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Prophetischer Dienst

von T. Austin-Sparks

Kapitel 1 - Was der Prophetische Dienst ist

Schriftlesung: 5. Mose 18,15.18; Apg. 3,22; 7,37; Lukas 24,19; Offenbarung 19,10; Epheser 4,8.11-13.


«Und er hat etliche als… Propheten… gegeben zur Zurüstung der Heiligen, für das Werk des Dienstes, für die Erbauung des Leibes des Christus» (Epheser 4,11.12). font-family:Verdana">

Wir werden die Frage des prophetischen Dienstes betrachten. «Er hat einige... als Propheten gegeben». Doch müssen wir sofort einige Unterscheidungen vornehmen, denn wenn wir von prophetischem Dienst sprechen, so stellen wir fest, dass die Leute weitgehend in Verbindung mit dem, was «Prohetie» genannt wird, von einer bestimmten Mentalität beherrscht werden. Sie beziehen schon den Begriff «prophe-tisch» sofort auf Ereignisse, Vorfälle, Daten und so weiter, die vorwiegend in der Zukunft liegen. Das heißt, sie denken instinktiv an das voraussagende Element im prophetischen Dienst und beschränken die ganze Funktion auf diese Vorstellung.

Nun, um den wahren Wert dessen zu ermessen, was vor uns liegt, müssen wir diese restriktive Idee des Vorrangs des voraussagenden Aspekts im prophetischen Dienst aus unserem Sinn verbannen. Es ist zwar ein Aspekt, aber es ist nur einer unter anderen. Der prophetische Dienst ist eine viel breiter angelegte Sache als nur dies, dass Dinge vorausgesagt werden.

Vielleicht wäre es bessere, wenn wir sagen würden, die prophetische FUNKTION, die weit über bloße Ereignisse hinausgeht, sei der Dienst der geistlichen Interpretation. Dieser Ausdruck deckt den ganzen Grund dessen ab, womit wir uns hier beschäftigen. Prophetie ist geistliche Interpretation. Wenn ihr für einen Moment im Licht des prophetischen Dienstes im Wort Gottes darüber nachdenkt, so bin ich ganz sicher, dass ihr erkennen werdet, wie wahr das ist. Es geht um die Interpretation von allem von einem geistlichen Standpunkt aus; darum, dass dem Volk Gottes die geistlichen Konsequenzen von Dingen in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der Zukunft nahe gebracht wird, und dass es befähigt wird, die Bedeutung der Dinge in ihrem Wert und Sinn zu verstehen. Das war und ist das Wesen des prophetischen Dienstes.

Natürlich ist es, was wir über die Propheten in der Schrift wissen, dies, dass sie eine spezielle Funktion oder Fähigkeit unter dem Volk des Herrn ausübten; doch dürfen wir auch nicht vergessen, dass sie oft ihre prophetische Funktion mit anderen Funktionen verbanden. Samuel war ein Prophet; aber er war auch ein Richter, und ein Priester. Moses war ein Prophet, aber er war noch anderes als nur dies. Ich glaube, dass auch Paulus ein Prophet war; aber er war auch ein Apostel und ein Evangelist; mir scheint sogar, dass er alles war! Unsere Absicht ist es also nicht so sehr, über PROPHETEN zu sprechen, eine gesonderte Gruppe von Leuten, als vielmehr über einen prophetischen DIENST. Es ist der Dienst, mit dem wir uns befassen, und wir werden dann das Instrument besser verstehen, wenn wir den erfüllten Dienst zur Kenntnis nehmen. Wir werden das Gefäß besser verstehen und sehen, was es ist, wenn wir den Zweck sehen, für den es eingesetzt wurde. Lasst mich also festhalten, dass es die Funktion ist, nicht die Person, die wir im Visier haben, wenn wir über Propheten und den prophetischen Dienst sprechen.

Ich bin mir ganz sicher, dass diejenigen, die in geistlicher Hinsicht irgend etwas von den Zeiten verstehen, mit mir übereinstimmen werden, wenn ich sage, die schreiende Not unserer Zeit sei die nach einem prophetischen Dienst. Es gab nie eine Zeit, in der eine dermaßen ausgeprägte Notwendigkeit für eine Stimme der Interpretation bestand, da die Zustände mehr einen Dienst der Erläuterung benötigten als wie gerade die unsere. Man möchte nicht extravagante Statements abgeben oder extrem werden in seinen Äußerungen, doch denke ich nicht, es sei entweder extravagant oder extrem, wenn wir sagen, dass die Welt von heute bezüglich des prophetischen Dienstes in diesem Sinne beinahe bankrott gegangen ist - im Sinne einer Stimme also, die dem Volk Gottes das interpretiert, was der Herr im Sinn hat. Es mag etwas davon in geringem Maße hier und da existieren, doch dieser Dienst wird nur in ganz geringem Maße erfüllt. So oft stöhnen unsere Herzen und schreien laut auf: Oh, dass doch hindurchkommen könnte, was Gott über diese gegenwärtige Situation denkt, in erster Linie, dass das Volk Gottes es annimmt, aber dann auch durch sein Volk andere außerhalb! Es besteht eine große und schreckliche Not in Bezug auf einen prophetischen Dienst in unserer Zeit.


Der Prophetische Dienst auf den vollen Vorsatz Gottes bezogen

Wenn wir das zugestehen, dann müssen wir genau sehen, was diese Funktion ist. Welches ist die Funktion eines prophetischen Dienstes? Sie besteht darin, die Dinge im vollen Gedanken Gottes zu halten, und darum ist es gewöhnlich etwas Reaktionäres. Im Allgemeinen können wir feststellen, dass Propheten immer als Reaktion von Gott auf den Verlauf und das Treiben der Dinge unter dem Volk Gottes aufstanden; es war gleichsam ein Rückruf, ein Neudeklarieren, ein Neuaussprechen des Sinnes Gottes, ein ins helle Licht Rücken der Gedanken Gottes. Die Propheten standen wie ein Fels in der Mitte des Stromes - gewöhnlich ein schnell dahinfließender Strom - ; der Verlauf der Dinge zerschellte an ihnen. Sie forderten diesen Verlauf heraus und widersetzten sich ihm; und ihre Gegenwart mitten im Strom repräsentierte Gottes Sinn, der sich gegen den vorherrschenden Verlauf der Dinge stellte. Im Alten Testament trat ein Prophet normalerweise seinen Dienst an, wenn die Dinge geistlich schlecht, und alles andere als dem göttlichen Sinn gemäß standen; der Zustand war böse, die Dinge waren durcheinander, vermischt, chaotisch; es gab viel Verführung und Falschheit, und noch viel Schlimmeres als dies. Hier ist die Sache, auf die sich der prophetische Dienst all-umfassend bezog: der ursprüngliche und letztendliche Vorsatz Gottes in seinem und durch sein Volk; und wenn ihr dies gesagt habt, habt ihr mitten ins Herz der Dinge getroffen. Wir fragen nochmals: Was ist der prophetische Dienst, welches ist die prohetische Funktion, worauf bezieht sie sich? Und die all-umfassende Antwort lautet: Sie bezieht sich auf den vollen, originalen und letztendlichen Vorsatz Gottes in seinem und durch sein Volk.

Wenn diese Feststellung zutrifft, hilft das uns, sofort die Not unserer Zeit zu sehen; denn, allgemein gesprochen, hat das Volk Gottes auf Erden in unserer Zeit Teile des Vorsatzes Gottes mit dem Ganzen verwechselt; es hat einzelne Phasen zum Schaden des Ganzen überbetont. Es verwechselt Mittel, Methoden, Enthusiasmus und Eifer mit dem exakten Ziel des Herrn, und es versagt darin, zu erkennen, dass Gottes Vorsatz auf Gottes Weise und mit Gottes Mitteln erreicht werden muss, und dass der Weg und die Mittel ebenso wichtig sind wie der Vorsatz selbst: Ihr könnt Gottes Ziel nicht einfach irgendwie erreichen, durch irgend eine Methode, die ihr anwenden könnt, indem ihr eure eigenen Ideen, Programme oder Schemata entwerft, um an Gottes Ziel zu gelangen. Gott hat seinen eigenen Weg und seine eigenen Mittel, an sein Ziel zu kommen. Gottes Gedanken dehnen und verbreiten sich über das kleinste Detail seines Vorsatzes aus, und ihr könnt der Vorsatz Gottes gar nicht völlig verwirklichen, es sei denn, alle diese Details entsprechen dem Sinn Gottes.

Gott hätte zu Mose sagen können: «Bau mir eine Stiftshütte, hast du Lust? Ich überlasse es dir, wie du das anstellst; was du verwendest; du siehst ja, was ich möchte; geh und mach mir eine Stiftshütte». Moses hätte sich ein Bild machen können von dem, was Gott wollte, und hätte das, was er nach seiner eigenen Vorstellung für Gott machen wollte, ausführen können. Wir wissen jedoch, dass Gott nicht das geringste Detail, weder Haken noch Nagel, weder Stich noch Faden dem menschlichen Gutdünken überlassen hat. Ich benutze diese Illustration bloß, um zu zeigen, was ich meine, dass nämlich der prophetische Dienst dazu da ist, um Gottes vollen, originalen und letzendlichen Vorsatz zu präsentieren, wie er seinem (Gottes) Sinn entspricht, und dafür zu sorgen, dass es auch so für Gott gemacht wird; um den Sinn Gottes in allen Dingen hinsichtlich des Vorsatzes Gottes zu interpretieren; um alle Details in die Linie dieses Vorsatzes zu bringen und zu bewirken, dass der Vorsatz alles beherrscht.


Prophetischer Dienst durch die Salbung


a. Detaillierte Kenntnis des Vorsatzes Gottes

Dies beinhaltet verschiedene Dinge, die deutlich als Merkmale des prophetischen Dienstes im Wort Gottes zu erkennen sind. Zuerst einmal betrifft das die Frage der Salbung. Die Bedeutung und der Wert der Salbung besteht in folgendem: Nur der Geist Gottes hat den vollen und detaillierten Plan vor Augen und kann alles grundsätzlich Gottes Absicht gemäß verwirklichen. Ich sage: Nur der Geist Gottes hat diese Fähigkeit. Es ist etwas vom Wunderbarsten in der Schrift, zu entdecken, dass, wenn ihr zum einfachsten, frühesten - oder sollen wir sasgen, zum elementarsten - Ausdruck oder Entwurf der göttlichen Dinge im Wort Gottes zurückgeht, dass dann alles prinzipiell so sehr dem entspricht, was später in dieser Beziehung in großer Fülle daraus wird. Es ist einfach großartig, wie Gott alles treu dem Prinzip gemäß bewahrt hat; ihr findet später nie, wie vollständig sich die Sache auch entwickelt haben mag, dass sich grundsätzlich etwas darin geändert hat; das Prinzip ist immer noch vorherrschend, und ihr kommt nicht davon los. Wenn ihr später eine weiter entwickelte Sache im Wort Gottes aufgreift, stellt ihr fest, dass es getreu dem ursprünglichen Prinzip dieser Sache geblieben ist, so wie sie anfänglich eingeführt wurde.

Und Gott hat alles auf die Linie dieser fixen Prinzipien gebracht. Gott weicht kein bisschen davon ab. Sein Gesetz ist gegeben, und es ist unveränderbar. Der Heilige Geist allein weiß das alles. Er kennt die Gesetze und die Prinzipien, alle Dinge, die geistlich den Vorsatz Gottes beherrschen; und er allein kennt den Plan und die Details, und kann alles gemäß jenen Prinzipien und Gesetzen bewerkstelligen. Und alles muss getreulich ihnen entsprechen. Wir können sicher sein, dass, wenn es etwas in der Überstruktur gibt, das nicht mit Gottes ursprünglichem, grundlegenden geistlichen Prinzip übereinstimmt, sich dies zu einem Defekt entwickeln wird, der früher oder später zu einer Tragödie führen wird. Die Überstruktur muss in jedem Detail des Prinzips dem Fundament, dem Original, entsprechen. Die meisten von uns haben diesbezüglich kein Licht. Wir fühlen uns den Weg entlang, wir tasten uns vorwärts, sehr langsam bekommen wir Licht, und dies sehr wenig aufs Mal; aber wir bekommen Licht. Doch der prohetische Dienst ist ein erleuchteter Dienst, und er ist das, was die Dinge, unter der Salbung, zu dieser Position absoluter Sicherheit und absoluten Schutzes zurückbringt, weil er dem göttlichen Prinzip treu geblieben ist.

Die Salbung ist erforderlich, weil nur der Geist Gottes mit dem ganzen Gedanken Gottes vertraut ist, und weil nur er sprechen und wirken und die Dinge in treuer und vollständiger Übereinstimmung mit den göttlichen Prinzipien zustande bringen kann, die alles beherrschen; und alles, was von Gott ist, muss diese Prinzipien verkörpern. Das Prinzip der Gemeinde - was also die Gemeinde beherrscht - ist dies, dass sie eine himmlische Größe ist. Sie ist nichts Irdisches; sie ist mit dem Christus im Himmel verbunden. Die Gemeinde entsteht nicht, bis Christus im Himmel ist, was bedeutet, dass die Gemeinde, damit sie zum Christus im Himmel passt, in geistlicher Hinsicht auf himmlischen Grund gelangen muss. Sie muss den irdischen Grund verlassen und in Bezug auf Christus im Himmel eine himmlische, geistliche Sache werden, noch während sie hier unten ist. Das ist ein göttliches Gesetz und Prinzip, das im Neuen Testament so klar aufleuchtet. Es ist von der Apostelgeschichte an äußerst offensichtlich vorhanden.

Doch das ist nichts Neues, das erst mit dem Neuen Testament aufgekommen ist. Gott hat dieses Gesetz in alles hinein gelegt, was auf prophetische Weise auf die Gemeinde und auf Christus hinweist. Isaak wurde nicht gestattet, das Land zu verlassen, um seine Braut zu holen. Er musste dort bleiben, und der Knecht wurde geschickt, um sie dorthin zu bringen, wo er war. Hier habt ihr euer Gesetz. Christus ist im Himmel; der Geist wurde ausgesandt, um die Gemeinde dorthin zu bringen, wo er ist - zuerst einmal auf geistliche Weise, später dann aber auch buchstäblich; doch das Prinzip ist da. Joseph musste durch die Verwerfung und typologisch durch den Tod hindurch und erreichte schließlich den Thron, und mit seiner Erhöhung empfing er seine Frau Asenath. Joseph ist ein klares Sinnbild für Christus. AUF SEINE ERHÖHUNG HIN empfängt Christus seine Gemeinde, seine Braut. Pfingsten ist tatsächlich das Resultat der Erhöhung Christi, als die Gemeinde, geistlich gesehen, in eine lebendige Gemeinschaft mit ihm, dem Erhöhten, gebracht wird. Da habt ihr euer Prinzip in der einfachen Geschichte von Joseph. Ihr könnt so weiterfahren und sehen, wie Gott in ganz simplen Details getreu dem Prinzip bewahrt hat; ihr stellt fest, dass seine ewigen Prinzipien in den einfachsten Dingen des Alten Testamentes verkörpert sind, wobei diese letztendliche Erklärung erfüllt wird, dass das Zeugnis Jesu eben dieser Geist der prophetischen Rede sei (Offenbarung 19,10). Da leuchtet etwas auf von einer großen himmlischen Wahrheit, nämlich, dass der Geist der Prophetie auf Christus hinweist.

Ich frage mich, ob ihr wirklich die ungeheure Bedeutung des göttlichen Prinzips in den Dingen gesehen habt und davon beeindruckt worden seid. Es gibt da ein Prinzip, und die Anerkennung und Respektierung dieses Prinzips bestimmt über den Erfolg des Ganzen. Nun, nur der Heilige Geist kennt all diese göttlichen Prinzipien, nur er kennt den Sinn Gottes, die Gedanken Gottes in Fülle. Wenn also die Dinge im vollen Gedanken und Vorsatz Gottes gehalten werden sollen, kann das nur unter einer Salbung geschehen - was bedeutet, dass der Heilige Geist die Sache in die Hand genommen hat. Ein gesalbter Dienst bedeutet, dass Gott, der Heilige Geist, die Verantwortung für das Ganze übernommen hat; er hat sich darauf verpflichtet; ich nehme nicht an, dass jemand die Feststellung von der Notwendigkeit des Heiligen Geistes bestreiten oder in Frage stellen wird, die Notwendigkeit, dass er die Sache in die Hand nimmt; dass alles durch ihn getan haben muss. Aber oh, das bedeutet ein ganzes Stück mehr als bloß eine allgemeine Wahrheit und eine allgemeine Position.

b. Erkenntnis durch Offenbarung vermittelt

Das führt zu dieser zweiten Angelegenheit im Zusammenhang mit dem prophetischen Dienst: Durch die Salbung kommt Offenbarung. Wir können auf allgemeine Weise die Notwendigkeit akzeptieren, dass der Heilige Geist alles tut - einführen, leiten, regieren und die Kraft und Inspiration von allem sein; doch oh! das ist eine lebenslange Erziehung, und es macht es nötig, dass alles durch Offenbarung vermittelt wird. Das ist der Grund, weshalb die Propheten ursprünglich «Seher» genannt wurden - Männer, die sahen. Sie sahen, was kein anderer Mensch sah. Sie sahen, was für andere Leute zu sehen unmöglich war, selbst für religiöse, gottesfürchtige Leute. Sie sahen durch Offenbarung.

Ein prophetischere Dienst erfordert Offenbarung; es ist ein Dienst durch Offenbarung. Wir werden dies später genauer untersuchen, doch möchte ich im Augenblick bloß die Tatsache unterstreichen. Ich denke dabei nicht an eine Offenbarung zusätzlich zur Schrift. Ich kann nicht den Standpunkt gewisser «Propheten» (?) in der Gemeinde heute einnehmen, die zusätzlich zur Schrift prophetisch reden. Nein, doch innerhalb der Offenbarung, die bereits gegeben worden ist - und Gott weiß, dass sie schon groß genug ist! - ist der Heilige Geist trotzdem in Bewegung, um zu offenbaren, «was kein Auge gesehen und kein Auge je gehört hat». Das ist das Wunder eines Lebens im Geist. Es ist ein Leiben von ständig neuen Entdeckungen; alles ist voller Überraschung und Wunder. Ein Leben unter dem Heiligen Geist kann nie statisch sein; es kann hier unten nie Endgültigkeit erreichen, noch an einen Punkt gelangen, wo die Summe aller Wahrheit in Schubladen versorgt ist. Ein Leben wirklich im Heiligen Geist ist ein Leben, das erkennt, dass es unendlich, überragend mehr gibt als wir bisher gesehen, erfasst oder empfunden haben. Leute, die WISSEN, die an einem fixen Platz angelangt sind und nichts mehr sehen können - und noch weniger sich bewegen lassen - das ihre gegenwärtige Position übersteigt, repräsentieren eine Stellung, die dem Sinn des Heiligen Geistes fremd ist. Prophetischer Dienst unter dem Heiligen Geist ist ein Dienst durch wachsende Offenbarung.

Ein Prophet war ein Mann, der wieder und wieder zu Gott zurückkehrte, und der nicht hervortrat, um zu sprechen, bis Gott ihm das Nächste gezeigt hatte. Er fuhrt nicht einfach mit seinem professionellen Amt fort, weil er eben ein Prophet war und weil dies von ihm so erwartet wurde. Es gab nichts Professionelles an seiner Position. Wenn es professionell wurde, brach die Tragödie über den prophetischen Dienst herein. Es wurde erst professionell durch die «Schule der Propheten», die Samuel einrichtete. Wir dürfen diese Prophetenschulen nicht mit dem wahren prophetischen Amt verwechseln. Es bestand ein (grundlegender) Unterschied zwischen denen, welche der Propheten absolviert hatten und den echten Propheten, wie sie Samuel, Elijah und Elisha repräsentierten. Sobald Dinge professionell zu werden beginnen, geht etwas verloren, weil das eigentliche Wesen und die Natur des prophetischen Dienstes eben darin besteht, dass er jedesmal aus Offenbarung frisch hervor geht. Eine geoffenbarte Sache ist neu; es mag etwas Altes, (schon Bekanntes) sein, aber es hat etwas an sich, das vom Herzen des Betreffenden als frisch wie eine Offenbarung empfunden wird, und es ist (für ihn) so neu und wunderbar, dass die Wirkung bei ihm die ist, als hätte das niemand zuvor je gesehen, obwohl es bereits Tausende vor ihm gesehen haben. Es ist die Natur der Offenbarung, die Dinge lebendig und frisch zu erhalten, erfüllt mit göttlicher Energie. Ihr könnt eine alte Position nicht einfach durch die alte Lehre zurückgewinnen. Ihr könnt die Wahrheit der ersten Tage des Neuen Testamentes exakt darstellen, und dennoch weit entfernt sein davon, die Zustände zu haben, wie sie damals herrschten.

Prophetische Sukuzession ist nicht die Sukzession der Lehre; es ist die Sukzession der Salbung. Etwas kann von Gott herein kommen, durch die Wirksamkeit Gottes; es mag etwas sehr Reales, sehr Lebendiges sein, das Gott durch ein bestimmtes Instrument bewirkt, sei es individuell oder kollektiv, das lebendig ist, weil Gott es unter seiner Salbung herein gebracht hat. Dann aber versucht jemand, es zu imitieren, es zu duplizieren, oder später greift es jemand auf und versucht, es weiterzuführen; irgend jemand wurde durch das Los bestimmt, erwählt, ausgesucht, der Nachfolger zu sein. Die Sache geht weiter und wächst; doch irgend ein entscheidender Faktor ist nicht mehr dabei. Die Sukzession wird nur durch die Salbung garantiert, nicht durch irgend einen Rahmen, auch nicht durch Lehre. Wir können keine neutestamentlichen Zustände zurück gewinnen, indem wir neutestamentliche Lehre wiederholen. Wir benötigen neutestamentliche Salbung. Ich nehme nicht Abstand von der Lehre; sie ist nötig; aber es ist die Salbung, welche die Dinge lebendig, frisch, vibrierend macht. Alles muss durch Offenbarung kommen.

Es gibt solche unter uns, die imstande sind, unsere Bibeln zu analysieren und die Inhalte ihrer Bücher und aller ihrer Lehren vielleicht auf sehr interessante Art zu präsentieren. Wir können das mit dem «Epheserbrief» tun, genauso wie wir dies mit allen andern Büchern tun können. Wir können den «Epheserbrief» aufschlagen, ihn analysieren, die Gemeinde und den Leib Christi und all das aufzeigen, und dabei blind sein wie Fledermäuse, bis der Tag kommt, da wir, nachdem Gott etwas in uns, etwas Tiefes und Gewaltiges und Ungeheuerliches getan hat, die Gemeinde SEHEN, den Leib Christi SEHEN - den «Epheserbrief» SEHEN! Das waren zwei verschiedene Welten: die eine war die Wahrheit, im technischen Detail exakt, voller Interesse und Faszination - doch etwas fehlte. Wir hätten die Wahrheit von Anfang bis Ende darlegen können, aber wir wussten nicht, was in ihr war; aber solange wir nicht durch diese Erfahrung gegangen sind und etwas in uns geschehen ist, mögen wir glauben, wir wüssten es, wir können sogar sicher sein, dass wir es wissen, wir wären sogar imstande, unser Leben dafür hinzugeben; und doch wissen wir nichts. Es ist ein ganz großer Unterschied zwischen einer sehr klugen, klaren, mentalen Wahrnehmung und Erfassung von Dingen im Worte Gottes, und einer geistlichen Offenbarung. Es ist der Unterschied zweier verschiedener Welten - aber es ist völlig unmöglich, den Menschen diesen Unterschied verständlich zu machen, solange nicht etwas geschehen ist. Wir werden über dieses «Etwas, das geschehen ist», später sprechen, hier wollen wir einfach die Tatsachen festhalten. Durch Salbung geschieht Offenbarung, und eine Offenbarung durch die Salbung ist entscheidend dafür, zu erkennen, worauf Gott hinaus will, sowohl ganz allgemein als auch im Detail.

So aufbauend, gelangen wir dahin: Ein Prohetischer Dienst ist das, was - auch wenn noch viele Details erst noch geoffenbart werden müssen, selbst bei den erleuchtetsten Dienern Gottes - durch den Heiligen Geist DEN VORSATZ GOTTES GESEHEN HAT, ursprünglich und endgültig.

c. Exakte Gleichförmigkeit mit den Gedanken Gottes

Und dann ist da noch das Dritte, das wir im Zusammenhang mit dieser Salbung feststellen. Es ist das, was wir schon ganz allgemein erwähnt haben - Exaktheit.

Die Salbung führt zu dieser BERÜHRUNG GOTTES AUS ERSTER HAND, was bedeutet, dass wir Gott von Angesicht zu Angesicht sehen. War es nicht das, was das Leben von Mose zusammenfasste? «Es ist seither kein Prophet in Israel aufgestanden wir Moses, der den Herrn von Angesicht zu Angesicht kannte» (5. Mose 34,10). Und wenn das geschieht, kommt ihr an den Punkt einer direkten geistlichen Erkenntnis Gottes, ihr gelangt in eine direkte Berührung mit Gott, an den Ort eines offenen Himmels - dann könnt ihr, wie immer man es betrachten mag, was für Vorteile es auch immer für euch bringen könnte, eine Person sein, die Kompromisse eingeht, die von dem abweicht, was eurem Herzen gezeigt worden ist.

Was hat der Apostel über Moses gesagt? «Moses war treu in seinem Hause als Knecht» (Hebr. 3,5); und die Treue von Moses lässt sich besonders und weitgehend an der Art erkennen, wie er exakt durch das beherrscht wurde, was Gott gesagt hatte. Ihr kennt jene späteren Kapitel des 2. Mosebuches, in denen alles immer wieder zum Wort zurückgeführt wird, wieder und wieder und wieder, «wie der Herr dem Mose geboten hat». Alles geschah so, wie Gott es gesagt hatte; durch das ganze System hindurch, das einzusetzen und aufzurichten Moses erweckt wurde, wasr es bis ins Detail exakt. Wir wissen natürlich, warum; und hier ist die große, die großartige, umfassende Erklärung für das, was ich eben über Prinzipien gesagt habe. Gott hat die ganze Zeit Christus im Blickfeld, in jedem Detail, und dieses System, das Moses einführte, war die Repräsentation Christi in Bruchteilen; und so war es nötig, dass er in jedem Detail exakt war. Das ist ein schwieriger, ein kostspieliger Weg, aber ihr könnt nicht Offenbarung haben und in der Offenbarung weiter schreiten, und gleichzeitig in Details Kompromisse machen und die Dinge an irgend einem Punkt anders haben als genau so, wie der Herr sie haben möchte. Ihr werdet nich von Diplomatie, von Politik oder von der öffentlichen Meinung beherrscht. Ihr werdet von dem beherrscht, was der Herr in eurem Herzen durch offenbarung in Bezug auf seinen ewigen Vorsatz gesagt hat. Das ist prohetischer Dienst.

Propheten waren keine Männer, die sich an irgend etwas anpassten, das in seiner Güte relativ war. Sie ließen sich nie völlig los, wenn die Sache nur relativ gut war. Seht euch Jeremia an. Es gab im Leben Jeremias einen Tag, an dem ein guter König versuchte, die Dinge wiederherzustellen, und er führte ein großes Passahfest ein, und die Leute zogen in Scharen her, um dieses Passah zu feiern, und scheinbar war es ein großer Anlass. Sie taten Großes dort in Jerusalem, doch bei all dem, was an Gutem vor sich ging, wenigstens dem äußeren Anschein nach gut, hielt sich Jeremia zurück. Er hatte da seine Vorbehalte, und er hatte recht. Nachher zeigte es sich, dass diese Sache viel zu äußerlich war, dass das eigentliche Herz des Volkes sich nicht geändert hatte, die Opferhöhen waren noch nicht beseitigt, und Jeremias ursprüngliche Prophetie blieb bestehen. Wäre die angebliche Reformation das Echte gewesen, dann wären Jeremias Prophetien über die Gefangenschaft, die Zerstörung der Stadt, die Vollstänidge Auslieferung an das Gericht für nichts gewesen. Jeremia hielt sich zurück. Vielleicht hat er nicht verstanden, vielleicht war er darüber verwirrt, doch sein Herz erlaubte ihm nicht, völlig mit dieser vergleichsweise guten Sache einig zu gehen. Er fand später den Grund dafür heraus - obwohl es bis zu einem gewissen Punkt gut war, repräsentierte es keinen tieferen Wandel, und so musste das Gericht kommen.

Der Prophet kann etwas nicht als voll und endgültig akzeptieren, was nur relativ ist, obwohl er sich an dem Maß an Gutem freut, das da vorhanden sein mag. Wir sollten natürlich jedem bisschen Gutem gegenüber großzügig sein, das es in der Welt gibt - lasst uns dankbar sein für alles, das richtig, wahr und von Gott ist; doch oh! doch wir können nicht sagen, es befriedige den Herrn vollständig, das sei alles, was der Herr möchte. Nein, dieser prophetische Dienst ist dem Gedanken Gottes aufs Äußerste treu. Es ist ein Dienst der Exaktheit. Das ist es, was die Salbung bedeutet, und wir haben auch gesagt, warum - es ist ein VOLLER Christus, der im Blickfeld steht.

Die letzte Aussage in Offenbarung 19,10 fasst das alles zusammen. Es bringt den prophetischen Dienst von Anfang an in einem Satz zusammen. Ich gehe davon aus, dass der prophetische dienst an dem Tage anfing, als vom Samen der Frau gesagt wurde, dass er den Kopf der Schlange zertreten werde, und dann ging es weiter zu Henoch, der prophetisch aussagte: «Siehe, der Herr kam...» (Judas 14), und so ging es von da direkt weiter. Es wird alles am Ende der Offenbarung in diesem Gedanken zusammengefasst: «Das Zeugnis Jesu ist der Geist prophetischer Rede». Das heißt, der Geist der Prophetie ist von Anfang bis Ende auf dieses ausgerichtet - auf das Zeugnis Jesu. Der Geist der Prohetie hatte immer ihn im Blick, von seiner ersten Äußerung an - «der Same der Frau» - bis «siehe, der Herr kam» (und wie der Anfang und das Ende schon so früh zusammen gebracht wurden). Auf dem ganzen Weg hatte er stets den Herrn Jesus im Blickfeld, und einen vollen Christus! «Er gab Propheten... bis wir alle hingelangen... zur Fülle Christi». Das ist das Ziel, und Gott kann nie nie mit irgend etwas zufrieden gestellt werden, das geringer ist als die Fülle seines Sohnes, dargestellt in der Gemeinde. Die Gemeinde ist dazu bestimmt, seine Fülle zu sein; ein erwachsener Mann - das ist die Gemeinde. Der prophetische Dienst ist dem gewidmet, der Fülle Christi, der Endgültigkeit Christi, die umfassende Realität Christi. Es muss Christus sein, sowohl im Zentrum wie an der Peripherie; Christus, der erste und der letzte; Christus allgemein und Christus in jedem Detail. Und Christus durch Offenbarung zu sehen bedeutet, dass ihr nie etwas Geringeres oder Anderes akzeptieren könnt. Ihr habt gesehen, und das hat die Sache erledigt. Der Weg, um das Ziel Gottes zu erreichen, ist SEHEN durch den Heiligen Geist, und dieses Sehen ist die Basis dieses prophetischen Dienstes.

Ich denke, das ist vielleicht genug, um zu zeigen, was ich früher gesagt habe, dass, wenn wir die Natur des Dienstes sehen, wir sofort erkennen, was das Gefäß ist. Das Gefäß können Einzelne sein, die einen solchen Dienst erfüllen, oder es kann auch kollektiv sein. Wir werden später noch etwas mehr über das Gefäß sagen, doch wollen wir jetzt nicht technisch denken, in Form von Aposteln und Propheten und so weiter, als Ämter. Wir wollen von ihnen als von lebensmäßigen Funktionen denken. Gott ist darum besorgt, dass der Mann und die Funktion identisch sind, und nicht der Mann und eine berufsmäßige Stellung mit einem Titel, wie immer der Titel auch lauten mag. Das Gefäß muss DIES sein, und DIES mus das Gefäß rechtfertigen. Wir wollen nicht herumspazieren und uns als Propheten anpreisen; doch möge es der Herr schenken, dass für eine Zeit wie diese ein prophetischer Dienst erweckt werde, da sein ganzer Vorsatz bezüglich seines Sohnes unter seinem Volk ins Blickfeld zurückgebracht wird. Das ist das, was sie brauchen, und es ist auch sein Bedürfnis.

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