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Was es bedeutet, ein Christ zu sein

von T. Austin-Sparks

Kapitel 4 - Die ewige Aussicht des Christen

Am Anfang haben wir gesehen, dass das Christenleben nicht etwas ist, das in dieser besonderen Ära auftaucht - der christlichen Ära, wie sie genannt wird - sondern dass es vielmehr bis in die zurückliegende Ewigkeit zurückreicht. Wir haben gesehen, dass es von Gott in seinen ewigen Ratschlüssen entworfen wurde - das Neue Testament hat viel darüber zu sagen - und dass dieser ewige Vorsatz, dieser ewige Entwurf sich auf entscheidende und besondere Weise in diese Heilszeit hinein hinein drängt.

Nun müssen wir erkennen, dass sich auch die zukünftige Ewigkeit ebenfalls in diese Heilszeit hineindrängt. Die zukünftige Ewigkeit beherrscht die Gegenwart, gestaltet und erklärt die Gegenwart. Gott arbeitet nicht nur nach vorne. In Tat und Wahrheit ist der Blick nach vorne der göttlichen Aktivitäten unsere Seite der Dinge. Gott arbeit sozusagen «rückwärts». Von seiner Seite der Dinge her gesehen arbeitet er immer rückwärts zu seinem vollen Gedanken in der vergangenen Ewigkeit. Er bringt uns zwar vorwärts, aber von diesem andern Standpunkt aus gesehen bringt er uns zurück.


Das vorausschauende Element im Neuen Testament

So kommen wir also zu dieser Frage der ewigen Aussicht des Christen. Wir müssen erkennen - und das ist gar nicht so schwierig - dass es im Neuen Testament ein sehr großes vorausschauendes Element gibt: Das heißt, das Neue Testament blickt immer voraus. Im Neuen Testament wird alles von den kommenden Zeitaltern dominiert. Gottes Konzept war ein ewiges Konzept, es bezog sich nicht nur auf die Zeit; es ist etwas weit, weit Größeres, als dass es in seiner ganzen Fülle in einer bestimmten Zeitperiode verwirklicht werden könnte. Und ganz gewiss kann es nicht während der Lebenszeit irgend einer Person realisiert werden. Das ist «von Ewigkeit zu Ewigkeit», und es erfordert Zeitlosigkeit, damit es ganz realisiert werden kann.

Das erklärt natürlich eine ganze Menge. Es erklärt zum Beispiel die eigentliche Natur des Christenlebens und des Dienstes eines Christen. Ein sehr großer Faktor ist auf den Wegen Gottes mit seinem Volk, mit Christen, derjenige der Erfahrung. Gott legt sehr großen Wert auf die Erfahrung. Und doch hat es oft den Anschein, dass, gerade wenn wir anfangen, von der Erfahrung zu profitieren, das Ende kommt, und wir werden aus diesem Leben gerufen, und die lange, volle und tiefe Erfahrung hat nie einen angemessenen Ausdruck gefunden. Etwas daran kann zum Problem werden. Wenn Gott so großen Wert auf die Erfahrung legt, und wir sie dann, wenn wir sie gemacht haben, nicht anwenden können, dann sieht das aus wie ein Widerspruch. Irgendwo und irgendwie muss eine Fortsetzung stattfinden, um all die tiefe Erfahrung nutzbar zu machen, um die zu produzieren Gott sich so viel Mühe gemacht hat. Und so erklärt diese ewige Voraussicht Gottes Wege mit uns auf dem Weg tiefer und sich immer weiter vertiefender Erfahrung.

Dann, was das Werk Gottes betrifft. Nun, das Werk ist schwierig, es ist hart; der Fortschritt ist allzu langsam; und auch wenn ihr vieles tut und euer Leben erfüllt, wenn ihr dann alle Tage verbracht habt, die euch zugemessen worden sind und ihr euch bis zum letzten Tropfen verausgabt habt, was habt ihr dann bewirkt? Was kommt dabei allerhöchstens heraus? Wir müssen sagen - wenig, vergleichsweise wenig. Es gibt noch so viel mehr zu tun, und jede nachfolgende Generation von christlichen Mitarbeitern hat dieselbe Geschichte zu erzählen. Vorwärts geht's, und immer weiter vorwärts, aber nie überholen wir, nie gelangen wir in diesem Leben zu etwas wie Fülle. Etwas mehr ist erforderlich, um sowohl unser unvollkommenes Leben als auch unser unvollkommenes Werk zu vervollkommnen.

Und dann ist ein weiterer Faktor, und zwar kein geringer, der, dass Gott sich sehr viel mehr mit dem Mitarbeiter als mit seiner Arbeit zu befassen scheint. Natürlich schafft dies Verwirrung im Blick auf das Christenleben und den christlichen Dienst. Wäre Gott wirklich an unserem christlichen Werk interessiert, dann würde er bestimmt nie zulassen, dass wir wiederholt und manchmal für längere Zeit daraus entfernt werden, und ganz bestimmt würde er nicht zulassen, dass wir, wie wir sagen, «frühreif» sterben sollten. Wenn das Werk alles ist, dann müsste er all unsere Tage dafür sorgen, dass wir im vollen Einsatz sind, und er müsste unsere Tage zu ihrer vollen Länge ausdehnen; aber das tut er nicht. So sind einige seiner kostbarsten Diener nicht imstande, auf die Weise handlungsfähig zu sein, zu dienen, wie es gewöhnlich von einem christlichen Dienst erwartet wird; und selbst diejenigen, die voll handlungsfähig sind, sind sich bewusst, dass das eigentliche Bedürfnis im Werk Gottes darin besteht, dass wir eine tiefere Erkenntnis von Gott selbst erwerben - dass Gott sich mehr mit IHNEN befasst als mit ihrem Werk.

Was sagt uns dies? All diese Disziplin, diese Züchtigung, diese Prüfung, dieses Getestetwerden, das wir unter der Hand Gottes durchlaufen müssen: ist das alles einfach für jetzt? Sicher bereitet er uns auf etwas Größeres vor. Er befasst sich mit Männern und mit Frauen - mit Leuten also - ebenso sehr, wenn nicht mehr, als mit dem, was sie für ihn tun. Das soll natürlich niemals als eine Entschuldigung dafür gelten, dass wir uns nicht bis zu unserer vollen Kapazität einsetzen, aber es weist alles auf etwas Weiteres hin. Nichts ist vollkommen oder vollständig, solange der Tod bleibt. Ihr werdet euch an das Argument erinnern, das der Apostel im Hebräerbrief bezüglich des Priestertums im Alten Testament entwickelt. Ein Priester der alten Heilsordnung konnte nichts zur Vollendung bringen, weil er starb und alles einem andern überlassen musste; und genau so erreichte er nie die endgültige Gestalt; und so ging das weiter. Das Argument lautet, dass wegen des Todes nichts vollendet werden konnte. Doch er - Jesus, unser Hoherpriester - hat die Dinge vollkommen gemacht und macht sie noch vollkommen, weil «er lebt». Ein endloses Leben ist nötig - «die Kraft eines unauflöslichen Lebens» - um die Fülle zu erreichen. Das wir ganz klar in der Schrift aufgezeigt.

Ihr seht, das Bild der Unsterblichkeit, das die Bibel uns gibt, ist ein sehr wunderbares, und eines, das wir natürlich in der gegenwärtigen Ordnung der Dinge nicht verstehen können. Das Bild der Unsterblichkeit, das die Bibel uns gibt, ist dasjenige von neuen Hervorbringungen, die entstehen, ohne dass die alten sterben. Unsere gegenwärtige Ordnung ist die, dass alles Neue aus einem vorausgegangenen Tod hervorgeht. Samen, Blumen, alls muss sterben, um das Neue hervorzubringen, oder um den Weg für etwas Neues zu bereiten. Das war die natürliche Ordnung der Dinge seit Adams Fall. Und das Herz dieser gegenwärtigen Heilszeit ist die große Wahrheit von Jesus Christus, der als Weizenkorn in die Erde fällt und stirbt, um einer Produktion von viel größerer Reichweite Platz zu machen. Das ist die Ordnung dieser Heilszeit. Doch das ist nicht die Ordnung der kommenden Ewigkeit. Das Bild der Unsterblichkeit docht ist, wie es uns in der Bibel vorgestellt wird, das Bild von Bäumen, die neue Zweige, neue Blätter, neue Früchte hervorbringen, obwohl die alten niemals sterben. Frucht wird zur vollkommenen Reife gebracht ohne irgendwelchen Tod. Das ist recht wunderbar, nicht wahr?

Und wie viel ist im Wort die Rede von einem Drang und einer Aufforderung zu Ganzherzigkeit, zum Äußersten. Die ganze Zeit drängen uns die Apostel und auferlegen uns das Gewicht dieser großen Aufforderung, weiterzugehen - weiterzugehen, weiterzugehen! Durch Ermahnung, durch Warnung sagen sie uns ständig: «Geht weiter und immer weiter! Habt keine Randstellen in eurem Leben, die nicht für Gott verzehrt werden!» Und der Punkt dieses Argumentes, dieses Drängens und dieser Aufforderung, ist die kommende Ewigkeit. All dies steht im Licht dessen, was nachher kommt. Wir müssten aufs Äußerste sein für Gott wegen dessen, was folgen wird, weil das noch nicht das Ende ist. Es gibt etwas, das, indem es nachher kommt, die Rechtfertigung dafür aufzeigen wird, dass wir unser Äußerstes für Gott gegeben haben.


Das verhältnismäßige Element in der Ewigkeit

Nun, das führt uns zur nächsten Sache in diesem Zusammenhang - zum verhältnismäßigen Element in der Ewigkeit. Es gibt, und ich denke, da stimmen wir alle damit überein, im Christenleben ein vorausschauendes Element, das ein großes Stück des Neuen Testamentes einnimmt. Schneidet dieses vorausschauende Element aus dem Neuen Testament heraus und seht, was dann noch übrig bleibt, handle es sich um die Evangelien oder um die Briefe. Es wird euch nicht sehr viel übrig bleiben, wenn ihr das herausnehmt. Es ist einfach da, und es ist mächtig da. Aber zusätzlich gibt es im Neuen Testament auch noch das, was ich das verhältnismäßige Element in Bezug auf die kommende Ewigkeit nenne. Damit meine ich, dass die Dinge hernach sich nicht auf der Stufe einer Massenproduktion bewegen werden. Es wird Unterschiede geben, was die Kinder Gottes betrifft, und zwar sehr große Unterschiede.

Genau darauf wies der Apostel hin, als er an die Korinther schrieb. Indem er vom Fundament und von der darüber entstehenden Struktur sprach, sagt er: «Das Fundament ist gelegt. Nun soll jeder genau zusehen, wie er darauf weiterbaut. Wenn jemand mit Holz, Heu, Stroh, Gold, Silber, Edelsteinen baut, so wird das Werk dieses Menschen durch Feuer getestet» (1. Kor. 3,10-13). Und, das versteht sich von selbst, wenn mit Holz, Heu oder Stroh gebaut wird, wird alles in Rauch aufgehen. Und dann erwähnt er dieses ungeheuer starke Wort: «Wird das Werk eines Menschen in Flammen aufgehen, wird er Schaden erleiden; doch er selbst wird gerettet, allerdings wie durchs Feuer hindurch». Das heißt, der Mann wird gerade noch durchschlüpfen, als eine Art «dringender Notfall» - er schafft es gerade noch, mit, wie wir sagen, «knapper Not» hinein zu gelangen. Doch alles andere ist vergangen. Das Argument lautet natürlich, dass das nicht das ist, was Gott beabsichtigt hat. Dem gegenüber haben wir einen Satz wie diesen: «Denn so wird euch reichlich der Eingang in das ewige Königreich gewährt werden» (2. Petr. 1,11). Auf der einen Seite sehen wir die Möglichkeit, gerade noch hinein zu kommen, mit unserem bloßen Leben und nichts anderem; auf der andern Seite aber einen reichlichen Eingang in das ewige Königreich. Seht ihr, da gibt es Unterschiede, es gibt verhältnismäßige Gesichtspunkte hinsichtlich dessen, was nachher kommt.

Wie aber steht es mit jenen Botschaften an die sieben Gemeinden in Asia, die wir am Anfang des Buches der Offenbarung vorfinden? Ich glaube, dass die Menschen in jenen Gemeinden echte Christen und keine bloßen Bekenner sind. Wenn ihr das zugesteht, dann müsst ihr euch der Tatsache stellen, dass es zwischen Christen und Christen Unterschiede gibt, denn da gibt es einige sehr deutliche Verheißungen an bestimmte Christen dort. «Dem, der überwindet...», «dem, der überwindet...», «dem, der überwindet, werde ich ... geben...» Die Logik zieht daraus den Schluss: «Wenn nicht, dann eben nicht. Wenn ihr nicht überwindet, werdet ihr nicht bekommen, was der Herr anbietet». Da gibt es Unterschiede. Ich glaube nicht, dass es sich da um den Verlust der Errettung handelt, aber es geht um etwas mehr als bloß gerettet zu werden, als bloß hinein zu kommen.

Die Beziehung zum Herrn für die ewige Berufung

Welches ist die Natur des Unterschiedes oder der Unterschiede? Einige werden sagen: «Nun, es geht natürlich um die Belohnung». Doch was sagt das Neue Testament in Bezug auf die Natur dieser Belohnung? Die Antwort ist ganz klar folgende. Die Belohnung bezieht sich auf die BERUFUNG. Sie hängt von der Berufung ab - sie hängt stets von der Berufung ab. «Und sein Knecht wird ihm dienen; und sie werden sein Angesicht sehen» (Offenb. 22,3.4). Es ist Dienst, aber Dienst ohne die mühsamen Elemente, die so oft mit dem Dienst jetzt in Verbindung stehen: Dienst für ihn ohne Begrenzung, ohne Einschränkung, ohne Opposition, ohne Leiden. Imstande zu sein, ihm zu dienen! Gewiss kann es keine größere Freude geben, als einfach imstande zu sein, dem Herr ohne die Enge, die Begrenzungen und Schwierigkeiten des jetzigen Werkes in Fülle zu dienen.

Nun, das ist der Punkt, auf den das Neue Testament seinen Finger legt. Es ist der Ruf, die Berufung; und diese, so zeigt es weiter, ist eine Frage der Position in Beziehung zum Herrn, verschiedene Positionen also für den Dienst. Nehmen wir eine Illustration dafür aus einer der Botschaften an die Gemeinden. «Wer überwindet, dem werde ich gewähren, mit mir auf meinem Thron zu sitzen» (Offenb. 3,21). Ihr habt hier zwei Vorstellungen. Das eine ist eine sehr enge Beziehung zum Herrn, eine sehr intime Nähe zu ihm; die andere ist königlicher Dienst - der Dienst für den Thron. Was ist eure Vorstellung von diesem Sitzen mit ihm auf dem Thron? Lasst uns keine Bilder ausmalen vom Sitzen auf goldenen oder elfenbeinernen Thronen usw. Es bedeutet einfach ein Vereintsein mit dem Herrn in der Administration seines ewigen Königreiches. Das ist Dienst. Doch wird gesagt, dies sei eine besondere Gabe an spezielle Leute - es ist ihre Belohnung, wenn ihr so wollt. Der Punkt ist der, dass es von der Berufung abhängt, und es ist auch eine Frage der Beziehung zum Herrn.

Das abschließende Bild, das wir im Neuen Testament haben, ist eine Verkörperung dieser geistlichen Prinzipien, allerdings voll von Symbolismen. Es ist das Bild einer Stadt. Auch hier müsst ihr euch wiederum im Klaren sein, dass es sich nicht um eine buchstäbliche Stadt handelt. Es ist bloß eine Illustration, eine Figur, ein Symbol. Diese Stadt ist zweifelsfrei die Gemeinde. Muss ich das mit Argumenten belegen? «Das Jerusalem droben ... ist unsere Mutter» (Gal. 4,26). «Ihr seid gekommen... zum himmlischen Jerusalem ... und zur Gemeinde der Erstgeborenen». So ist also diese Stadt, von der gesagt wird, sie sei das «Neue Jerusalem, das von Gott aus dem Himmel herabkommt» (Offenb. 21,2), die Gemeinde. Nun, wie eine Hauptstadt wird sie in eine besondere und einzigartige Position versetzt, und die Vorstellung einer solchen Stadt ist die, dass es sich um ein administratives Zentrum handelt. Es wird uns gesagt, «die Nationen würden in ihrem Lichte wandeln» (V. 24). Ihr seht, in ihrem Zentrum ist etwas da für die Regierung, und es gibt noch viel mehr, das nicht im Zentrum ist. Es handelt sich hier also um die Nähe zum Herrn, um die Beziehung zum Herrn für die ewige Berufung zur Administration in seinem Königreich.

Der Drang und die Erfordernis

Das genügt bestimmt, um die Aussage zu bestätigen, dass es in der kommenden Ewigkeit ein verhältnismäßiges Element gibt. Und das ist auch der Punkt, wo etwas dringend und unbedingt erforderlich wird, das ist die Kraft des Drängens: «Lasst uns zur vollen Reife vorandrängen» (Hebr. 6,1) - nicht zurückblicken, sondern vorandrängen; es ist die Kraft aller Warnungen - damit ihr nicht eure Errettung verliert, sondern dass es Positionen und eine Berufung gibt, zu der ihr in Ewigkeit berufen worden seid, die ihr vielleicht verpassen könnt. Ich denke, Paulus sah dies in dem, was er «die himmlische Berufung» nannte (Phil. 3,14). Er sah etwas von diesem herrschenden Leben in den kommenden Zeitaltern.

Nun, bei Gott ist nichts amtsmäßig. Gott stellt nie Beamte ein in seinem Königreich. Es gibt keine Politiker - politische Beamte - in seinem Königreich. Auch gibt es keine Kleriker - kirchliche Amtsträger. Ich wiederhole: Bei Gott gibt es nichts, das bloß amtlichen Charakter trägt. Ihr wisst, dass Gott keine Beamte einsetzt in seiner Gemeinde. Gottes Prinzip, nach dem er Leute einsetzt, entspricht immer dem geistlichen Maß. Selbst jetzt in der Gemeinde - sofern sie geistlich ist, sofern sie seinem Sinn entspricht - bestimmt Gott solche zur Aufsicht, die Männer von geistlichem Maß sind; sie werden nicht selektioniert, ausgesucht oder durch eine öffentliche Abstimmung abgesegnet. Das erfordert das Prinzip des Neuen Testamentes, im Reich Gottes geht es so zu und her. Keiner bekommt je irgend eine Position, weil er offiziell in sie eingesetzt worden ist. Überhaupt nicht! Jede Position ist nur nach dem geistlichen Maß erhältlich.

Daher werden wir wiederholt dazu angehalten - «lasst uns zur vollen Reife vorangehen». Es geht immer nach «dem Maß der Gestalt der Fülle Christi» (Eph. 4,13). Es geht einfach darum, wieviel von Christus vorhanden ist, wie groß wir gemäß dem Standard von Christus sind. Das ist Gottes Ausgangspunkt für jede Einsetzung, und es wird immer so sein. So läuft es jetzt, und es wird auch noch in den kommenden Zeitaltern so sein. Es wird immer darum gehen, dass die Berufung davon abhängt, wieviel von Christus in der betreffenden Person vorhanden ist. Gottes ganzer Gedanke geht, wie wir schon am Anfang dieser Betrachtungen gesehen haben, dahin, dass Christus alles ausfüllen soll.

Nun, das erklärt unsere Disziplin, denn unsere Disziplin ist unser Training für jenen Zeitpunkt; und die Natur unserer jetzigen Disziplin besteht ganz einfach darin, das Maß von Christus zu vergrößern und das Maß des «Ich» auf jede Weise zu verkleinern; den Menschen zu beseitigen, der die Stelle von Christus einnimmt, und Christus an seine Stelle zu setzen. Das umfassende Ziel des Heiligen Geistes in dieser Heilszeit ist es, Christus alles sein zu lassen, und so viel Platz für Christus wie immer möglich zu schaffen - und das bedeutet, was uns betrifft, so viel wir ihm überlassen. Das wirft uns natürlich auf die Frage zurück: Werden wir wirklich unser «äußerstes» geben? Das Maß unseres «Äußersten» wird das Maß unserer Brauchbarkeit in den kommenden Zeitaltern sein. Diese werden nämlich durch das geistliche Maß beherrscht werden, durch kein anderes Prinzip.

Belohnung und Gnade

Einige Menschen haben Schwierigkeiten - allerdings rein mental - Belohnung und Gnade mit einander zu versöhnen. Einige möchten sagen: «Oh, aber es ist doch alles aus Gnade, und Sie machen daraus ein Werk. Schließlich ist alles reine Gnade». Wie könnt ihr Belohnung und Gnade miteinander versöhnen? Nun, irgendwie müsst ihr den Ort für Belohnung finden, nicht wahr? Das ist nicht so schwierig, wie es scheint. Es ist die reine Gnade Gottes, dass wir eine Chance haben, überhaupt unser «Äußerstes» zu geben. Es ist reine Gnade, dass ich ein Christ sein und mit dem Herrn voran gehen kann, dass ich dem Herrn auch nur ein bisschen dienen kann. Es ist alles Gnade. Und wenn Leiden zur Herrlichkeit führt, und wenn das Maß der Herrlichkeit sich nach dem Maß des Leidens richtet, dann benötigen wir auch dazu ausschließlich Gnade von Gott. Ihr könnt den Bereich der Gnade nie verlassen. Sollte es je eine Belohnung geben - wenn ihr es euch gerne als etwas vor Augen führen möchtet, das euch buchstäblich jetzt angeboten wird, dann kann ich dir, lieber Freund, sagen, dass wir, wenn wir zu dem Punkt des vollen Verständnisses und der Erkenntnis allen Ertragens, aller Langmut und Geduld des Herrn kommen, auf unser Angesicht fallen und sagen werden: «Herr, ich kann keine Belohnung annehmen - es ist alles deine reine Gnade».

Doch dann, denkt bitte daran, dass im Neuen Testament mehr als auf eine einzige Weise von der Gnade gesprochen wird. Das ist z.B. die Gnade, die uns Zugang und Annahme vermittelt. «Diese Gnade, in der wir stehen» (Röm. 5,2). Es ist die reine Güte Gottes, ohne jedes Verdienst, dass wir überhaupt gerettet werden, dass wir dem Herrn angehören dürfen. Ja, das ist Gnade. Dann aber wird die Gnade auch als Kraft bezeichnet - Kraft über die anfängliche Errettung hinaus. Es ist das, was der Herr meinte, als er in Gegenwart seiner Trübsal und seinem Leiden zu Paulus sagte: «Lass dir an meiner Gnade genügen: Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig» (2. Kor. 12,9). Gnade ist Annahme ohne jedes Verdienst, aber Gnade ist auch die Kraft zum Arbeiten, Dienen und Leiden. Wie immer ihr es betrachtet, es ist alles reine Gnade.

Das Äußerste für Gott

Nun müssen wir uns auf dieses eine konzentrieren, dass das Neue Testament dem großen Raum widmet, dass wir es mit Gott ernst meinen. Es ist nicht unserer Lust und Laune überlassen - dass wir glauben, dass wir Christus annehmen, und das ist dann der Anfang und auch gleich das Ende von allem; ihr bekommt alles jetzt. Mit Sicherheit läuft alles Flehen, alles Ermahnen, Beschwören auf das eine hinaus; ihr Anliegen ist: Überlasst nichts dem Zufall. Sagt nicht: «Nun denn, das ist nicht von großer Bedeutung, das wird niemand verletzen, daran ist eigentlich nicht viel falsch; ich bin gerettet worden, und die Gnade Gottes wird für all diese Unvollkommenheiten aufkommen; ich kann dies und jenes tun, und es wird keinen großen Unterschied ausmachen; Gott ist ein Gott der Liebe». Das Neue Testament sagt: «Gehe kein Risiko ein». Wenn es auch letztlich deine Errettung letztlich nicht beeinträchtigt, so beeinflusst es doch irgend etwas. Die ganze Kraft des Wortes ist: «Schau her, gib dein Äußerstes; Gott kommt für nichts anderes auf. Du gehst den ganzen Weg mit dem Herrn, denn das ist es, wozu du berufen worden bist». Der Herr hat nie gesagt: «Nun, du brauchst nur so weit zu gehen, und ich werde dich für den Rest entschuldigen». Nein, Gott behält immer die Fülle im Auge, und er fordert uns ständig heraus, ob wir es wirklich ernst mit ihm meinen. Doch wird am Ende kein Platz dafür sein, dass wir uns unserer Ausdauer, unseres Erfolges, unseres Äußersten rühmen. Auch wenn wir uns bis zum letzten Tropfen verausgaben, zuletzt werden wir vor allen andern diejenigen sein, die anbeten - wir werden diejenigen sein, die am meisten vor ihm niederfallen werden. Die Leute, die bis zum Äußersten gehen, sind immer auch die Leute, die sich am meisten bewusst sind, wieviel sie dem Herrn schuldig sind.

Die große Krisis, die alles entscheidet

Und nun, da wir uns dem Ende nähern, kommen wir zu der großen Krisis, die alles entscheidet. Es ist immer in der Schrift vorhanden, es ist stets im Blickfeld: eine große Krisis- das Kommen des Herrn. Dort und dann wird alles entschieden. Auch wenn wir heimgegangen sein werden, bevor er kommt, macht es das Wort doch vollkommen klar, dass dies keinen Unterschied ausmacht - wir werden dort sein, wenn er kommt, und diejenigen, die noch am Leben sind, wenn er kommt, werden uns nichts voraus haben. Wir werden mit einander dort sein, und so werden wir alle auf derselben Ausgangsbasis stehen; und dann wird darüber entschieden, wie die Zukunft sein wird - welchen Platz wir genau einnehmen werden, welches unsere Funktion sein wird. Das ist ein großer Faktor im vorausschauenden Aspekt der Dinge. Die Schrift behält immer die Aussicht auf das Kommen des Herrn im Auge. Wenn wir gerettet werden, bekommen wir eine neue Hoffnung, doch in dem Maße, wie wir als Gläubige voran schreiten, merken wir, dass diese Hoffnung etwas sehr Entschiedenes und Konkretes wird. Sie wird im Neuen Testament «DIE Hoffnung» genannt, und die Hoffnung bezieht sich auf das Kommen des Herrn.

So konzentrieren sich also alle Warnungen und alles Flehen auf dieses eine. Der Herr kommt, und bei seinem Kommen wird sich alles entscheiden, wird alles geklärt werden. Zu diesem Zeitpunkt wird es sein, dass über unsere zukünftige Ewigkeit entschieden wird. Ihr erinnert euch im Lichte seines Kommens an all jene Appelle zur Wachsamkeit, dazu, dass wir voll beschäftigt sind, dass wir uns voll einsetzen, bis er kommt, und auch an die ernsthafte Warnung, dass wenn wir das nicht tun, etwas sehr Ernstes geschehen wird - dass dann etwas schief laufen wird. Ich kleide das keineswegs in irgend ein Lehrsystem, so dass es sich in irgend eine Form von Lehre kristallisiert. Doch das sind die Tatsachen, reine, schlichte Tatsachen. Beim Kommen des Herrn werden große Entscheidungen stattfinden, und wenn wir nicht wachsam sind, wenn wir nicht beschäftigt sind, wenn wir uns nicht voll einsetzen, dann wird etwas schief gehen. Das Wort macht auf verschiedene Arten sehr deutlich. Etwas wird jedenfalls schief gehen - ich formuliere es so. Damit meine ich, dass etwas anderes verlaufen wird, als der Herr es gerne gehabt hätte, und was mit uns hätte geschehen können.

So bringen wir die Ewigkeit, die vor uns liegt, unmittelbar in unsere Gegenwart herein, und wir sagen, dass dies ein ungeheures Motiv ist. Es verleiht dem Christenleben ein ungeheures Motiv. Oh, das Leben danach - dass wir in den Himmel kommen, oder wie immer wir es nennen mögen - ist nicht einfach etwas, das dort draußen stattfinden wird, auf eine bloß objektive, abgehobene Weise, so dass wir einfach nach diesem Tat Ausschau halten und warten, bis der Tag kommt. Lieber Freund, dieser Tag drängt sich regelrecht in unsere Gegenwart herein. Dieser Tag ist jetzt schon hier mit allem, was er bedeutet. Es besteht wenig Hoffnung, dass wir in den Himmel kommen, wenn der Himmel nicht schon zu uns gekommen ist. Unser Platz und unsere Berufung (wenn auch nicht unsere Errettung) wird an jenem Tag weitgehend von dem Maß abhängig, das Christus in uns in diesem Leben gehabt hat.

Das wiederum erklärt viele Dinge, nicht wahr? Es erklärt zum Beispiel, warum der Herr sehr oft ein großes Maß an Leiden, viel Trübsal, viele Prüfungen in eine kurze Zeitspanne hinein presst - das produziert ein wunderbares Maß von Christus. Ihr könnt das Wachstum in der Gnade sehen. Ihr beobachtet die Geduld, die Ausdauer, die Freundlichkeit, die Liebe Christi, wie sie aus diesem leidenden Gotteskind hervorgehen. Das ist die Zubereitung für die Herrlichkeit, für den Dienst. Es erklärt sehr viel. Wir können es umschreiten und es von vielen verschiedenen Standpunkten aus betrachten, doch worauf schließlich alles hinausläuft, ist dies. Das Neue Testament behält die Zukunft als die große bestimmende Angelegenheit für die Gegenwart im Blickfeld. Das Neue Testament sagt, es mache einen Unterschied aus in der kommenden Ewigkeit, wie weit wir mit dem Herrn gegangen sind, und wieviel Raum der Herr in unserem Leben jetzt gewonnen hat.

Und es wird definitiv sein. Das Neue Testament sagt, dass der Herr kommt. Der Herr wird zu seiner Zeit kommen, und dann wird alles entschieden. Seht ihr, so viele Leute sind nur von einem prophetischen Standpunkt aus an der Wiederkunft Christi interessiert, an den Ereignissen und Vorfällen in der Welt usw., und so wenig Christen wach, wirklich wach für die Tatsache, dass im Neuen Testament das Kommen des Herrn stets mit unserem geistlichen Zustand in Verbindung gebracht wird. «Wer diese Hoffnung hat» - nicht: «wer diese prophetische Interpretation der Wiederkunft hat» - sondern: «wer diese Hoffnung hat, reinigt sich selbst» (1. Joh. 3,3): er macht sich bereit, er bemüht sich, dass sein Zustand in Ordnung ist, ebenso sein Stand. Es kommt sehr drauf an. So müssen wir in unserem Christenleben die Tür weit offen halten für jenes viel größere Leben, das noch vor uns liegt. Es ist höchstens ein kurzes, ein kleines Leben; es ist nur der Anfang; doch wird an jenem Tag seine ganze Bedeutung in seiner ganzen Fülle offenbar werden.

Wollt ihr die Herausforderung hören? Das Christenleben ist, wie wir gesagt haben, etwas Ungeheures, eine immense Sache. Wir sind mit einem ewigen Ruf berufen worden, zu einer ewigen Berufung. Hier werden wir bloß in eine Beziehung zum Herrn gebracht, und dann werden wir vom Herrn behandelt. Es wird uns erlaubt, dem Herrn zu dienen; aber selbst in unserem Dienst befinden wir uns in der Schule, wir lernen, als wir irgend etwas anderes tun. Meint ihr nicht, dass es so sein sollte? Nicht, dass wir tausend und eine Sache tun sollten, sondern dass wir tief in der Schule der Erfahrung lernen sollten. Und alles steht in Verbindung mit unserer himmlischen Berufung, und mit der großen Berufung danach. Möge der Herr unsere Herzen dazu bewegen, dass unser Äußerstes für ihn geben, dass wir kein Risiko eingehen, dass wir nichts dem Zufall überlassen, sondern dass wir, wie sein Diener Paulus, uns nach dem höchsten Preis ausstrecken, zum Vollsten, was der Herr je im Sinne gehabt hat.

In Übereinstimmung mit dem Wunsch von T. Austin-Sparks, dass das, was er frei erhalten hat, weitergegeben und nicht gewinnbringend verkauft werden sollte und dass seine Botschaften Wort für Wort reproduziert werden, bitten wir Sie, diese Botschaften mit anderen zu teilen und frei anzubieten, um seine Wünsche zu respektieren - frei von jeglichen Änderungen, kostenlos (außer notwendigen Vertriebskosten) und mit dieser Erklärung inklusive.