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Die Himmlische Berufung - Band 2

von T. Austin-Sparks

Kapitel 6

15 Der Weinstock und Gottes völlige Zufriedenheit

Schriftlesung: Joh. 15; Ps. 80,8.14; Jes. 5,1.2; Jer. 2,21; 6,9; Hes. 15,1-6

Der fünfzehnte Schritt beim Übergang vom alten zum neuen Israel findet sich hier im 15. Kapitel des Johannesevangeliums: «Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Weingärtner».

Ihr habt den alttestamentlichen Hintergrund dazu in den Abschnitten, die wir gelesen haben: Was Israel sein sollte, was es nicht war, und sein Schicksal - «ins Feuer geworfen». Aus diesen Schriftstellen wird deutlich, dass Israel Gottes Weinstock war, doch wurde es zu einem falschen Weinstock, und so musste Gott ihn ins Feuer werfen, wo es während fast zweitausend Jahren gewesen ist.

Doch als Gott diesen Weinstock ins Feuer warf, brachte er einen andern hervor. Wir haben gesagt, das Johannesevangelium dokumentiere die Beiseitesetzung des alten Israel und die Einführung des neuen. Wir haben gesehen, dass verschiedene Namen des alten Israel ins neue übernommen wurden, und hier in diesem Kapitel wird der Name «Weinstock» übernommen. Wenn Jesus sagte «Ich bin der wahre Weinstock», dann unterstrich er das Wort «der wahre». Wenn ihr ihn diesen Satz sprechen hören könntet, dann würde es etwa so klingen: «Ich bin der WAHRE Weinstock». Was er damit meint, ist völlig klar. «Ich nehme die Stelle des falschen Weinstocks ein. Dieser ist weggeworfen worden, und ich bin der wahre Weinstock, der an seine Stelle tritt».

Wir müssen eine Zeit damit verbringen, zu sehen, inwiefern Israel seiner wahren Natur und Bestimmung gegenüber fehlging.

Worin besteht die Natur des Weinstocks? Ein typisches Merkmal ist dies, dass er sich in allen Richtung weit ausbreitet, immer bestrebt, noch mehr Raum einzunehmen. Es entspricht nicht der Natur des Weinstocks, sich steil in die Höhe zu entwickeln. Er breitet sich aus, er dehnt sich weit aus.

Israel wurde zu diesem Zweck groß gezogen – dass es seine Arme ausstreckt und die Nationen umfängt: «Ich will dich ... setzen zu einem Licht für die Heiden» (Jes. 42,6) heißt es: «Und die Heiden werden deine Gerechtigkeit sehen und alle Könige deine Herrlichkeit» (Jes. 62,3). Gott erweckte Israel, damit es ein Zeugnis sei unter den Nationen, um der ganzen Welt die Erkenntnis Gottes zu bringen. Es war Israels Berufung, einen Weltzweck und eine Weltvision zu erfüllen. Sie waren dafür vorgesehen, seine missionarische Nation an die ganze Welt zu sein, aber anstatt die Nationen zu umarmen schlossen sie sie aus. Sie zogen eine Mauer um sich selbst und sagten: «Wer sind DAS Volk, und alle andern sind Hunde». Sie nannten die Heiden «Hunde». Sie schlossen sich in sich selbst ein und wurden zu einem exklusiven Volk und widersprachen so ihrer eigentlichen Natur und Mission. Exklusivität war ein Widerspruch zu der eigentlichen Natur Israels – und sie ist IMMER ein Widerspruch zur göttlichen Natur. Es heißt nicht in der Schrift: «Gott hat die jüdische Nation so sehr geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn dahin gab». Es heißt vielmehr: «Gott hat die WELT so sehr geliebt». Der Liebe Gottes selbst wurde durch ihre Exklusivität widersprochen. So wurde Seine wahr Natur unter ihnen verletzt: Sich auf sich selbst zurückzuziehen ist immer eine Verletzung der göttlichen Berufung. Es ist für jedes Volk eine Sünde, sich zu einem Ziel in sich selbst zu machen. Dies ist der Grund, warum in der Ordnung der Natur – wenn die Natur normal ist – eine Familie sich ausdehnt. Der Herr hat dieses Gesetz schon ganz am Anfang der menschlichen Geschichte festgelegt, als er nach der Flut zu Noah und seinen Söhnen sagte: «Seid fruchtbar und vermehrt euch, und füllt die Erde» (1. Mose 19,1). Durch die Anordnung Gottes lag es in der Natur der Dinge. Wie ich sagte: wenn die Dinge normal sind, ist kein Leben ein Ziel in sich selbst. Natürlich weiß ich, dass es Ausnahmen gibt, wenn keine Möglichkeit besteht, sich auszudehnen, doch spreche ich vom NORMALEN Lauf der Dinge. In der Natur der Dinge hat Gott es festgesetzt, dass das Leben ein expandierendes Leben ist. Jeder, der dieses Ziel bewusst verletzt, wird zu einem Ziel in sich selbst und sündigt gegen das Gesetz Gottes.

Israel war berufen, sich auszudehnen und die Erde mit der Erkenntnis des Herrn zu erfüllen, doch hielten sie mit dieser Erkenntnis vor den Nationen zurück und beschäftigten sich mit sich selbst, machten sich selbst zu einem Ziel. So kam Gott auf sie herab und sagte: «Also gut! Dann seid ihr halt ein Ziel in euch selbst». Gottes Gerichte sind gewöhnlich die Bestätigung für unsere eigene Wahl!

Das war Israels Verletzung ihrer Natur als Weinstock. Statt in die Welt hinein sich auszudehnen zogen sie sich in sich selbst zusammen, und das ist immer fatal!

Wie aber steht es mit dem Zweck? Ganz offensichtlich ist der Zweck eines Weinstocks der, Frucht zu bringen. Er bringt Trauben hervor, und aus den Trauben entsteht dann der Wein. Im Alten Testament ist Wein stets ein Symbol für das Leben. Aus diesem Grunde kommt er auch am Tisch des Herrn vor. Er repräsentiert sein Blut, und darin ist das Leben. Er selbst nannte ihn die Frucht des Weinstocks. Er sagte nicht: «Ich werde nicht mehr von meinem Blut trinken, bis zu dem Tag, an dem ich es im Reich Gottes trinken werde.» Was er aber sagte, war: «Ich werde nicht mehr VON DER FRUCHT DES WEINSTOCKS trinken bis zu dem Tag, an dem ich sie aufs neue trinken werde im Reich Gottes» (Mk. 14,25). Die Trauben und der Wein sind Symbole für das Leben.

Das einstige Israel war berufen worden, allen Nationen das Leben Gottes zu vermitteln. Wenn ihr diese Evangelien lest und versucht zu sehen, welche Art von Frucht dieses Israel bringt, stellt ihr fest, dass es alles andere als Leben ist. In Wahrheit ist es Tod. Die Frucht war sauer. Alle, die von der Frucht jenes Israel kosteten, wandte sich ab und sagten: «Wir wollen nichts mehr davon». Es war kein Leben, es war Tod. Die Evangelien sind ganz voll von dieser Wahrheit.

Jesus sagte: «Ich bin der wahre Weinstock»... «In ihm war Leben: und das Leben war das Licht der Menschen» (Joh. 1,4). Die Angesichter der Menschen hellten sich auf, wenn sie ihn kosteten.

Habt ihr etwas bemerkt an dem Weinstock, von dem wir im Alten Testament lesen? In Hesekiel 15 lesen wir, dass der Weinstock zu keinem anderen Zweck existiert, als Frucht zu bringen. Habt ihr je gesehen, dass irgend etwas aus einem Weinstock hergestellt wurde? Ihr habt noch nie einen Tisch, oder ein Gefäß, oder einen Spazierstock gesehen, der aus dem Holz des Weinstocks hergestellt worden wäre. Hesekiel sagt, dass ihr mit dem Holz des Weinstock nichts anfangen könnt – ihr könnt nicht einmal einen Pfriem daraus herstellen, um Sachen daran aufzuhängen. Der Weinstock ist abgesehen von seiner Frucht absolut nutzlos. Die Trauben sind der einzige Zweck, zu dem er existiert, und wenn er keine hervorbringt, dann, so sagt Hesekiel, könnt ihr direkt ins Feuer werfen. Es gibt keine Nebenprodukte vom Weinstock, es gibt keinen zweiten Verwendungszweck. Er existiert nur für eines, und allein für dieses, und das ist Frucht.

Gott erweckte das alte Israel, um seine göttliche Frucht des Lebens und des Lichts vor den Völkern herzutragen, doch versagten sie darin. Gott hatte für ein solches Israel keinen Verwendungszweck mehr, und so sagte er: «Werft es ins Feuer». Er tat dies vor beinahe zwanzig Jahrhunderten, und Israel befindet sich auch jetzt noch dort.

Daraus können wir sehen, was der Herr Jesus meint, wenn er sagt, er sei der wahre Weinstock und wir seien die Schosse. Der WAHRE Weinstock ist der, welcher den einen und einzigen Zweck erfüllt, zu dem er existiert.

So bringt der Herr Jesus diese Illustration hinüber zu sich selbst und seiner Gemeinde, und es ist vollkommen klar, welches die Natur des Herrn Jesus ist. Er streckt sich nach allen Menschen aus, er umarmt die ganze Welt. Er ruft ALLE Nationen in sein Herz herein.

Er kümmert sich um alle Menschen, und nicht nur um eine einzelne Nation. Er sagte zu seinen Jüngern: «Geht ihr also hin und macht ALLE NATIONEN zu Jüngern» (Mt. 28,19). Es ist die eigentliche Natur, dies zu tun. Es ist ihm völlig fremd, exklusiv zu sein, klein und eng und mit sich selbst beschäftigt.

Unsere Erlösung besteht darin, dass unsere Herzen erweitert werden, so dass sie größer werden als wir selbst. Jeder, der sich auf sich selbst zurückzieht, und alle diejenigen, die stets nur mit sich selbst beschäftigt sind, sterben, noch während sie leben. Das lässt sich nicht vermeiden. Lasst eine kleine Gruppe des Volkes Gottes nur für sich selbst leben, und ihre Tage sind gezählt. Sie leben einen lebendigen Tod. Es ist ihr Schicksal, langsam zu verschwinden. Das gilt für jeden Christen und auch für jede Gemeinschaft des Volkes Gottes, denn Christus ist im Gläubigen, und gerade seine Natur ist es, sich auszustrecken wie der Weinstock. Er möchte alle Menschen zu sich ziehen, und wenn sein Volk anders handelt, dann ist das ein Widerspruch zu eben dieser seiner Natur, welche die Natur des wahren Weinstocks ist.

Jesus sagt: «Ich bin der Weinstock, und ihr seid die Schosse». Die Schosse des Weinstocks bilden zusammen einen einzigen Weinstock – sie haben teil an derselben Natur. Habt ihr beachtet, dass es die Schosse selber sind, die das expandierende Werk Jesu tun? Ja, dieses expandierende Werk wird durch die Schosse manifestiert.

Das ist natürlich genau das, was ganz am Anfang in Jerusalem geschah, als in der dortigen christlichen Gemeinde einige Schwierigkeiten auftraten. Es war das erste Stück an Schwierigkeiten, das die christliche Gemeinde hatte! Einige der ersten Apostel wollten in Jerusalem bleiben, um da die Gemeinde aufzubauen. Sie hatten das Gebot des Herrn vergessen und waren gerade daran, sich niederzulassen und Jerusalem das Zentrum von allem, und die Gemeinde zu einer exklusiven Körperschaft zu machen. Da erhob sich in ihrer Mitte ein junger Mann «voll Glauben und Heiligen Geistes» (Apg. 6,5), und sein Name war Stephanus. Wenn ihr genau zuhört, was Stephanus sagte, werdet ihr merken, dass, was er sagte, diese Bedeutung hatte: «Das geht so nicht. Wir sind für die Nationen berufen worden. Wir dürfen kein exklusives Volk sein. Wir sind zu einer Weltmission berufen und dürfen uns nicht im alten Judaismus niederlassen». Einige der ersten Christen und christlichen Führer stimmten nicht mit ihm überein. Natürlich war das alte Israel damit nicht einverstanden! Und so steinigten sie Stephanus gerade wegen dieser Frage der Weltmission der Gemeinde. Ich kann nicht anders als die Frage stellen: Wo waren eigentlich Jakobus und Petrus, als Stephanus gesteinigt wurde? Sie waren in Jerusalem, doch waren sie da nicht anwesend. Warum wurde Stephanus gesteinigt, und nicht etwa Jakobus oder Petrus? Weil sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Linie verfolgten, die Stephanus einnahm. Für sie war Jerusalem alles, und natürlich würde das alte Israel sie dafür nicht seinigen; so waren sie noch recht sicher irgendwo in Jerusalem. Doch Stephanus wurde gesteinigt.

Versteht, dass hier etwas vorliegt, dem wir Beachtung schenken sollten: Dieses neue Israel hat eine Mission an alle Nationen empfangen, und es gibt einen hohen Preis dafür zu zahlen. Das ganze Reich Satans ist dagegen. Wenn ihr einfach eine kleine, ruhige, kompromissbereite örtliche Sekte sein wollt, dann ist das ganz in Ordnung. Der Teufel macht euch keine Schwierigkeiten, wenn ihr einfach hinter euren eigenen Mauern und verschlossenen Türen lebt, und die Welt wird euch ebenfalls nichts in den Weg legen. Sie wird euch in Ruhe lassen.... doch wenn ihr auszieht auf dieser himmlischen Ebene und alle Menschen in Christus umfassen, werdet ihr bald feststellen, dass ihr die Welt und den Teufel gegen euch habt. Ihr und ich, wir sollten dies in unseren Tagen sehen, wie es nie zuvor irgend jemand gesehen hat. Merkt ihr nicht, was in den Nationen geschieht? Kein einziger Missionar ist in China übrig geblieben! Es ist nicht mehr möglich, dass einer in dieses Land einreist. Und dasselbe ereignet sich auch an anderen Orten der Welt. Sie haben versucht, sie auch aus Afrika zu vertreiben. Warum dies? Oh, das Reich Satans will nicht, dass Jesus in seine Welt hineinkommt. Es hat tatsächlich viele Tausende von Märtyrern für Jesus Christus in China gegeben, und viele andere in Afrika und in anderen Teilen der Welt. Nie zuvor ist es in diesem Ausmaß so gewesen. Es ist eine Phase der Dinge. Satan weiß, dass ihm nur noch wenig Zeit bleibt, und dass er alles, war er nur kann, unternehmen muss, um die Nationen für Jesus Christus zu schließen. So ist ein hoher Preis mit dieser Weltmission verbunden. Stephanus ist das große Beispiel dafür.

Der Zweck von Christus und seiner Gemeinde, vom Weinstock und seinen Schossen, ist der, Leben zu den Menschen überall in dieser Welt zu bringen.

Ich frage mich, ob das überhaupt auf die Gemeinde von heute zutrifft. Meint ihr nicht auch, sogar die christliche Gemeinde habe in dieser Hinsicht versagt? Sie bringt nicht wirklich Leben zu den Nationen. Viele Gruppen, die sich Gemeinde nennen, bringt nicht einmal Leben zu ihrer eigenen kleinen Ortschaft. Das ist ein Widerspruch zu Christus!

Aber es ist sehr nötig, dies objektiv zu betrachten. Es muss bei jedem von uns einschlagen. Welches ist der Beweis dafür, dass Christus in euch und in mir ist? Wie kann man wissen, dass Christus in uns ist? Nur auf eine Weise – dass andere durch uns Leben empfangen, dass wir andere mit dem Leben Christi versorgen, dass, wenn hungrige und bedürftige Leute mit uns in Berührung kommen, sie den Anhauch des Lebens fühlen. Sie mögen es auf verschiedene Weise ausdrücken, aber es läuft auf dies hinaus: Dieser Mann, diese Frau hat etwas, das ich nicht habe, und es ist etwas, das ich brauche. Etwas Besonderes ist mit ihnen los, ich fühle es, und es ist genau das, was ich brauche.» Das sollte bei jedem Christen so sein, weil Christus in uns ist, und weil er sich durch uns ausdehnt und sein Leben durch uns mitteilt.

Oh, liebe Freunde, betet jeden Tag, wenn ihr aufsteht: «Herr, mach mich heute für irgend jemanden zu einem Kanal des Lebens. Herr, teile dein eigenes Leben durch mich irgend jemandem heute mit. Ich möchte Leben hinbringen, wo immer ich bin». Der Herr hat für euch und für mich keinen anderen Zweck. Wir mögen eine Menge Dinge verrichten, aber wenn wir zum Weinstock gehören, taugen wir zu nichts anderem, als Frucht zu tragen; und das bedeutet, andern Leben zu vermitteln. Wir sollten nicht einmal ein Pfriem sein, an dem man Dinge aufhängen kann, oder ein Spazierstock, der jemandem hilft, aufrecht zu stehen. Nein, Gott hat keinen andern Verwendungszweck für uns als den, Frucht zu bringen, Leben zu vermitteln.

Jesus sagte hier in diesem Kapitel: «Und jedes Schoss, das Frucht bringt, reinigt er, damit es noch mehr Frucht bringe». Natürlich verstehen wir das in der Natur, und wir stimmen dem zu. Solltet ihr je einmal etwas mit Weinreben zu tun gehabt haben, habt ihr es vielleicht schon selbst einmal getan. Es ist merkwürdig, dass wir daran als an ein Naturgesetz glauben und sagen: «Es ist das beste und das einzig Richtige, das man tun kann, dieses Stück weg zu schneiden, damit es noch mehr zum Zuge kommt», doch wenn der Herr es bei uns tut, sind wir plötzlich nicht einverstanden. Wenn er mit dem Schneiden anfängt, sind wir murren und beklagen wir uns! Wenn er für kurze Zeit will, dass wir weniger tun, damit er uns tauglich machen kann, mehr zu tun, sind wir nicht einverstanden. Wenn es aussieht, als würde der Herr etwas von unserer Frucht, etwas von unserem Werk, wegnehmen, dann sind wir voller Probleme. Wir verstehen den Herrn nicht mehr und fangen an, seine Liebe in Frage zu stellen.

Jesus hat dies als eine positive Wahrheit niedergelegt. Hier ist ein Schoss, das Frucht bringt (nicht eines, das keine Frucht bringt: das – so sagt er – wird ins Feuer geworfen) und es ist genau DAS, welches er beschneidet. Hier ist ein Schoss, das seine Berufung erfüllt, und der Herr betrachtet es. Er sagt: «Das ist sehr gut! Ich bin sehr zufrieden damit, doch kann ich es noch verbessern, und auch dieses Schoss kann es noch besser». So nimmt er das Messer, und er diszipliniert uns, er reduziert uns, um uns zu vermehren. Er schneidet etwas weg, damit am Schluss mehr vorhanden ist.

Was für eine Menge Geschichte steckt doch in dieser Aussage! Der Verfasser des Hebräerbriefes sagte: «Alle Züchtigung aber scheint uns für den Augenblick nicht zur Freude, sondern zur Traurigkeit zu dienen; danach aber gibt sie eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die durch sie geübt sind» (Hebr. 12,11). Das sagt nur auf eine andere Art aus, dass der Weingärtner eben manchmal das Messer ergreift und tief in unsere Seelen hinein schneidet, doch nachher ist mehr und bessere Frucht vorhanden als je zuvor.

Nun kommen wir zu diesem letzten Wort. Der Wein stammt von der Traube durch die Weinkelter, welches ein Symbol für Druck ist. Was für ein Druck muss auf diese Frucht ausgeübt werden, um schließlich den Wein zu bekommen! Die Weinkelter ist das Symbol für Zerbrochenheit, und in der Tat wird die Frucht in Stücke zerbrochen. Der Wein wird aus ihrem Todeskampf herausgepresst.

Der Herr Jesus sagte: «Ich bin der wahre Weinstock», und von ihm wurde vorausgesagt, dass er die Weinkelter allein treten werde. Das Kreuz war seine Weinkelter. Wie sehr wurde er doch am Kreuz ausgepresst! Er wurde zermalmt und zerbrochen, doch aus diesem Zerbruch heraus ist das Leben gekommen, das wir, ihr und ich, haben, und das so viele in allen Nationen empfangen haben. Das trifft, bis zu einem gewissen Maße, auf seine Gemeinde zu. Aus dem Zerbruch und der Zerschlagung der Gemeinde ist Leben in diese Welt hinein geflossen. Und das gilt auch für jedes Glied, jedes Schoss, dieses Weinstocks. Wenn wir diesen wahren, lebendigen Dienst erfüllen wollen, dann ist das nur durch Leiden, durch die Weinkelter, durch Druck und Zerbruch möglich. Paulus sagte: «Wir wurden übermäßig, über unsere Kraft hinaus, bedrängt» (2. Kor. 1,8 – A.V.) – doch wie viel Leben ist aus der Bedrängnis dieses Mannes hervorgegangen! So ist es immer wieder. Wir reden nicht vom Predigen oder vom Bibellehren, sondern über diesen großen Dienst Christi, der sein Leben durch uns mitteilt. Es kann durch Predigen an andere weiter gegeben werden, oder durch unser praktisches Leben, doch wenn es sein Leben sein soll, muss es aus den Erfahrungen des Leidens stammen. Ein Prediger oder Lehrer, der nie gelitten hat, wird niemals Leben vermitteln.

Nun, das mag keine sehr angenehme Aussicht sein, aber sie trifft zu. Die besten Ärzte und Schwestern sind diejenigen, die selber etwas vom Leid erfahren haben. Einige arbeiten lediglich professionell, sie behandeln euch als Fälle – ihr seid bloß der Fall Nr. -. Doch es gibt andere, die euch als Personen behandeln, als mensch-liche Wesen, die sich um euch kümmern. Wenn ihr fragt, warum sie das tun, werdet ihr möglicherweise feststellen, dass sie selbst einen Hintergrund des Leides haben. Sie wissen ein wenig von dem, durch was ihr hindurchgehen müsst. Wir haben im Brief an die Hebräer gelesen: «Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der kein Mitleid haben könnte mit unseren Schwachheiten, sondern einen, der in allem versucht worden ist in ähnlicher Weise wie wir...so kann er denen helfen, die versucht werden» (Hebr. 4,15; 2,18). Er ist den Weg der Weinkelter gegangen, und wir haben den Nutzen davon empfangen.

Hat Paulus deshalb gesagt: «um ihn zu erkennen... und die Gemeinschaft seiner Leiden» (Phil. 3,9)? Er wusste sehr wohl, dass die Leiden Christi Leben bedeuteten, und wenn es etwas gab, das sich Paulus für andere wünschte, dann war es das, dass sie dieses Leben haben sollen, und dass sie es durch ihn bekommen. So sagte er: «Ihn will ich erkennen... und die Gemeinschaft seiner Leiden».

Das mag nicht unser Ehrgeiz sein, und vielleicht mögen wir die Idee nicht besonders, doch möge der Herr uns helfen, dass wir die Dinge auf diese Weise betrachten lernen: «Der Herr stellt mich in die Weinkelter. Er lässt mich durch eine Zeit großen Drucks gehen. Ich werde zerbrochen und zermalmt. Darum muss der Herr beabsichtigen, mehr Frucht hervor zu bringen, mehr Leben, und dass mehr Menschen Leben empfangen.» Das ist die eigentliche Natur dieser Sache, sich nach anderen auszustrecken. Das ist der WAHRE Weinstock. Alles, was nicht so ist, ist der falsche Weinstock.

«Ich bin der Weinstock, ihr seid die Schosse».

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