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Geistliche Reife

von T. Austin-Sparks

Kapitel 5 - Christus im Innern Gestalt annehmend

Schriftlesung: Galater 3

«... um die ich noch einmal Geburtswehen leide, bis Christus in euch Gestalt gewinnt» (Galater 4,19).


Der Widerstand dem göttlichen Vorsatz gegenüber

Indem wir mit unserer Betrachtung bezüglich des geistlichen Wachstums, des geistlichen vollen Mannesalters weiterfahren und, wie wir uns bemüht haben, den großen und wichtigen Platz erkennen, den diese Angelegenheit im Wort Gottes einnimmt und als wie bedeutsam sie der Herr offensichtlich betrachtet, so gibt es nun aber auch noch die andere Seite dieser Tatsache, die uns beeindrucken muss, nämlich die Art und Weise, wie diese Sache des geistlichen Wachstums Widerstand hervorruft. Sobald ihr anfangt, davon zu reden, befindet ihr euch in Gegenwart von etwas, das dagegen aufsteht. Es wird uns nie in einem passiven Zustand präsentiert. Es ist stets von aktiven opponierenden Elementen und Mächten umgeben. Ihr könnt feststellen, dass die Ermahnung, die Ermutigung, die Zurechtweisung von höchst positivem Charakter ist und sich stets gegen etwas Bestimmtes richtet. Wo immer Gott in der Vergangenheit sich in Richtung geistlichen Wachstums bewegt hat, war stets auch eine Gegenbewegung präsent, irgend ein widersetzliches Element. Ihr könnt es durch das ganze Wort Gottes hindurch wieder und wieder feststellen.

Als der Herr Israel aus der Knechtschaft und Begrenzung Ägyptens herausholen wollte, entstand sogleich ein bitterer Konflikt. Als Israel schließlich ins Land hinein gelangte, war sogleich ein Achan da, um die ganze Bewegung aufzuhalten und die Entwicklung zur Fülle zum Stillstand zu bringen, von der das Land redete, und für den Augenblick geschah das auch sehr wirksam. Ihr könnt das also anhand einer großen Anzahl von Vorfällen im Alten Testament beobachten.

Als Gott seinen Sohn in die Welt einführte, was eine große Bewegung in Richtung geistlicher Fülle bedeutete, war da gleich am Anfang ein Herodes, und dann die Juden mit ihrem Vorurteil. Lasst uns gleich zu Anfang die Tatsache zur Kenntnis nehmen, dass Vorurteile sich stets geistlichem Fortschritt entgegenstellen. Vorurteile geben Gott nie eine Chance. Es ist eine verschlossene Tür. Wenn etwas mehr als alles andere die Juden in den Tagen, da er, der Gottes Fülle unter den Menschen war, kennzeichnete, waren es Vorurteile, und sie waren es, die sie einschränkten, und sie des vollen Vorsatzes Gottes beraubte.

Als der Tag von Pfingsten voll eingetroffen war und eine mächtige Bewegung in Richtung der Fülle Gottes gemacht wurde - das, was der Apostel später die «Fülle dessen, der alles in allen erfüllt» nannte - und als die Gemeinde kaum ihren Lauf begonnen hatte, findet ihr ein passendes Instrument für das aufhaltende Werk des Feindes in Ananias und Saphira. Dann geht ihr weiter zu dem großen Apostel Paulus, und überall hafteten ihm die Judaisierer an den Fersen.

So verhält es sich, dass jede Bewegung Gottes sofort auf eine Gegenbewegung stößt. Jeder Schritt in Richtung geistlicher Ausweitung findet etwas von der anderen Seite vor, das es auf die Probe stellt, das es aufhält, das es verhindern will.


Die Briefe von Paulus

So bringen diese Briefe von Paulus eine große Anzahl von Dingen ins Blickfeld, die Satan hervorgebracht hat, und zwar weitgehend durch das Fleisch, als Gegenbewegung zu Gottes Ziel - das volle Mannesalter. Wie wir gesehen haben, war dies in Korinth Fleischlichkeit, und ebenso waren es, sowohl in Korinth, wie es in den frühen Kapiteln des zweiten Korintherbriefes sehr klar zum Ausdruck kommt, aber auch unter den Galatern, die Judaisierer. Sie benutzten einen sehr unwürdigen Weg, um sich ans Werk zu machen. Einer der großen Schläge gegen das, was Gott sich zu vollbringen bemühte, was er durch seinen Knecht Paulus auch tat, war ihr Angriff auf seine Person; d.h. ihr Angriff auf ihn als das Gefäß, das von Gott gebraucht wurde, ein Angriff, der derer unwürdig war, die bekannten, die Interessen des Herrn zu verfolgen.

So ist es immer. Wenn Gott sich aufmacht und ein Gefäß aufgreift für das Wachstum Christi in seinem Volk, für eine geistliche Erweiterung, dann zettelt Satan einen Angriff auf dieses Gefäß an und versucht, den Vorsatz zu vereiteln, indem er irgendwie Vorurteile weckt gegen diesen Vorsatz in dem Gefäß. Er wird die Dinge falsch darstellen, er wird lügen - o, er wird jede mögliche Bewegung benutzen, um das Werkzeug zu diskreditieren, so dass das göttliche Ziel in Verruf gerät und zum Stillstand gebracht wird.

Nun, hier ist ein Brief (der Galaterbrief) voller schrecklicher Konflikte. Martin Luther war, was immer er sonst sein mochte, vor allem ein Kämpfer, und er sagte, er habe sich mit diesem Brief verlobt. Aber was sagte Luther noch diesbezüglich? Vorher lebte ich in Stille und Zufriedenheit, in Ruhe und Wohlgesonnenheit, aber seither habe ich mich mit einem festen Block von Feinden umgeben!» Das ist bedeutsam hinsichtlich dessen, wofür dieser Brief steht. Wollte Gott, Martin Luther hätte alles gesehen, wofür dieser Brief steht, statt bloß seine Anfänge. Wie auch immer, wir befinden uns hier in der Gegenwart eines Konfliktes, und der Punkt, den wir erkennen sollten, ist der, dass, sobald Gott eine Bewegung in Richtung der Erweiterung des Maßes Christi in den Heiligen unternimmt, diese Bewegung den ganzen Antagonismus der Hölle auf sich zieht, und das Werkzeug, das vom Herrn zu diesem Zweck gebraucht wird, wird unter die massiven Angriffe des Feindes geraten, und diese sind heftig und boshaft. Er wird vor nichts zurückschrecken beim Versuch, dieses Gefäß unwirksam zu machen, es zu lähmen, so dass es seine göttliche Mission nicht erfüllen kann. Ich nehme den Apostel Paulus stets als persönlichen Repräsentanten der Wahrheit, die ihm anvertraut wurde, als ein Gefäß, in dem alles, was mit dieser Wahrheit zusammenhängt, in seiner eigenen Geschichte ausgeführt wird; und in diesem Punkt ist es, wie in so vielen andern, offensichtlich, dass Paulus als ein besonderes Werkzeug in Bezug auf den vollen, ewigen Vorsatz Gottes hinsichtlich der Gemeinde erweckt wurde, und es gab keinen anderen Mann in dieser Heilszeit, der sich so sehr der ganzen Macht der Hölle gegenübersah bei deren Versuch, zu lähmen und zu töten, wie dieser Mann. Er steht da um uns mit seiner eigenen Geschichte und in seiner Person, zu zeigen, was uns erwartet, wenn wir Gottes vollem Vorsatz verbunden sind.

Dies sollte, wenn man es von einem Standpunkt aus betrachtet, erleuchtend und ermutigend sein. Die Gefahr, der wir uns so leicht aussetzen, wenn sich ein gewaltiger Geistlicher Widerstand aufbaut und wir Leiden unterworfen werden, und wenn wir intensiv zu leiden haben, ist die, dass wir das Leiden als etwas für sich betrachten, dass wir versuchen, es natürlichen Ursachen zuzuschreiben, das Gefühl zu haben, es sei ein Detail im Verlauf unseres Lebens, das uns eben so zustößt. Wir denken, wir seien einfach Leidende, dabei merken wir nicht, dass, wie immer die Sache aussehen mag, es definitiv und direkt mit dem Vorsatz in Beziehung steht, mit dem wir uns beschäftigen.

Es ist möglich, dass ihr hier nicht folgen könnt, weil ihr diese Erfahrung nicht durchmacht, doch werden es andere verstehen. Glaubt mir, wenn ihr euch mit Gottes vollem Vorsatz verlobt habt, wenn ihr mit Gottes vollem Gedanken für sein Volk verheiratet seid - für euch und für andere, insbesondere aber für die Gemeinde - dann werdet ihr auf jede nur vorstellbare Weise dem teuflischen Versuch begegnen, dies zu verhindern; euch selbst zu behindern, und euren Dienst zu verhindern. Ihr werdet ihm physisch begegnen, ihr werdet ihm in eurer Seele begegnen, und ihr werdet ihm auch geistlich begegnen. Ihr werdet ihm in eurem Innern begegnen, und ihr werdet ihm außerhalb von euch selbst begegnen. Ihr werdet euch in einem Kampf wiederfinden. Und was auf den Einzelnen zutrifft, wird auch auf jedwede Gemeinschaft zutreffen, die in Beziehung zu Gott für diesen Vorsatz einsteht.

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Die Form des Angriffs unter den Galatern

So befinden wir uns genau in der Atmosphäre, sobald wir diesen Brief an die Galater aufschlagen. Paulus verschwendet da keine Zeit. Er verwendet sehr wenige nette Worte. Er stellt sich vor, und diese Vorstellung ist gleich eine Attacke. Er eröffnet den Kampf schon mit seinem ersten Satz: «Paulus, ein Apostel (nicht von Menschen, auch nicht durch einen Menschen...)» Das ist ein Angriff. Der Kampf ist eröffnet. Judaisierer waren am Werk, und sie haben die Galater überzeugt, dass Paulus gar kein echter Apostel war, sondern dass er sich bloß aufspielt; er war keiner der Zwölf, sondern hat sich selber zum Apostel erklärt. «Paulus, ein Apostel (nicht von Menschen, auch nicht durch einen Menschen, sondern durch Jesus Christus, und Gott, den Vater, der ihn von den Toten auferweckt hat». Seht ihr, das bedeutet, die Herausforderung anzunehmen. Wie dringt es doch durch bis ins Herz der Dinge! Es ergreift das Schwert des Feindes und dreht es um, so dass dieser selbst durchbohrt wird. Die Judaisierer sagen, ich sei kein von Jerusalem anerkannter Apostel; ich sei nicht im Hauptquartier ordiniert worden; ich sei keiner der authentischen Zwölf; ich hätte meine Beglaubigungsurkunden nicht von den führenden Kirchenleuten erhalten, also von denen, die «Säulen» genannt werden. Dem stimme ich zu! Doch setze ich meine Apostelschaft höher an; ich erhielt sie durch Jesus Christus, und Gott, den Vater...». Was könnt ihr dazu sagen? Wie wollt ihr damit fertig werden?

Nun, soviel, um euch zu zeigen, dass ihr euch in der Gegenwart eines Konfliktes befindet, und um die Tatsache festzustellen, dass, wo Gott bestrebt ist, die Gestaltwerdung seines Sohnes in der Gemeinde zustande zu bringen, Satan stets aktiv ist, um dieses Ziel mit jedem nur möglichen Mittel zu vereiteln. Denkt stets daran. Der Herr helfe uns, dies zu tun. Wenn wir uns stets daran erinnern, wird dies zu unserem Heil dienen.

Was die Judaisierer zu tun versuchten, ist möglicherweise etwas, das wir uns im Detail ansehen müssen. Hätten sie sich durchsetzen können, dann wäre dies der Effekt und das Ergebnis gewesen, nämlich, dass die Galater wieder zu der religiösen Formalität zurückgekehrt wären und sich darin eingerichtet und festgelegt hätten, im Zeremoniellen und Rituellen, in der religiösen Tradition und den äußerlichen religiösen Werken, und dies auf Kosten erstens des Lebens, und letztlich des ewigen Vorsatzes Gottes. Der Apostel nimmt den Kampf um das Leben auf in diesem Brief, und er macht ihn zu einer Frage des Lebens.

Wir können deutlich erkennen, dass die Methode des Feindes nicht nur auf die Galater beschränkt blieb, denn es verlief schon vor ihrer Zeit so, und so geht es immer noch weiter: Formalismus, religiöse Formalitäten, Zeremonien, Rituale, religiöse Traditionen, viele äußerliche Werke im Namen Gottes, all das anstelle zunächst des geistlichen Lebens, aber dann letztlich auch anstelle der vollen Absicht Gottes für sein Volk. Das ist sehr wahr. Natürlich weiß der Feind stets, wo er einen vorspringenden Punkt findet, wo er eine vorteilhafte Ausgangsposition hat. Diese Galater waren vorwiegend Heiden, und sie sind aus dem Heidentum hervorgekommen, und in ihren heidnischen System gab es natürlich eine Menge viele Rituale und Zeremonien, viele religiöse Vorschriften. Da waren all die Verrichtungen und äußeren Aktivitäten, welche die Anbetungsform ihrer Götter darstellten, und für den natürlichen Menschen, den Menschen der Seele, sind diese dinge unentbehrlich. Er braucht etwas, das er berühren kann, er braucht Hilfen in der Religion; er muss etwas hören, etwas sehen, etwas tun, etwas handhaben können. All diese Begleiterscheinungen der Religion sind für sie wesentlich, und seine Religion wäre eine armselige, karge Sache, wenn ihr diese Dinge wegnehmen würdet. Beseitigt das Künstlerische, beseitigt das Ästhetische, beseitigt alle Äußerlichkeiten, die eure Sinne ansprechen, und all die Mittel, die unser Empfindungsleben zum Ausdruck bringen, und was ist die Religion dann noch? Dieses reine, geistliche Leben des Glaubens ohne irgend etwas davon ist für die Seele uninteressant, und es ist etwas sehr Vages. Ja, was für eine unreale Sache ist das! Diese Galater waren aus all diesen anderen Dingen ausgestiegen und hatten sich dem Herrn zugewendet. Dann waren die Judaisierer daher gekommen mit ihrer jüdischen Ordnung, und sagten: «Wenn ihr euch nicht beschneiden lasst, könnt ihr nicht gerettet werden, und was ihr nötig habt, ist, dass ihr zu jüdischen Satzungen zurückkehrt!» Wenn ihr geistlich in einem Zustand der Ebbe seid, seid ihr nicht gut imstande, einer solchen Versuchung zu widerstehen, vor allem, wenn plausible Argumente und starker Druck angewandt werden, und wenn über das Werkzeug hergefallen wird, das für euch gebraucht wurde, und wenn alle seine Mängel und Schwachheiten aufgezeigt werden, und wenn gezeigt wird, wie der Betreffende sich für etwas ausgibt, das im Gegensatz steht zur akzeptierten Position in Jerusalem. Diese Führer in Jerusalem hatten Jesus Christus persönlich im Fleisch gekannt; sie waren mit ihm zusammen, und doch stimmten sie dieser Sache nicht zu, sie glaubten noch immer an diese jüdischen Satzungen. «So könnt ihr sehen, dass Paulus völlig falsch liegt; er steht allein da, niemand stimmt mit ihm überein», bedrängten sie sie.

Es war alles so schlau, und so hatte Satan seinen Ansatzpunkt bei ihnen gefunden in Bezug auf ihre alte Lebensweise, und er wirkte auf ihr ungekreuzigtes Seelenleben ein, so dass sie verzaubert wurden. «O, ihr törichten Galater, wer hat euch verzaubert?» Wie wir aufgezeigt haben, lauten die ursprünglichen Worte so: «Wer hat über euch einen Zauberspruch gelegt?» Ein Zauberspruch ist ein angenehmes Gefühl, bis ihr aufwacht. Gewöhnlich wird jemand mit einem Zauberspruch belegt, um ihm etwas zu rauben, und genau das ist im vor uns liegenden Fall geschehen.


Die geistliche Wahrnehmung Christi



Lasst uns also den Punkt erkennen, nämlich, dass wir in Christus aus dieser ganzen Sache herausgerufen worden sind. Es ist irdisch, es stammt von Menschen, es ist Tradition, ein religiöses System von Ritualen und Satzungen, von Tagen, Zeiten und Abschnitten. Wir sind aus dem all dem herausgerufen worden in ein himmlisches Leben in Jesus Christus durch Glauben. Wenn ihr da wirklich durchkommt, habt ihr nie wieder irgendwelche Lust nach diesen andern Dingen, ihr seid es für immer leid. Aber das ist gerade der Punkt von Galater 4,19: «Meine Kinder, um die ich noch einmal Geburtswehen leide, bis Christus in euch Gestalt gewinnt». Paulus sagte an dieser Stelle nicht, er leide Geburtswehen in Bezug auf jenes Ziel, da Christus im Vorsatz Gottes in ihnen endgültig Gestalt gewonnen haben wird. Natürlich steht aus auch damit in Zusammenhang, letztlich hat es auch damit zu tun, aber es ist nicht das, was er hier meint; es geht ihm nicht um die vollständige Gleichförmigkeit mit dem Bild Christi, nicht um diese vollständige Entwicklung Christi in ihnen. Was er hier sagt, ist folgendes: «Ich leide Geburtswehen, bis Christus in euch eine konkrete Gestalt annimmt». Es ist der Unterschied zwischen dem Embryo und dem voll ausgestalteten Kind. Er sagte, er leide Qualen diesbezüglich. Das Problem bei ihnen war, dass sie Christus noch nicht deutlich gesehen haben, dass sie Christus noch nicht klar genug wahrgenommen haben; Christus war nicht deutlich genug in ihnen definiert. Etwas war geschehen. Sie waren von oben geboren worden, sie hatten den Geist empfangen, durch Glauben hatten sie sich dem Herrn Jesus zugewandt, aber es war offensichtlich, dass sie die Bedeutung Christi noch nicht erfasst hatten. Paulus sagte: «Ich fürchte, dass ich vergeblich an euch gearbeitet habe». Was ist vergebliche Arbeit? O, ihr Lieben, in Bezug auf den Vorsatz Gottes, in Bezug auf den vollen Gedanken Gottes, ist es noch längst nicht genug, dass wir bloß an den Herrn Jesus glauben; es ist entscheidend, dass wir sehen, wer und was Jesus ist, und was er bedeutet.

Wenn ihr einen Beweis wollt, dass dies hier der Punkt ist zwischen Paulus und den Galatern, dann merkt euch dies, dass der persönliche Name des Herrn Jesus Christus in diesem sehr kurzen Brief 43 Mal vorkommt. Es ist nicht der beschreibende Titel, wie so oft anderswo. Es ist der persönliche Name, der Mann Christus Jesus 38 von den 43 in diesem Brief. Warum? Warum sollte er eine solch große Zahl von Bezugnahmen auf ihn in diesem Brief bringen? Nun, es ist offensichtlich. Hört seinen Ausruf in diesem Zusammenhang: «...denen Jesus Christus als unter euch gekreuzigt vor Augen gemalt worden ist» (Gal. 3,1), öffentlich plakatiert, und ihr habt ihn nicht gesehen! Viermal wird in diesem Brief auf das Kreuz Bezug genommen im Zusammenhang mit den größten Dingen, mit denen wir es zu tun haben. Wir wollen uns jetzt nicht dabei aufhalten, aber diese vier Aussagen über das Kreuz des Herrn Jesus in diesem Brief sind das Größte, was über das Kreuz überhaupt ausgesagt werden kann, und sie alle beziehen sich auf das Ende des persönliche Ego: «Ich wurde gekreuzigt...» - die allumfassende Tatsache; dann, durch dasselbe Mittel, die Lostrennung vom Gesetz - «Ich ... bin dem Gesetz gestorben»; Lostrennung auch vom Fleisch - «Die, die in Christus Jesus sind, haben das Fleisch gekreuzigt mit seinen Lüsten und Begierden»; Lostrennung schließlich auch von der Welt - «von mir aber sei es ferne, mich zu rühmen, als nur des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus, durch das mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt». «Denen Jesus Christus als gekreuzigt vor Augen gemalt worden ist», ihr habt noch nicht gesehen, was es bedeutet.

Hättet ihr nur geglaubt (Galater, und alle andern), wärt ihr ein für allemal von den religiösen Systemen, irdischen Ordnungen, Riten, Zeremonien, Traditionen und all diesen Dingen befreit worden, und ihr befändet euch in himmlischen Regionen; denn Christus gekreuzigt bedeutet genau das. Christus wahrzunehmen bedeutet eine absolute Emanzipation aus allem heraus hier, selbst in religiöser Hinsicht. Es ist dies, was die ganze Frage nach Reife und Unreife darstellt. Ihr fragt: Worin bestand die Unreife unter den Galatern? Es war dies, dass sie, unter überzeugenden Argumenten und entsprechendem Einfluss so leicht und so schnell bereit waren, in eine irdische religiöse Ordnung zurückzufallen, die doch das Kreuz Christi beendet hatte, die das Kreuz Christi zu einem Ende gebracht hatte. O ja, das Gesetz Moses, seine ganze Ordnung und sein Ritual endete am Kreuz des Herrn Jesus. Es diente einem bestimmten Zweck, aber fand seine Erfüllung in Christus, und der gekreuzigte Christus markierte sein Ende. Im auferstandenen Christus wurde alles, worauf es hinwies, auf eine geistliche Weise in den Himmel aufgenommen, und nun sind wir mit Christus im Himmel verbunden. Er erfüllt alle Werte dieser Dinge für uns. Er ist unser Hoherpriester, unser Opfer, unser kostbares Blut, unser Begegnungsort, unsere Gerechtigkeit, unsere Annäherung, unser Zugang zu Gott, unsere Annahme. Alles, was in den Typen und Figuren vorausgeschattet war, ist in ihm auferweckt und erhöht hinaufgetragen worden, und wir haben all dies in Form geistlicher Werte. Ja, ihr sagt natürlich: Aber das alles ist so weit weg, es ist unwirklich; wir möchten etwas haben, das wir betasten, sehen und hören können. Ah, genau das ist Unreife, das ist geistliche Kindheit. Kinder möchten immer etwas (und dies mit Recht! ), was sie sehen und hören können. Doch der Apostel taucht die Galater in einen Ort ein, wo all diese kindischen Dinge zu Ende gekommen sind. Er sagt: «Ihr müsst von Anfang an mit der Sohnschaft beginnen». Es ist bemerkenswert, wie weit fortgeschritten er in seinem Gesichtspunkt in diesem Brief ist.

Während die Einsetzung zu Söhnen noch in der Zukunft liegt, während das Erbe noch dort bereit liegt, sagt der Apostel, seien wir alle Söhne Gottes durch Glauben an Christus Jesus, und es wird von uns erwartet, dass wir jetzt gemäß dem Sohnschaftsprinzip zu leben beginnen. Wir wollen keine Spielzeuge, mit denen wir hier auf Erden spielen können, Bilderbücher zum Anschauen, Unterrichtsgegenstände, sondern, wir sind im Geist zu einer unmittelbaren Wahrnehmung von Jesus Christus gelangt, zu einer lebendigen Gemeinschaft mit ihm, so dass all diese Dinge vergangen sind. Das Kreuz des Herrn Jesus wird in diesem Brief nicht bloß in Beziehung zu dem dargestellt, was wir grobe Sünde nennen würden, sondern es wird aller Religion im Fleisch gegenüber gestellt, und wenn Paulus sagt: «Ich bin mit Christus gekreuzigt worden; und nun lebe ich, doch nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir», fügt er ferner hinzu: «und das Leben, das ich nun im Fleisch lebe, lebe ich im Glauben, im Glauben an den Sohn Gottes...». Ihr beachtet den Kontext. Es ist der Unterschied zwischen einem Leben im Gesetz und einem Leben im auferstandenen Christus; nicht der Unterschied zwischen dem religiösen Leben der Juden als solchen und dem religiösen Menschen als solchem. Das alles ist ein und dasselbe, und das Kreuz schneidet das weg, und das «Ich», das in all dem ist, wird an sein Ende gebracht. Nun lebe ich, sagt er, «doch nicht mehr Ich lebe, sondern Christus... und das Leben, das ich nun lebe, lebe ich im Glauben, im Glauben an den Sohn Gottes...». Es ist eine bestimmte Art von Leben. Das Kreuz bringt diese Art von Leben hervor, nämlich das Leben des Sohnes Gottes, von uns durch Glauben ausgelebt. Wir müssen das für eine weitere Betrachtung aufsparen. Wir wollen uns mit den offensichtlicheren Punkten in diesem Brief beschäftigen.

Die Gestaltwerdung Christi im Innern,
eine Frage höchster Bedeutung

Ich denke, wir können es uns leisten, uns noch eine Weile bei jene Worten in Kapitel 4,19 aufzuhalten: «Meine Kinder, um die ich noch einmal Geburtswehen leide, bis Christus in euch Gestalt gewinnt».

Es ist der ängstliche Schrei, Christen möchten an einen Punkt gelangen, wo sie fest werden - «Christus in euch Gestalt gewinnt». Es ist der Punkt, an dem eine Entscheidung bezüglich des Herrn Jesus gefallen ist. Es ist eine abgeschlossene Sache. Sie haben den Herrn Jesus GESEHEN, und die Sache ist erledigt. Ihr könnt sie nicht mehr bewegen; mit andern Worten, sie haben die Wurzel der Sache in sich selbst. Christus hat in ihnen Gestalt angenommen.

Nun, wenn Paulus in dieser Hinsicht Todesqualen leidet, stöhnt, Geburtswehen durchmacht, wie wichtig ist es, und was für ernsthafte Konsequenzen müssen sich aus dem galatischen Zustand ergeben. Die schreiende Notwendigkeit unter dem Volk Gottes ist die, dass sie zu einer festen und abgeschlossenen Position gelangen, indem sie in Bezug auf die Bedeutung Christi zu einer klaren und entschiedenen Gewissheit gekommen sind; dass sie feststehen und gegründet sind und sich nicht leicht wegbewegen lassen, dass sie sich nicht so leicht verzaubern lassen. Sie kennen den Herrn, und ihr könnt sie nicht bewegen. Ihr braucht Leute wie sie nicht mehr zu stillen. Ihr braucht sie nicht mehr ständig aufzulesen und auf ihre Füße zu stellen. Ihr benötigt keine Krücken mehr für sie. Ihr könnt mit ihnen rechnen. Ihr wisst, dass sie die grundlegende Kenntnis des Herrn haben, so dass sie nicht so leicht wegbewegt werden können, so dass sie gerade aus gehen können. Sie sehen, was das bedeutet; sie haben die Bedeutung von Jesus Christus begriffen, und ihr könnt im Blick auf das Weiterkommen mit ihnen rechnen. Ihr werdet mir beipflichten, dass dies im Blick auf Gottes Ziel ein sehr notwendiger Zustand ist, nämlich das volle Mannesalter; einen anfänglichen und grundlegenden Begriff von der Bedeutung Christi zu besitzen, und in Bezug auf ihn festgelegt zu sein. Weil genau das fehlt, darum gibt es so viel geistliche Armut und Begrenzung, so viel Schwachheit, Fehlerhaftigkeit und Niederlagen überall. Es geht darum, den Herrn Jesus Christus zu sehen.

Das ist der Grund, warum der Apostel mit all seiner Macht seine eigene persönliche Situation als Modellfall benutzt. Er eröffnet den Brief und nimmt sogleich den Kampf auf. Er erklärt, dass seine Apostelschaft vom Himmel stamme, und nicht von Menschen. Dann fährt er mit seinem eigenen Fall fort, und es geht nicht lange, bis er sagt: «Es hat Gott, der mich von meiner Mutter Leibe ausgesondert und durch seine Gnade berufen hat, wohlgefallen, seinen Sohn in mir zu offenbaren». Als dies geschah, sagt er im Grunde: «Ich ging nicht hinauf nach Jerusalem, um mich mit Fleisch und Blut zu beraten; ich hatte die Wurzel der Sache in mir selbst durch einen direkten Akt des Heiligen Geistes».

Alles geschieht durch den Geist

Geht diesen Brief nochmals durch und zählt, wie oft der Geist erwähnt wird. Ihr werdet feststellen, dass es überall der Geist ist, und dass es dieses inwendige Werk des Heiligen Geistes im Herzen ist, das den Gläubigen den Herrn Jesus sehen lässt. Ich rede nicht davon, dass jemand eine Gestalt sieht, ein Person als solche; ich rede davon, dass jemand die Bedeutung des Sohnes Gottes sieht, die Bedeutung des Menschen Christus Jesus, wie er in seiner Person alles zusammenfasst, was je gewesen ist, oder je sein wird, und wie er zur Verkörperung aller Gedanken, Absichten Gottes wird, und zum Quell aller Ressourcen in Bezug auf diesen Vorsatz Gottes: und das wird er für ihn (Paulus). Paulus benötigt keine jüdischen Altäre, keine jüdischen Priester, kein jüdisches Blutvergießen und keine Opfer, keinen jüdischen Tempel und auch keine Stiftshütte. Jesus Christus ist für ihn all das und noch unendlich viel mehr. Paulus lebt nicht durch diese Dinge, Jesus Christus ist sein Leben. Er braucht keine Führung von diesen Dingen, Jesus Christus ist seine Führung. Es ist das, was der Herr Jesus für ihn ist, das die Totalsumme von allem ausmacht.

Wenn ihr das habt, dann seid ihr draußen, dann seid ihr frei. Oh, dann muss euch niemand mehr sagen: Tu dieses, und tu jenes nicht. Das ist das Gesetz. Ihr seid draußen, ihr seid frei, ihr habt kein Leben mehr darin; ihr habt Ruhe, Freiheit, Kraft und Frieden in Christus, in Verbindung mit ihm, in Gemeinschaft mit Gott in ihm. Denkt an den schrecklichen Fall, der dies auf Seiten der Galater war. Paulus appelliert an sie: Oh, ihr, die ihr im Geist begonnen habt, glaubt ihr plötzlich, ihr könntet im Fleisch vollendet werden? Ihr die ihr durch den Heiligen Geist auf den Weg von all dem gebracht worden seid, glaubt ihr nun, ihr könntet Gottes vollständiges Ziel erreichen, oder vollkommen werden, indem ihr zu fleischlichen religiösen Aktivitäten Zuflucht nehmt? Das ist undenkbar! Kein Wunder findet ihr Paulus erstaunt, perplex, verwirrt und sehr zornig, dass jemand das Kreuz Christi derart gering machen konnte, das Leben des Geistes so beiseite schieben konnte. Geistliche Reife ist dies, dass der Heilige Geist die Bedeutung von CHRISTUS IN UNS geoffenbart hat und noch immer weiter offenbart, und wir aus ihm leben. Geistliche Unreife hingegen zeichnet sich dadurch aus, dass wir all diese äußeren religiösen Dinge benötigen, damit sie uns helfen, gut zu sein, und dies mit einem sehr unbefriedigenden Resultat. Könnt ihr den Punkt sehen? Lest den Brief noch einmal im Licht dieses Wortes: «Weil ihr Söhne seid, hat Gott den Geist seines Sohnes in eure Herzen gesandt, der ruft: Abba...» In den Ursprachen der Bibel, im Hebräischen und im Griechischen, benutzt ihr, wenn ihr diese besondere Klausel lest, genau dasselbe Wort, das der Herr Jesus gebrauchte, wenn er zu seinem Vater betete. Wenn er betete, sagte er nicht auf englisch: «Vater»! Er sagte: Abba! Ich sehe zwar keinen besonderen Wert darin, dass wir das betonen, aber es ist doch seltsam, dass der Heilige das bewahrt hat, und dass er uns das ursprüngliche Wort mit der Übersetzung gegeben hat, als wollte er uns in engste Berührung mit dieser Sache bringen, als wolle er uns dort im Geist gerade zum Herz des Herrn Jesus bringen.

Genauso wie Jesus Christus «Abba!» zu seinem Vater sagte, so verursacht derselbe Geist wie in Christus auch uns, dass wir dieselbe Beziehung zum Vater kennen lernen wie er sie hatte: «Weil ihr Söhne seid, hat Gott den Geist seines Sohnes in eure Herzen gesandt, der ruft: Abba!». Das ist der Ort, wo das Leben im Geist beginnt - Vater! Es geschieht durch den Geist seines Sohnes.

Ihr seht Gottes Vorsatz, Gottes Ziel, dass wir dem Bilde seines Sohnes gleichgestaltet werden sollen. Der Geist seines Sohnes ruft in uns «Vater!», und er offenbart Christus in uns. «Es gefiel Gott wohl... seinen Sohn in mir zu offenbaren». Das verlegt alles ins Innere, von Anfang bis Ende, vom Start bis zum Abschluss; sowohl der erste Schritt als auch die Fülle hängen damit zusammen. «seinen Sohn in mir zu offenbaren». Das steht im Gegensatz zu allen Äußerlichkeiten der Religion. Der Unterschied liegt zwischen Leben und Tod, zwischen Himmel und Erde, zwischen Zeit und Ewigkeit. Und so bezeichnet Paulus diese Freiheit: «die Freiheit der Söhne Gottes». «Steht daher fest in der Freiheit...».

In Übereinstimmung mit dem Wunsch von T. Austin-Sparks, dass das, was er frei erhalten hat, weitergegeben und nicht gewinnbringend verkauft werden sollte und dass seine Botschaften Wort für Wort reproduziert werden, bitten wir Sie, diese Botschaften mit anderen zu teilen und frei anzubieten, um seine Wünsche zu respektieren - frei von jeglichen Änderungen, kostenlos (außer notwendigen Vertriebskosten) und mit dieser Erklärung inklusive.