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Christus, unser alles

von T. Austin-Sparks

Kapitel 1 - Christus, unser Leben

Schriftlesung: Apg. 16,6-13.16-19.23-26; Philipper 1,1-2

Wir beginnen mit einer Betrachtung im Brief an die Philipper mit seiner Botschaft, wie das Kreuz Christus zu unserem «Alles» macht, denn genau das ist es, was dieser Brief wirklich vor uns hinstellt. Nicht einer von uns kann den Brief dazu benutzen, um aus ihm als dem Standard unserer eigenen Leistung zu predigen, sondern wir müssen sehr still und demütig sein, wenn wir davon reden. Tatsächlich muss unsere Annäherung diejenige seines Verfassers sein: «Brüder, ich betrachte mich nicht als einen, der es schon erreicht hätte, oder der schon vollkommen wäre».

Als der Apostel den Römerbrief schrieb, schickte er sich an, ein großes und ungeheures theologisches Argument vorzulegen. Als er seinen ersten Brief an die Korinther schrieb, machte er sich daran, eine Menge Fragen zu beantworten, die sich gestellt hatten, und um seine Meinung über einige sehr ernste Dinge darzulegen. Als er den Brief an die Galater schrieb, setzte er sich dafür ein, eine ungeheure Herausforderung zu präsentieren und auf eine Herausforderung zu antworten, die sich gestellt hatte. Als er seinen Brief an die Epheser schrieb, schüttete er eine große Offenbarung aus, die gewachsen und gewachsen und gewachsen war, bis sie ein großes Maß an Fülle erreicht hatte. Jetzt jedoch, beim Verfassen dieses Briefes an die Philipper, tut er nichts von all diesen Dingen. Er sagt nicht: «Paulus, ein Apostel Jesu Christi», oder: «Ich, Paulus, der Gefangene Jesu Christi». Er benutzt keine offizielle Bezeichnung, und er hat auch keine große Abhandlung im Sinn, sondern er nimmt die schlichte Stellung eines Menschen ein - zusammen mit Timotheus sagte er: «Knechte Jesu Christi» - und dann beginnt er, sein Herz zu öffnen, wie ein Mensch andern Menschen gegenüber, wie ein Christ gegenüber andern Christen, und ein Liebender Christi andern gegenüber, die Christus lieb haben. Er will das, was in seinem Herzen ist, auf einem gemeinsamen Grund und auf einem gemeinsamen Niveau mit ihnen teilen.

«Ihr Brüder» - wird er gleich sagen - «Ihr Brüder, nicht dass ich es schon erreicht hätte oder schon vollkommen wäre; aber dies eine tue ich...». Ihr seht, es ist der Appell seines eigenen geistlichen Lebens und seiner Aspiration. Seine Position ist ganz einfach die: «Brüder, das ist es, was ich vor Augen habe, wonach ich trachte, und weswegen ich an euch appelliere, euch mir anzuschließen und dem nachzueifern.» Das ist die Position dieses Briefes, und wir, ihr und ich, müssen zu dieser Position gelangen, indem wir auf sie zugehen, denn hier kann keiner von uns eine Adresse angeben. Wir können bloß sagen: Brüder, dieser Brief ist zu hoch für uns! All das, was wir hier vorfinden, ist weit jenseits von dem, was wir bisher erreicht haben! Wir können einander nicht anpredigen, aber hier ist der Gedanke des Herrn, und lasst uns mit einander darüber sprechen mit dem Ziel, uns gegenseitig zu ermuntern, damit wir, wenn es denn sein könnte, auf jede Weise auch dahin gelangen.» Das ist also unser Ausgangspunkt. Möge es doch geschehen, dass der Herr uns von da zu einem größeren Maß seiner selbst führt.

Wir haben gesagt, dass die Botschaft, die aus diesem Brief hervor geht, den Nachdruck darauf legt, dass Christus durch das Werk seines Kreuzes zu unserem «Alles» geworden ist, und das zeigt sich in verschiedener besonderer Hinsicht. Jedes dieser vier Kapitel hat eine besondere Beziehung. Wir wollen jetzt die erste betrachten, die in Kapitel 1, Vers 21 zu ersten Mal erscheint.

Denn für mich bedeutet Leben Christus, und Sterben Gewinn

«Denn für mich ist Christus das Leben». Dann bedeutet das auch, dass Christus unser wahres Leben ist, das eigentliche Motiv unseres Lebens, unseres Wesens. Wenn er gefragt würde, was das Leben bedeute, würde der Apostel sagen: «Einfach Christus!» Was bedeutet für dich, Paulus, das Leben?» «Christus!». «Was ist deine Hoffnung?» «Christus!» «Hast du denn in dieser Welt gar nichts anderes, solange du lebst?» Nein, gar nichts anderes. Christus, einfach nur Christus; das ist alles! Für mich bedeutet Leben, Leben bedeutet für mich Christus!»

Ich glaube, wir haben bereits festgelegt, was wir vor eines oder zwei Minuten gesagt haben: Dieser Brief übersteigt unser Verständnis bei weitem! Ich meine, wenn wir diesbezüglich in einer Anzahl verschiedener Beziehungen, Interessen und Gegenständen auf die Probe gestellt würden auf dieser Erde, würde es uns, in die Waagschalen geworfen, an Gewicht fehlen. Nun, wir wollen es nicht pressen. Es wäre zu schmerzhaft und wir würden nur beschämt dastehen. Aber dennoch ist es ein Gegenstand und eine Aspiration, dass es so sein sollte.

Bevor wir weiter gehen, wollen wir dieses Kapitel überblicken und sehen, welchen Platz Christus hier einnimmt:

Vers 1: «ein Knecht Christi Jesu».
2: «Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus».
6: «bis zum Tage Jesu Christi».
8: «die herzliche Liebe Christi Jesu».
11: «die Frucht der Gerechtigkeit... durch Christus Jesus».
13: «Meine Bande... in Christus».
15: «einige predigen Christus allerdings aus Missgunst und Streit».
18: «Was solls? Wenn nur auf jede Weise, sei es mit Vorwand oder in Wahrheit, Christus verkündigt wird; und darüber freue ich mich, ja, ich werde mich abermals freuen».
19: «der Beistand des Geistes Jesu Christi».
20: «dass wie immer, so auch jetzt, Christus verherrlicht werde in meinem Leib, sei es durch Leben oder durch Tod».
21: «Für mich ist das Leben Christus».
23: «...abzuscheiden und bei Christus zu sein, was auch viel besser wäre».
26: «damit ihr um so mehr zu rühmen habt in Christus Jesus».
27: «würdig des Evangeliums von Christus».
29: «Euch ist es um Christi willen geschenkt worden, nicht nur an ihn zu glauben, sondern auch für ihn zu leiden».

Überall nichts als Christus, Christus in jeder Richtung, in jeder Beziehung; es ist alles Christus.

Christus, unser Leben, aufgrund des Kreuzes

Nun müssen wir sehen, wie das Kreuz Paulus an den Ort gebracht hat, wo Christus zu seinem wahren Leben wurde, und wie es in ihm gewirkt hat, um ihn an diesen Ort zu bringen. Wir haben den Bericht gelesen, wie diese Gemeinde in Philippi entstanden ist, und wir haben die Geschichte dort aufgenommen, wo Paulus und seine Gefährten betend, im Geist vorwärts schritten in ihrem großen Dienst. Sie erreichten einen bestimmten Punkt, und versuchten, in einer gewissen Richtungen vorwärts zu schreiten, doch wurde ihnen vom Heiligen Geist nicht erlaubt, in diese Richtung weiterzugehen und zu predigen, und als sie feststellten, dass dieser Weg verschlossen war, sollten sie in einer anderen Richtung weiter gehen, und wiederum ließ es ihnen der Geist Jesu nicht zu; und so kamen sie zu einem Stillstand. Wenigsten blieben sie eine Nacht lang dort, wo sie gerade waren, und beteten, so nehme ich wenigstens an, und in jener Nacht kam eine Vision zu Paulus. Ihr stellt fest, dass ER die Vision sah, und Sie daraus die Schlussfolgerung zogen. Der Mann aus Mazedonien stand da und rief: «Kommt herüber nach Mazedonien und helft uns!», und daraus schlossen sie, dass der Herr sie aufgerufen hatte, dort das Evangelium zu predigen. So gingen sie auf direktem Wege nach Mazedonien, zum ersten Mal nach Europa, und kamen nach Philippi. Das alles scheint recht gradlinig zu sein. Die gingen am Tag des Sabbats ans Flussufer hinunter, wo sie eine Gebetsstätte vermuteten. Ich nehme an, sie haben sich in allen Richtungen nach dem Mann aus Mazedonien umgeschaut. Und ihr wisst, was sie fanden - eine Frau, überhaupt nicht aus Mazedonien, sondern aus Asien, wo ihnen verboten worden war, hinzugehen und das Wort zu verkündigen! Widerspruch Nummer eins! Und dann belästigte, bekümmerte, nervte und plagte sie eine Magd, die von einem bösen Geist besessen war; nicht viel Hoffnung in dieser Richtung! Widerspruch Nummer zwei! Und dann das unmittelbare Ergebnis von Paulus‘ Handlungsweise - sie wurden in das innerste Gefängnis geworfen und ihr Füße wurden in den Block fest eingeschlossen. Widerspruch Nummer drei! Wo ist dieser Mann aus Mazedonien? Wo ist diese offene Tür für die Verkündigung des Evangeliums?

Nun, ich wage zu behaupten, dass wir, ihr und ich, uns wohl hingesetzt und gesagt hätten: «Das ist ein schrecklicher Fall von falsch verstandener Führung. Das alles ist ein großer Fehler! Ich war mir so sicher, dass der Herr mir diese Vision gegeben hatte, dass der Herr in dieser ganzen Sache war, dass wir hierher kamen, doch spricht jetzt alles für das Gegenteil! Nun, indem ich versuchte, das zu tun, von dem ich glaubte, dass es der Wille des Herrn sei, bin ich nun hier gelandet. Ich versuchte, der Leitung des Geistes zu folgen, und ich habe beim Vorangehen immer wieder geprüft, und das ist nun das Resultat, zu dem der Gehorsam gegenüber dem Herrn hinführt!» Irgend etwas in dieser Art würde wohl im Innern vor sich gehen, denn der Teufel würde schon dafür sorgen. Die Situation, der Augenschein und die scheinbaren Widersprüche auf der einen Seite, auf der andern jedoch blutende Wunden und ein dunkles Verlies. Das sind Dinge, die dazu berechnet sind, dass ernsthafte Frage hinsichtlich der göttlichen Führung und darüber, ob wir uns im Willen Gottes befinden, aufwerfen. Jedenfalls verschaffen sie dem Feind einen guten Grund, um darauf sein Feldlager zu errichten. Nun, ich habe keinen Zweifel darüber, dass es für Paulus und Silas ein sehr echter und ernster Test des Glaubens war, was ihre Führung betraf.

Wie haben sie überlebt? Wie konnten sie die Situation meistern? Denn ohne Zweifel haben sie sie gemeistert. Um Mitternacht beteten sie und sangen Hymnen. Wiederum muss ich innehalten und sagen, dass dieser Brief uns bei weitem überragt, und diese ganze Angelegenheit legt unsere Mängel bloß. Ich glaube, die Antwort, oder zumindest ein Teil davon, auf die Frage, warum sie in einer solchen Situation triumphierten, lautet: Das Kreuz hat bei ihnen ein genug tiefes Werk getan, um alle persönlichen Interessen auszuschalten, und zwar wurden die persönlichen Interessen so gründlich ausgeschaltet, dass der Heilige Geist einen freien Weg hatte, ihren Geist im Triumph mit sich zu führen trotz der Dunkelheit in den Umständen und der Dunkelheit des geistlichen Anscheins. Der Heilige Geist war imstande, dies zu tun. Ihr beachtet, was Paulus in diesem ersten Kapitel sagt - und mir scheint, es gebe vieles in diesem Philipperbrief, das ein Echo auf Erfahrungen in Philippi aus Jahren zuvor darstellt - «Denn ich weiß, dass dies zu meinem Heil beitragen wird, durch eure Fürbitte und den Beistand des Geistes Jesu Christi». «Der Beistand des Geistes Jesu Christi». Meint ihr nicht, dass dies eine Erklärung dafür ist?
Wir möchten nicht zu analytisch oder in uns gekehrt sein, aber es schadet uns nicht, wenn wir von unserer eigenen Veranlagung Notiz nehmen. Wenn wir mit unserem eigenen Herzen wirklich ehrlich sind, ist es da nicht so, dass ein sehr großes Maß unserer Dunkelheit bei Prüfungen, unserem Versagen, unserem Zusammenbruch, unserem In-Stücke-gerissen-werden, unserem Verlust der geistlichen Position darauf zurückzuführen ist, dass wir enttäuscht sind, und dass unsere Enttäuschung höchst wahrscheinlich in der Richtung liegt, wo wir unsere Herzen auf etwas Bestimmtes fixiert haben, auf irgend ein persönliches Interesse selbst im Werk des Herrn; UNSER Dienst, das WERK, wobei natürlich das Werk des Herrn und die Dinge des Herrn gemeint sind. Wir würden es nicht unsere AMBITION nennen - aber könnte vielleicht nicht trotzdem ein Element davon hinter unserer Vision stecken, etwas, von dem wir, selbst wenn es für den Herrn geschehen sollte, gehofft hatten, es würde gesegnet und gefördert, und der Herr würde gutes Gelingen schenken? Doch das Ganze wurde, wie David‘s Unternehmen mit der Bundeslade auf dem neuen Ochsenkarren, zu einem plötzlichen Stillstand gebracht, und alles schien in Stücke auseinander zu fallen, und auch WIR würden in Stücke gerissen; dann, wenn die Wahrheit wirklich erkannt wird, stellen wir fest, dass in der Tat persönliche Interessen darin verborgen waren.

Mir scheint, dass im Falle von Paulus der größte Faktor bei seinem ständigen Triumph - denn er war ein stets triumphierender Mann - inmitten von schrecklichen Feindschaften, Prüfungen, Schwierigkeiten und Leiden durch all die Jahre hindurch seine äußerste Interesselosigkeit war; es gab bei all dem für ihn keinerlei persönliche Interessen. Es ging um Christus. Das Kreuz hatte alles Persönliche geschlagen, und dieser Philipperbrief ist voll davon. Nehmt zum Beispiel dieses Fragment: Einige allerdings predigen Christus aus Eifersucht und Streit, andere mit guter Absicht: die einen tun es aus Liebe, weil sie wissen, dass ich diese Dinge zur Verteidigung des Evangeliums durchmache; die anderen verkündigen Christus jedoch als Vorwand, nicht ernsthaft, weil sie glauben, mir dadurch noch mehr Trübsal in meiner Gefangenschaft zuzufügen» (V. 15-17).

Wie gemein, wie verachtenswert, wie boshaft, Christus mit solchen Motiven zu predigen! Christus zu predigen auf eine Weise zu predigen, dass man einem Diener Christi noch mehr Leiden zufügt!

Was will Paulus sagen? «Verachtenswerte Schufte! Möge der Herr seine Gerichte über euch bringen!»? Auf keinen Fall! «O, was spielt das schon für eine Rolle, wie sie Christus verkündigen? Hauptsache ist, dass Christus verkündigt wird, und das ist alles, worauf es ankommt. Darüber freue ich mich, und ich werde mich auch weiterhin freuen!» Ich sage euch, um dies sagen zu können, braucht es einen gekreuzigten Mann. Da liegt ein Mann in Ketten im Gefängnis; und andere versuchen, ihm noch eins überzuziehen, wenn er schon darniederliegt, indem sie sogar das Evangelium oder die Verkündigung des Evangeliums - ihre Art, wie sie das Evangelium verkündigen - dazu benutzen. Und da sagt dieser Mann: «Das geht schon in Ordnung. Ich will das einfach ertragen und dem Herrn danken, dass, wie immer sie predigen, Christus verkündigt wird, denn darauf kommt es allein an». Ich sage, es müsse ein gekreuzigter Mann sein, der so etwas sagen kann, ein Mann, der keine persönliche Gefühle oder Interessen verfolgt.

Ihr wisst, was er ein wenig später in dem Brief über die Dinge sagt, die für ihn einen Gewinn bedeuteten. «Ich war dies, und jenes, und noch etwas anderes. Ich hatte dies und ich hatte jenes, und ich befand mich in der und der Stellung. Doch all diese Dinge, die für mich einen Gewinn bedeuteten, betrachte ich heute als Verlust um Christi willen!» - «Ja, in der Tat, ich betrache alles als Verlust wegen der Vorzüglichkeit der Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, um dessentwillen ich den Verlust von allem erduldet habe, und ich halte sie (jetzt) für Unrat, um Christus zu gewinnen und in ihm erfunden zu werden» (Kap. 3,4-8). Seht ihr, das Kreuz ist mit Namen, Reputation, Position, Vorteilen und allem, was persönlich war, verfahren. Dieser Mann ist zu dem ungeheuren, vorteilhaften Grund einer vollkommenen Interesselosigkeit und Selbstlosigkeit gelangt, und das ist nichts anderes als die Auswirkung des Prinzips, dass der Heilige Geist (stets) dem Weg des Kreuzes folgt.


Der Geist folgt dem Weg des Kreuzes

Das ist durch das ganze Wort hindurch so. Das Kreuz führt auf den Weg des Geistes: der Geist folgt dem Weg des Kreuzes. Wir singen:

«Erweitere unsrer Seele Kapazität,
schneide tiefere Rinnen, Herr,
mach Platz für neue Segensfluten,
gemäß deinem Wort».

«Schneide tiefere Rinnen» - das Kreuz schneidet einen Weg für die Versorgung des Geistes. Hier ist die Botschaft, auch wenn wir nichts mehr sagen würden. Paulus war ein Mensch, der seinem Ich gegenüber gekreuzigt war. Das Kreuz hatte dies in ihm bewirkt, und die Versorgung des Geistes Jesu Christi besorgte den Rest. O, ich kann euch nicht anpredigen! Ich kann nur zu euch sagen: «Brüder, wird nicht der Heilige Geist spontan den Kurs nehmen, den das Kreuz geöffnet hat? Wird nicht der Geist Jesu herein kommen und uns hinauf heben, selbst in unseren Leiden und in unserem Kummer, wenn wir uns dieses schrecklichen, hassenswerten, widersetzlichen Eigeninteresses, Selbstmitleids, Selbstbeobachtens, Selbstverwirklichens und der eigenen Stärke entledigt haben? Ich bin sicher, dass unsere Herzen durch dieses Wort geschlagen sein müssen, wenn es zutrifft. Wenn wir, ihr und ich - und das ist die Summe des ganzen Briefes - durch die Gnade Gottes wirklich an den Punkt kommen können, wo das Kreuz so in uns gewirkt hat, dass wir von allem Eigeninteresse befreit worden sind, sowohl auf seiner schwachen wie auf seiner starken Seite, wird der Geist Jesu Christi in der Zeit der Gegnerschaft in unserem Fall einen solchen Unterschied machen, der die Mitternacht zum Mittag, die Finsternis zu Licht machen und bewirken wird, dass wir in einem Verlies singen. Zumindest lohnt es sich, darüber nachzudenken! Im Falle von Paulus hatte das Kreuz alles in eine Angelegenheit Christi verwandelt.

Nun, vielleicht sind einige von euch weiter gekommen als ich, aber selbst da lauert irgendwo in unserem Kopf diese Frage: «Ja, aber jene, die bis zum äußersten für den Herrn sind, die das letzte für den Herrn tun und weitesten für ihn gehen, sind sehr oft gerade diejenigen, die am meisten Grund haben, zu fragen, ob der Herr wirklich auf ihrer Seite ist». Und doch, wenn diese Frage auftaucht - und ich muss das nochmals betonen - ereignet sich eine ungeheure Befreiung vom Stachel dieser Art, wenn ihr wisst, und wenn der Herr weiß, dass es euch um nichts anderes geht als um seine Herrlichkeit. Ich glaube, der Stachel der Entmutigung, der Enttäuschung, der Verzweiflung und des Zweifels findet sich oft gerade am Schwanz eines Eigeninteresses, was zur Enttäuschung, zu persönlicher Enttäuschung wie auch zur Enttäuschung für den Herrn führt. Nun, was ich hier im Falle von Paulus sehe, ist dies, dass er mit der Vernichtung des Eigen-Elementes er zu einer Position gelangte, die sehr stark war. Diese Position - «für mich ist das Leben Christus» - war in seinem Falle eine sehr starke Position in der Stunde tiefster Schwierigkeit und Trübsal. «Ich WEIß, dass mir dies zur Rettung ausschlagen wird (1,19)». «Ich will aber, Brüder, dass ihr erkennt, wie das, was mit mir geschehen ist, sich vielmehr zur Förderung des Evangeliums ausgewirkt hat». Das ist eine starke Position!


Eine starke Position

Worin besteht diese Stärke? Es ist dies: Die Souveränität Gottes steckt dahinter. Wenn wir, ihr und ich, an den Punkt kommen können, wo dies in unserem Falle zutrifft - «für mich ist das Leben Christus» - wo der Herr selbst weiß, dass es wahr ist und nicht bloß etwas von uns Dahergesagtes, dann glaube ich, handelt es sich um eine Position, hinter der die Souveränität Gottes steht. Betrachtet sie nochmals in Philippi! Sie waren für den Herrn dort, und nur für den Herrn, ohne irgendwelche andere Interessen als diejenigen des Herrn. Die Situation, die sich da ergab, war eine sehr schwierige und verworrene, scheinbar voller Widersprüche, doch seht die Souveränität Gottes dahinter!

Wie strategisch war sie doch, um gleich damit zu beginnen, indem sie eine offene Tür für Europa bedeutete! Und was für eine Gemeinde entstand!

«Ich danke meinem Gott, so oft ich an euch gedenke, indem ich allezeit in jedem meiner Gebete für euch alle mit Freuden Fürbitte tue, wegen eurer Gemeinschaft am Evangelium vom ersten Tag an bis jetzt» (1,3-5).

Was für eine Gemeinde! Und was für ein souveräner Akt, gerade den Gefängniswärter und seine Familie zu den ersten Gliedern dieser Gemeinde zu machen! Wann Lydia hinzukam, weiß ich nicht. Offensichtlich war sie eine reisende Geschäftsfrau, und ihr wisst, dass dies große Möglichkeiten für das Evangelium bedeutete, denn sie verband Asien mit Europa. Das alles ist sehr strategisch und wunderbar, und Gott steckt hinter der ganzen Sache - und doch, was für Komplikationen! Wenn ihr euch gleich zu Anfang setzt und über die Situation nachdenkt, die sich unmittelbar erhob, dann müsst ihr sagen: «Nun, das ist eine Katastrophe! Das Ganze ist ein Fehler. Diesmal habt ihr Mist gebaut!» Und schon gebt ihr auf und verliert euer Vertrauen auf Gott. Nun, Satan wusste es besser als nur so: Und doch fielen diese Männer, die keinerlei persönliches Interesse hatten, nicht unter die Verzweiflung. Sie bewiesen die Souveränität Gottes. Und Jahre später, in einem anderen Gefängnis in Rom, schrieb Paulus diesen Brief und sprach von derselben Sache - dass die Souveränität hinter einem gekreuzigten Leben steckt: «Ich will aber, Brüder, dass ihr erkennt, wie das, was mit mir geschehen ist, sich vielmehr zur Förderung des Evangeliums ausgeschlagen hat» (1,12). «Ich weiß, dass dies zu meiner Errettung ausschlagen wird». Die Souveränität Gottes! Es ist in der Tat eine starke Position, doch wir können uns der Souveränität nicht sicher sein, solange wir nicht wirklich gekreuzigt sind. Wo auch nur ein wenig von der Souveränität des Ich und des Selbst vorhanden ist, ist die Souveränität Gottes beiseite gesetzt worden.

Eine emanzipierte Position

Und dann war es auch eine sehr emanzipierte Position. Wie ungebunden war Paulus von menschlichen Urteilen! Es machte ihm überhaupt nichts aus, was die Leute sagten oder taten. Er war die ganze Zeit ein freier Mann, ob er nun im Gefängnis saß oder draußen war. Warum? Einfach deshalb: Wenn wir, ihr und ich, wissen, dass wir nicht für irgend etwas anderes hier sind, dass unsere Herzen wirklich für den Herrn und nur für ihn schlagen, dann ist es eine wunderbare, vorweggenommene Position, in der wir uns befinden. Was macht es schon? Sollen doch diese Leute auf eine Weise predigen, mit der sie uns zu schaden gedenken, mögen sie gegen uns predigen und sogar das Evangelium als eine Waffe gegen uns verwenden! Was macht das schon aus? Wir sind emanzipiert; wir stehen darüber! Alle sind emanzipiert, die vom Ich befreit worden sind. Wenn wir wissen, dass es keine Frage hinsichtlich unseres Äußersten für den Herrn gibt, machen wir uns keine Sorgen über das, was Menschen sagen oder tun.

Eine freudige Position

Und auch dies sehe ich, was für eine freudige Position dies war, und ich sage: «Ich sehe sie». Ich sage euch nicht, dass ich sie auch habe, aber ich sehe sie. Jemand hat gesagt, man könne den Philipperbrief mit einem sehr kurzen Satz zusammenfassen. Und der lautet so: «Ich freue mich! Freut auch ihr euch!» Und das ist der ganze Brief - «Ich freue mich, und auch ihr freut euch». Er ist durchwegs voller Freude - voller Freude am Herrn. Und was ist des Geheimnis der Freude? Wenn ihr mich fragt, welches das Geheimnis des Elends sei, dann kann ich euch sehr schnell antworten: «dass ihr mit euch selbst beschäftigt seid». Das Geheimnis der Freude besteht darin, dass wir uns mit dem Herrn beschäftigen.

Möge uns der Herr in das Geheimnis von Paulus einführen: zum Beistand des Geistes Jesu Christi durch das Kreuz!

In Übereinstimmung mit dem Wunsch von T. Austin-Sparks, dass das, was er frei erhalten hat, weitergegeben und nicht gewinnbringend verkauft werden sollte und dass seine Botschaften Wort für Wort reproduziert werden, bitten wir Sie, diese Botschaften mit anderen zu teilen und frei anzubieten, um seine Wünsche zu respektieren - frei von jeglichen Änderungen, kostenlos (außer notwendigen Vertriebskosten) und mit dieser Erklärung inklusive.