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Freundschaft mit Gott

von T. Austin-Sparks

Zuerst veröffentlicht in den Zeitschriften "A Witness and A Testimony", Mai-Jun 1971, Vol. 49-3. Originaltitel: "Friendship With God". (Übersetzt von Manfred Haller)

«Und der Herr redete mit Mose von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freund redet» (Exodus 33,11).

«Hast du, unser Gott, nicht die Bewohner dieses Landes vor deinem Volk Israel vertrieben und es den Nachkommen Abrahams, deines Freundes, gegeben für ewig?» 2. Chronik 20,7).

«Du aber, Israel, mein Knecht, Jakob, den ich erwählt habe, Nachkomme Abrahams, meines Freundes» (Jes. 41,8).

«Durch Glauben hat Abraham, als er geprüft wurde, den Isaak dargebracht, und er, der die Verheißungen empfangen hatte, brachte den einzigen Sohn dar, über den gesagt worden war: «In Isaak soll deine Nachkommenschaft genannt werden», indem er dachte, dass Gott auch aus den Toten erwecken können, von woher er ihn auch im Gleichnis empfing» (Hebr. 11,17-19).

«Und die Schrift wurde erfüllt, welche sagt: «Abraham aber glaubte Gott, und es wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet», und er wurde «Freund Gottes» genannt» (Jak. 2,23).

Es gibt viele erstaunliche Dinge in der Bibel. Es gibt jedoch wenige, die erstaunlicher sind als dies – dass Gott Verlangen nach einem Freund haben sollte.

Wir denken doch eher, dass Gott sehr wohl ohne das auskommen konnte, als dass Menschen in dieser Beziehung zu Ihm stehen würden. Ich sage dies als etwas, das mich an Gott erstaunt, dass Er, in Seiner ganzen Selbstgenügsamkeit, in Seiner Fülle, in Seiner schöpferischen Kraft, einen Freund haben möchte, und doch gibt es einen solchen - «Abraham, mein Freund» ... «der Freund Gottes».

Dies, liebe Freunde, ist die eine Sache im Sinn Gottes hinter all Seinen seltsamen Wegen. In der ganzen Bibel gab es möglicherweise keinen, der mehr Grund gehabt hätte als Abraham, zu denken, dass Gottes Wege sehr seltsam seien. Wie merkwürdig waren doch diese Wege! Und sehr selten waren sie leicht. Fest jeder, wenn nicht überhaupt jeder Schritt war mit Frustration beladen. Gott jedoch war in Seinem ganzen Umgang mit Abraham von dieser einen Idee, von diesem einen Gedanken beherrscht: einen Freund zu haben, und einen Menschen in eine solche Beziehung zu Ihm zu bringen, dass Er von ihm als von «Meinem Freund» sprechen konnte.

Natürlich wisst ihr, dass dieser Titel und diese Beziehung in besonderer Weise mit Abraham verbunden war. Es werden einige wunderbare Dinge über andere Männer tgesagt – Moses, Daniel («o vielgeliebter Mann) – doch «Mein Freund» ist ausschließlich Abrahams Titel. Um dies zu verstehen, müssen wir aufs Neue den Weg betrachten, auf dem Abraham geführt wurde und auf dem er schließlich beim Herzen Gottes angelangt ist.

Obwohl das ganze Leben von Abraham nötig ist, um die umfassende Fülle dieser großartigen Gemeinschaft zu erfassen, besteht geringer Zweifel, dass sie letztlich mit jenem Ereignis zusammenhing, das wir eben gelesen haben: Der Aufforderung, seinen Sohn Isaak zu opfern. Stellt euch nur vor, was das im Grunde bedeutete, insofern es Abraham selbst betraf. Rief Gott ihn aus Ur in Chaldäa, um alles zu verlassen, ohne ihm mehr zu verraten als dass er ihn in ein Land führen werde? Wenn wir alles wüssten, würden wir erkennen, dass dies kein kleiner Schritt war, denn es besteht jede Ursache, zu glauben, dass Abraham in Ur ein erfolgreicher und großer Mann war. Führte Gott ihn hinaus? Versprach Gott ihm einen Sohn, um dann wieder von ihm wegzugehen, ohne ihm die Erfüllung seiner Verheißung zu gewähren? Knüpfte Gott sein ganzes Leben an diese Verheißung und an diesen Sohn? Die einzige Rechtfertigung dieses Wegzuges aus jenem alten Land, in dem er alles zurück ließ, war auf diesen Sohn ausgerichtet und konzentrierte sich in ihm. Abrahams ganzes Leben, die Rechtfertigung dafür, wie er lebte und für alles in seinem Leben, hatte seinen Mittelpunkt in diesem Sohn. Alle Befehle Gottes an Abraham und alle Führungen endeten bei Isaak. War es Gott, der so berief, so führte und so verhieß? War Er es, der Isaak zum ausschließlichen Gefäß Seines göttlichen Vorsatzes machte, das Seine Verheißungen an Abraham erklärte und ihnen ihre Bedeutung verlieh, so dass Abraham keine Alternative zu Isaak hatte? Abraham versuchte zwar eine Alternative, doch stellte er (bald) fest, dass Gott nicht darin war. Er versuchte es mit Ismael, aber er merkte, dass er damit nicht durch kam. Es gab für sein Leben für Gott, für seine Erkenntnis Gottes, für seine Geschichte mit Gott nichts anderes als Isaak. Sollte Isaak nicht existieren, so wäre sein Glaube vergeblich gewesen, denn er hatte nichts anderes. Gott hätte ihn verlassen, und sein Leben wäre ein Fehlschlag gewesen.

Natürlich, wenn Isaak nicht existieren würde, oder wenn er gestorben wäre, dann hätte das einige ungeheure Auswirkungen gehabt. Die offensichtlichste Folge wäre die gewesen, dass Abraham irregeführt, getäuscht worden wäre und er eine falsche Linie verfolgt hätte; dass Gott sich über ihn lustig gemacht und ihn in eine Falle gelockt hätte. Er wäre Gott auf einem Weg gefolgt, von dem er von ganzem Herzen geglaubt hatte, dass es Gottes Weg für ihn sei, und er hätte sich rückhaltlos dem gegenüber verpflichtet gefühlt, von dem er glaubte, es sei der Weg Gottes für sein Leben. Und all das hatte Isaak zum Mittelpunkt.

Dann aber kam: «Nimm deinen Sohn, deinen einzigen Sohn, den du liebst ... und opfere ihn» (Genesis 22,2). Liebe Freude, wir können die Ernsthaftigkeit der Krise, in die Abraham nun hinein geriet, nicht hoch genug einschätzen. Das was für ihn etwas Ungeheures! Das konnte die Frage aufwerfen, was für ein Gott denn sein Gott überhaupt war, oder wer dieser Gott war, dem er sein ganzes Leben geweiht hatte, und da wären noch viele andere Fragen und Schlussfolgerungen. Seine ganze bisherige Führung, seine Hingabe, die langen Jahre des Wartens und der Mühsal, sein treuer Gehorsam – und nun, auf einen Schlag sah es so aus, als wäre alles zertrümmert. Das zu überleben, und mehr als das, triumphierend daraus hervorzugehen, ist nötig, um zu erklären, was Gott unter Freundschaft versteht. Ja, das ist die Bedeutung von Freundschaft – aber was ist es wirklich?

Nun, wenn das die göttliche Erklärung für Freundschaft ist, und wenn wir berufen sind, Teilhaber der göttlichen Natur zu werden, und wenn Gott an uns wirkt, um uns in eine solche Beziehung hinein zu bringen, dann wird das auf demselben Weg geschehen. Wenn wir, ihr und ich, auch nur annähernd zu einer solchen Beziehung, zu dieser überragenden Beziehung zu Gott gelangen wollen, wenn unsere Herzen auf diese Anregung und auf diesen Vorschlag eingehen wollen, dass Gott imstande wäre, auch von uns als von Seinen Freunden zu sprechen (und, um ehrlich zu sein, ohne Zweifel würde jeder sagen: «Ja, es gibt nichts, was ich mir mehr wünschte, als dass Gott imstande wäre, von mir als von «Seinem Freund» zu sprechen), dann seht, was das bedeutet.

Als erstes bedeutet es eine absolute und vorbehaltlose Hingabe für das ganze Leben und mit unserem Leben an Gott, ohne Rückhalt und ohne Alternativen. Abraham hatte keine Alternative. Diese Beziehung, dieser Wandel mit Gott, war alles oder nichts, denn es war durch einen Blutbund versiegelt. Ihr erinnert euch an das Ereignis, als dieser Bund geschlossen wurde. Das Opfer wurde in zwei Teile zerlegt. Die eine Hälfte wurde auf die eine Seite, und die andere Hälfte auf die andere Seite gelegt. Eine Seite war Gottes, die andere Abrahams Seite. Blut wurde vergossen, und sie beide, der wahren Bedeutung des Sinnbildes gemäß, gaben sich die Hände und gingen zwischen den beiden Hälften hindurch. Im Blut dieses Opfers verpflichteten sich beide gegenseitig für einander kraft des Blutes bzw. des Lebens, und dies für immer – Gottes «ewiger Bund» (Ps. 105,8). Abrahams Bund mit Gott bestand auf der Grundlage des Lebens. Auf dem Berg Morijah forderte nun Gott das eigentliche Lebensblut von Abraham, doch Abraham stellte sich dieser Forderung. Er stellte sich auf die wahre Basis seiner Beziehung zu Gott. Es war eine Hingabe für immer an Gott, mit dem Leben selbst als Pfand, und das Ende davon war: «Abraham, mein Freund».

Das sind harte Dinge, die ich da sage, und sie übersteigen das, wozu wir bisher gelangt sind, ich weiß. Keiner von uns würde behaupten, er habe diese Punkt erreicht. Dennoch ist es das, worauf Gott hinarbeitet.

Freundschaft bedeutet weiter folgendes: Vertrauen in den andern, auch wenn Er Seine Handlungsweise nicht erklärt und wenn wir nicht verstehen können, was Er tut. Natürlich ist das in menschlichen Begriffen Freundschaft in ihrer höchsten Form. Wenn eine echte Freundschaft besteht, wird ein Freund nicht immer erklären, warum er oder sie einen bestimmten Kurs einschlägt, doch seid ihr dahin gekommen, dem Betreffenden so weit zu vertrauen, dass ihr gar keine Erklärung möchtet. Ihr seid bereit zu glauben, und zwar ohne Erklärung, dass der Betreffende weiß, was er tut, und ihr habt volles Vertrauen in ihn. Es ist eben Freundschaft, auch wenn der andere schweigt und nichts mehr sagt.

Da gibt es eine kleine Illustration dazu im Leben von Hudson Taylor. Nachdem er lange Zeit in China gewesen war, fern von seinem Land und seiner Frau, kehrte er wieder nach Hause zurück, und seine Frau traf ihn am Schiff. Sie stiegen gemeinsam in ein öffentliches Transportmittel, und natürlich würdet ihr erwarten, dass sie sofort in eine wortreiche Konversation verfallen über all das, was während dieser Jahre geschehen ist, da sie getrennt waren. Doch während der ganzen Fahrt herrschte absolute Stille – und keines von beiden war beleidigt! Kein einziges Worte wurde zwischen ihnen gewechselt, doch war da das tiefe, tiefe Verständnis wahrer Gemeinschaft. O gäbe es doch etwas wie dies zwischen Gott und uns! Oft schweigt er, und dieses Schweigen bedeutet für uns stets eine harte Prüfung. Warum redet Er nicht? Warum handelt Er nicht? Warum tut er nicht irgend etwas! Er schweigt und bleibt untätig, es scheint Ihm nichts auszumachen. Ah, Ihm dann zu vertrauen, das ist der Stoff, aus dem Freundschaft, wahre Freundschaft besteht.

«Abraham glaubte Gott». Ihr beachtet, dass das mit dieser Sache in Verbindung steht, mit der Opferung Isaaks. Vertrauen in einen Freund zu haben, wenn dieser Freund geheimnisvoll, seltsam, unerklärlich scheint, nicht verstehbar, reserviert, schweigend – das ist in der Tat ein Bestandteil einer echten Freundschaft.

Doch Abraham blickte über die Gegenwart, über das Unmittelbare hinaus und sagte sich in seinem Herzen: «Das ist nicht alles. Das ist nicht die ganze Geschichte. Das ist nicht das Ende, weil es nicht das Ende Gottes sein kann. Und wenn es Tod bedeutete» - oh, welch wunderbarer Triumph des Glaubens! - «selbst wenn ich den Sohn, auf den sich alles in mir konzentriert, töten muss, ist und bleibt Gott dennoch Gott, und Er kann die Toten auferwecken. Auch wenn Isaak tot daliegt, so kann Gott ihn zum Leben erwecken. Ich blicke über den Tod, über die gegenwärtige Situation hinaus, die scheinbar alle meine Hoffnungen zertrümmert, und ich sehe, wie Gott weiter dahin schreitet. Ich glaube Gott. Ich verstehe zwar nichts und kann es nicht erklären, aber ich vertraue Gott!

Das bedeutet eine ernste Prüfung, und ich muss sagen, dass das über uns alle hinausgeht, doch ist genau das die Basis unserer höchsten Beziehung zu Gott. Ganz gewiss ist dies das Gold, aus dem das Neue Jerusalem gebaut wird.

Wie aber steht es um Isaak? Er war die neue Hoffnung, das Bindeglied in der Kette von Gottes ganzen dispensationellen Bewegungen, und die Verkörperung dieser Freundschaft.

Ihr jungen Brüder und Schwestern, ihr seid das nächste Bindeglied in der Kette von Gottes Gaben und Gottes Zeugnis auf dieser Erde. Stellt eure Füße auf den Grund des vorausgegangenen Gliedes. Nehmt das Zeugnis von Abraham auf und nehmt diese Position ein: «Ich, nicht als etwas in mir selbst, nicht mit mir beginnend und endend, sondern einfach als ein Glied in dieser mächtigen Kette der Zeitalter, verpflichte mich rückhaltlos für meinen Gott, für das ganze Leben und mit meinem Leben». Wenn ihr das tut, dann seid ihr die neue Hoffnung für die nächste Phase.

Natürlich sehen wir hinter Abraham Gott, den Vater und den Herrn Jesus Christus, und wir wissen alle sehr gut, dass wenn wir irgend eine Hoffnung haben, sie in der Tatsache besteht, dass Gott Seinen Sohn von den Toten auferweckt hat. Aber das ist nicht nur eine Wahrheit im Blick auf Christus. Es ist ein Gesetz der Wege Gottes durch die Geschichte hindurch – dass etwas in den Tod getauft wird, und durch diese Taufe setzt sich die Prüfung unserer Herzensbeziehung zu Gott fort. Und das ist der springende Punkt. Als Christus am Kreuz in den Tod getauft wurde, war die der letzte Test Seiner Herzensbeziehung zum Vater. Sein Herz brach darüber – doch oh! Wir sind alle so froh, dass Sein letztes Wort lautete: «Vater, in Deine Hände...» (Lk. 3,46). Das ist ein Triumph! Er ist durchgekommen! Früher hatte er gerufen: «Mein Gott, mein Gott!», doch nun sagt er: «Vater». Es war ein Test, der größte, abschließende Seiner Herzensbeziehung zum Vater – und, merkt euch, jede Taufe in den Tod ist genau das.

Man kommt uns hinter die Schliche, liebe Freunde, durch tiefe und furchtbare Prüfungen am Kreuz der Taufe in den Tod, wo sich unser Herz wirklich befindet; ob es in den Dingen ist, oder in Gott; ob unser Leben mit irgend einem Ding verknüpft ist, oder ob es bei Gott ist.

Seht ihr, das war der Punkt bei Isaak. Letztlich wurde bewiesen, dass Abraham mit viel mehr verbunden war als nur mit Isaak, denn er war mit Gott verbunden. «Also gut», sagte Abraham. «Alles schien seinen Mittelpunkt in Isaak gehabt zu haben, doch wenn Isaak geht, dann habe ich ja immer noch Gott».

Woran ist unser Leben gebunden? Sind es Dinge? Ist es ein Lebenswerk? Was ist es? Wir werden einem Test unterzogen, um festzustellen, ob es der Herr ist, der unsere Herzen hat. Wenn er sie hat, dann werden wir nicht für unsere eigenen Wege und Ziele, für unsere Interessen oder unsere Ideen kämpfen, selbst nicht im Werk Gottes. Es ist der Herr, der die Vorherrschaft über alles haben soll, auch über uns. Isaak verkörperte diese Position bei Abraham.

Oh, liebe Freunde, seht zu, dass es um euer Herz im Blick auf den Herrn so steht! Wenn es so ist, dann habt ihr die Basis für dieses glorreiche Ende: « Mein Freund, mein Freund». Lohnt es sich, dies zu haben? Ganz sicher tut es das, so dass er zuletzt sagen kann: «Komm herein, Mein Freund!».


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