war, zwischen ihnen zu unterscheiden. Der Unterschied zwischen dem geistlichen und dem natürlich-aufrichtigen Verstand lässt sich anhand des ganzen Verlaufs und Verhaltens von Abraham und Lot erkennen. Erst nachdem Lot von Abraham getrennt worden war, sagte Gott zu Abraham: «Erhebe nun deine Augen».

3. Die Kanaaniter - falsche Religion; geistlich, aber satanisch; äußere Riten mit begleitenden Zeichen und Wunder, doch dämonisch.

4. Hagar und Ismael - Nützlichkeitsdenken; der Versuch, geistliche Ziele auf natürliche Weise zu erreichen; der Versuch, fruchtbar zu sein, und dies durch Eigenanstrengung, fleischliche Mittel, auf natürlichem Grund.

Man kann das Prinzip auch noch an andern Details in seinem Leben verfolgen, doch geben wir uns damit zufrieden, es aufzuzeigen und es dann stehen zu lassen.

Damit Abraham unter die Bedingungen und die Fruchtbarkeit eines ewigen Bundes gelangen kann, muss er ein mann des Geistes sein, ein geistlicher Mensch also, und dies auf der Grundlage des Glaubens.

Auf dieselbe Weise musste auch Moses gezüchtigt und zubereitet werden. Eine der bemerkenswertesten und - für viele - verwirrendste Aussage in der Schrift ist jene in 2. Mose 4,24: «Da trat der Herr im entgegen und versuchte ihn zu töten»; und dies nach der Vision und der Beauftragung.

Wir wissen, dass es im Zusammenhang mit dem Bundeszeichen der Beschneidung geschah, doch dürfen wir nicht vergessen, dass die Beschneidung das Symbol dafür war, dass der ganze Leib des Fleisches weggeschnitten werden musste, und dies bezieht sich auf unsere Identifikation mit Christus in seinem Tod (Kol. 2,11.12). Vierzig Jahre zuvor hatte Moses, mit der Vorstellung des göttlichen Dienstes, versucht, sie mit fleischlichen Mitteln und in seinem eigenen natürlichen Wesen zu erreichen. Das brachte das unausweichliche Misslingen und den Einhalt mit sich. Für weitere vierzig Jahre musste das Prinzip des Todes angewandt werden, bis der einzig ehrliche Ausdruck des geistlichen Dienstes das «Ich kann nicht» war. Der Herr hatte sich bewusst die Mühe gemacht, ihn zu nichts zu bringen. Die grundlegende Wahrheit jedoch muss die buchstäbliche Form eines anerkannten Zeugnisses annehmen, es muss einen entschiedenen Ausdruck einer geistlichen Tatsache geben - wenn ihr wollt, ein Gebot; doch das Gebot ist nichts in sich selbst, es ist bloß ein Bekenntnis für die Akzeptanz einer geistlichen Realität. Die Beschneidung war dies in Israel, das Einkreisen durch Blut, das den natürlichen vom geistlichen, und den alten vom neuen Menschen trennt; daher der erwähnte Vorfall. Der Fortschritt von Moses wurde plötzlich unterbrochen, und mit einem Schock wurde er mit der Notwendigkeit konfrontiert, durch eine Handlung eine entschiedene und konkrete Erklärung für das Gesetz des endgültigen Endes für das Fleisch zu vollziehen. Wir können sicher sein, dass, wenn wir versuchen, das unbeschnittene Fleisch, oder den natürlichen Menschen, in den Bereich des geistlichen Lebens oder Dienstes herüber zu bringen, wir niedergeschmettert werden - dieser natürliche Mensch wird die Herausforderung des Gerichtes von Golgatha zu spüren bekommen.

So sehen wir, wie die Wahrheit von der Einverleibung in den repräsentativen Tod Christi der alttestamentlichen Erfahrung zugrunde liegt, und das kann man durch die ganze Schrift hindurch verfolgen. Die Geschichte Israels ist ein einziger langer Kommentar dazu. Das Rote Meer ist der stellvertretende tod, die Wüste die Offenbarung von der Notwendigkeit für den Jordan als den repräsentativen tod, oder die Identifikation mit dem Tod.

Nachdem wir zum Segen des stellvertretenden Werkes Christi und zum Genuss der Rechtfertigung durch glauben gelangt sind, werden wir - sofern unser geistliches Leben rein und fortschreitend ist - werden wir anfangen zu lernen, wie außerordentlich breit die Kluft ist zwischen der alten und der neuen Schöpfung, zwischen dem Natürlichen und dem Geistlichen ist. Das wird uns erst nach und nach aufgehen, Zeile für Zeile, doch bei Gott ist das bereits eine festgelegte Schlussfolgerung. Bei ihm gibt ist kein Überlappen von beiden, es sind getrennte Pfähle. Wenn diese beiden zusammengelegt werden, handelt es sich für ihn um die Natur geistlicher Unzucht, und so sind die Früchte des Lebens und Dienstes ungesetzlich.

Es ist seine Absicht, uns dies zunehmend klar zu machen, und wenn es für uns auch so aussieht, als sei das Ganze doch nur eine einzige Mischung und ein konfuses Geflecht, wird er uns mit zunehmender Deutlichkeit zeigen, dass er die Dimensionen des ewigen Kreuzes zwischen die beiden getrieben hat. Wir haben in vorausgehenden Kapiteln viele Schriftstellen angegeben, die den grundlegenden Unterschied zwischen diesen beiden, zwischen dem Natürlichen und dem Geistlichen, zeigen.

Ein Christ zu sein bedeutet nicht einfach, die Richtung unserer Interessen zu verändern - all unsere Fähigkeiten, Begabungen, Energien, Ressourcen, Emotionen, unseren Scharfsinn, Enthusiasmus, etc. vom Ich oder von der Welt wegzuwenden und dem Christentum, der Religion, dem Evangelium oder dem Reich Gottes zur Verfügung zu stellen.

Im Bereich des Lebens und der Dinge Gottes finden wir diese beiden Worte, die von Gott hinsichtlich des natürlichen Menschen geäußert werden: «Nichts» und «Kann nicht». Gelingt es nicht, die Bedeutung dieser beiden Worte zu erkennen, dann heißt das, dass man in den hoffnungslosen, herzzerbrechenden und unfruchtbaren Bereich von Römer 7 gerät. Fruchtloses Bemühen ist das Ergebnis, falls irgend ein echtes geistliches Streben vorliegt; aber ganz gleich, ob es ein solches gibt oder nicht (wobei die Vorstellung im letzteren Fall bloß die ist, dass sich der natürliche Mensch mit christlichen Unternehmungen beschäftigt) der Dienst wird, was irgendwelche geistlichen Errungenschaften betrifft, unwirksam sein. Fleisch wird sich je in seiner Gegenwart rühmen können, und auch das religiöse Fleisch ist so wenig annehmbar wie das nicht religiöse. Wie viele gibt es doch, die entweder einen Standard geistlicher Zufriedenheit zu erreichen suchen, oder die mit ihren eigenen Ressourcen von Intellekt, Willen, Emotionen - Vernunft, Energie, Leidenschaft - den Dienst Gottes tun möchten. Daher all die unapostolische Organisation, Maschinerie, Werbung.

Nein! Um angenommen zu werden und Gott dienen zu können, muss ein neuer Mensch her, und dieser neue Mensch hat ein neues Leben, einen neuen Sinn, einen neuen Geist, einen neuen Weg, eine neue Fähigkeit, ein neues Bewusstsein, in Tat und Wahrheit «sind alle Dinge neu geworden». Der, den dies betrifft, gelangt mehr und mehr zur Erkenntnis, wie so ganz anders Gott die Dinge erledigt, als Menschen dies tun; ja, und was für andere Dinge tut Gott doch! Die Ziele Gottes, die Methoden Gottes, die von Gott benutzten Mittel, die Zeiten Gottes sind eine Erziehung und oft eine Disziplin für diesen Menschen in Christus. Solange der alte Mensch noch nicht gut gekreuzigt ist, sind Gottes Wege, Mittel, Zeiten und Ziele eine ernsthafte Prüfung für ihn, und entweder wird er dann in sich selbst revoltieren und davon losbrechen, oder er wird in die Tiefen hinunter steigen; doch er wird sowieso lernen, dass er - der natürliche Mensch - in der Absicht Gottes ans Kreuz gehen muss, wo Gott ihn im repräsentativen Menschen Jesus, dem Christus, endgültig hinversetzt hat. Der Einfluss des natürlichen Menschen auf die Dinge des Geistes ist tod und Verwüstung; daher trifft der Herr stets Vorkehrungen gegen dieses natürliche Leben in seinen Kindern und macht sie, indem er sie durch das hindurch bringt, das sie sehr erniedrigt, handlungsunfähig. So durchbohrte er Paulus‘ Fleisch mit einem Stachel, als Vorsichtsmaßnahme dagegen, dass sich sein seelisches Leben wichtig machte; damit ferner aber auch die geistliche Brauchbarkeit nicht aufgehalten, sondern vielmehr vermehrt wurde. Wir haben eine sehr begrenzte Kenntnis von unseren natürlichen Quellen - den Motiven, der Natur unserer Wünsche, selbst nach geistlichen Segen; den persönlichen Interessen im Reich Gottes; dem Begehren nach Besitz, befriedigt zu werden, Einfluss, Anerkennung, Freiheit zu gewinnen; und einer Menge anderer, konstitutioneller Elemente. Der Herr weiß, wie sehr all unsere Lebensquellen und deren Ausdrucksformen vergiftet und befleckt sind. Er möchte nicht, dass wir in uns selbst gekehrt sind und uns ständig selber analysieren, aber er möchte uns sein eigenes Urteil über den natürlichen Menschen mitteilen, und er möchte uns bitten, die göttliche Forderung zu akzeptieren, dass er gekreuzigt werden muss. Wenn wir durch Glauben an sein Urteil und sein Wort so das Kreuz akzeptieren, geht er daran, den Tod in uns zu verwirklichen, und uns wird zunehmend bewusst, wie notwendig dieser ist. Dann weigern wir uns, uns anders als im Geist auf der Grundlage von Gottes Tatsache in Christus zu bewegen - «Ich bin mit Christus gekreuzigt .. so lebe nicht mehr ich» (Gal. 2,20). Wie das Salböl bei der typologischen Salbung im Alten Testament nicht auf das Fleisch des Menschen kommen durfte, so wird dem Heiligen Geist, wie dies hier typologisch dargestellt wird, nie erlaubt, in diesem Zeitalter des Geistes je auf das ungekreuzigte Fleisch zu kommen. Golgatha geht Pfingsten sowohl in der Geschichte als auch in der Erfahrung voraus. Eine echte Offenbarung von der Wertlosigkeit des natürlichen Menschen in Gottes Augen war stets ein notwendiges Vorspiel auf die Salbung zum Dienst. Das «Ich kann nicht» von Moses, das «Weh mir» von Jesaja, das «Ich bin ja noch ein Kind» von Jeremia, das «Ich bin ein sündiger Mensch» von Petrus, das «in mir wohnt nicht Gutes» von Paulus ist typisch für alle, die von Gott berufen wurden, und diese Ausdrücke sind das Resultat der Anwendung der wahren Bedeutung des Kreuzes. Und doch waren sie religiöse Enthusiasten, Gott im Bereich ihrer seelischen Natur hingegeben. Es ist stets die Liebe Gottes, die uns auf den Weg von Golgatha führt, so bitter der Kelch auch sein mag, wenn die Seele (nicht der Geist) in den Tod ausgeschüttet wird, denn nur so kann es ein Leben der Emanzipation von den Begrenzungen des Natürlichen in die universellen Dimensionen des Geistlichen geben.

Lasst uns aufs Neue einen Blick ins Wort werfen und diesen Gedanken vor uns behalten, und während wir sehen, dass sein Tod auch unser Tod ist, lasst uns sagen: «Amen, Herr, wirke es in uns»; und dann sind wir bereit, «ihn zu erkennen, und die Kraft seiner Auferstehung... um gleichförmig zu werden seinem Tod».

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