Austin-Sparks.net

Auferstehung, das Siegel der Sohnschaft

von T. Austin-Sparks

Zuerst veröffentlicht in den Zeitschriften "A Witness and A Testimony", Mai-Jun 1947, Vol. 25-3. Originaltitel: "Resurrection, the Hallmark of Sonship". Diese Version bearbeitet und neu veröffentlicht in den Zeitschriften "Toward the Mark" Jul-Aug 1974. (Übersetzt von Manfred Haller)

In der fürchterlichen Finsternis des Kreuzes äußerte Jesus den Schrei der Verlassenheit und des Aufgegebenseins, in welchem er nur den Begriff «Mein Gott» benutzen konnte (Mt. 27,46); doch bevor Er starb, war Er noch imstande zu sagen: «Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände» (Lk. 23,46). Nachdem Er von den Toten auferstanden war, waren unter den ersten Worten, die Er sprach, diese: «Rühr mich nicht an, denn ich bin noch nicht zu meinem Vater aufgefahren; aber gehe zu meinen Brüdern und sage zu ihnen: Ich steige auf zu meinem Vater und zu eurem Vater...» (Joh. 20,17). Die Schlacht war gewonnen. All das, was der erste Schrei bedeutete – dass die Sohnschaft verdunkelt wurde – war nun beseitigt. In vollkommener Ruhe konnte der Herr nicht nur von Seinem Vater, sondern auch von unserem Vater reden.

Solche Abschnitte wie: «Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt», und «als Sohn Gottes begrüßt ... durch die Auferstehung von den Toten» können intellektuelle Schwierigkeiten bereiten. Wie steht es mit der ewigen Sohnschaft? War Er nicht schon vor der Auferstehung Gottes Sohn? Die Worte: «heute habe ich dich gezeugt» beziehen sich zweifellos auf die Auferstehung, wie die ersten beiden Kapitel des Hebräerbriefes bestätigen. In welcher Hinsicht ist der Herr Jesus Gottes Sohn aufgrund der Auferstehung?

Wir wollen sofort festhalten, dass sich dies auf den ersten und den letzten Adam bezieht. Der erste Adam, wurde Gottes Sohn genannt (Lk. 3,38), und in einem gewissen Sinne traf dies auch zu. Doch jene Sohnschaft wurde nie voll verwirklicht – ihre ganze Bedeutung, ihr ganzes Potenzial, die ganze göttliche Absicht wurde nie bekannt. Es war Sohnschaft auf Probe, die nie ihr Endziel erreichte. Im Falle des Herrn Jesus jedoch wird uns gesagt, dass Er «zum Sohn Gottes bestimmt» wurde (Röm. 1,4, Randlesart). Der erste Adam versagte, und mit ihm verlor das ganze Menschengeschlecht seine Sohnschaft. Darum ging der Herr Jesus als Stellvertreter für das ganze menschliche Geschlecht ans Kreuz, um den letzten Konsequenzen dieser verlorenen Sohnschaft zu begegnen. Diese Konsequenzen wurden bekannt in jener ewigen Zeitspanne unaussprechlicher Todesqualen, als das furchtbare Bewusstsein dessen eintrat, was es bedeutet, von Gott preisgegeben zu sein. Von Natur aus sind wir außerhalb von Christus, ohne Gott und ohne Hoffnung in dieser Welt, doch sind wir uns dessen nicht voll bewusst, auch dessen nicht, was das mit sich bringt. In jener Phase des Kreuzes (jener der äußersten Gottverlassenheit) wurde Jesus, so zu sagen, in die volle Realisierung dieses vollständigen Bewusstseins dessen projiziert, was Gottverlassenheit wirklich bedeutet, nämlich das äußerst schreckliche Schicksal all derer, die (Ihn) bewusst verwerfen – sich selbst verworfen zu finden.

Nun, nachdem Er dieses Gericht ertragen und seine Todesqual bis zu dem Punkt ausgetragen hat, wo die Seele sich vom Körper löste und Sein Herz brach (denn als die Soldaten kamen, um ihn zu inspizieren, stellten sie fest, dass Er bereits tot war, während diejenigen, die mit Ihm gekreuzigt worden waren, noch immer am Leben waren) – als das also vollendet war, kam Er zu dem Punkt von Bewusstsein, dass das Gericht vorüber war, und so konnte er zum Gebrauch des Wortes «Vater» zurückkehren. Jetzt jedoch benutzte er es mit einer Bedeutung, die es für den Menschen bis zu diesem Zeitpunkt nie gehabt hatte, so dass das letzte Wort am Kreuz nicht «verlassen», sondern «Vater» war. Die Sohnschaft war nun auf eine neue Ebene der Auferstehung, der Wiederherstellung empor gehoben worden; die Entfremdung des Menschengeschlechtes war überwunden worden. In Christus wurde das Menschgeschlecht wiederhergestellt, und so beginnt alles mit «Vater». Welcher Reichtum verbirgt sich doch in dem Satz: «Der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus», wenn man ihn im Lichte des Kreuzes betrachtet. Es ist der Grund, auf dem wir uns (Gott) nahen, unser Anruf. Er birgt in sich die volle Bedeutung des Triumphs des Kreuzes über alle Entfremdung, die über das menschliche Geschlecht hereingebrochen war, mit dem vollständigen Verlust von Gottes Verständnis von Sohnschaft.

Kurz, das ist die Lehre und die Erklärung für dieses «heute habe ich dich gezeugt». Es redet nicht von der Zeugung nicht des ewigen Sohnes, noch von Christus als dem Sohn Gottes; sondern von der Zeugung des Menschensohnes, des letzten Adams, und von der Sohnschaft des Menschen in Ihm. In Christus gehört die Sohnschaft uns, und so ruft Petrus aus: «Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der nach Seiner großen Barmherzigkeit uns wieder geboren (gr. «wiederge-zeugt») hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi aus den Toten zu einem unvergänglichen ... Erbteil» (1. Petr. 1,3-5).

Doch während unsere Sohnschaft durch das Kreuz und den auferstandenen Christus angeeignet werden und man in sie durch einen Akt des Glaubens eintreten muss, ist sie doch zum Zweck unseres Zeugnisses hier etwas, das man als ständige geistliche Erfahrung kennen muss. Sie wird in einem konkreten Akt angenommen, doch muss sie in einem ständigen Prozess ausgeführt werden. Das Neue Testament zeigt auf, dass die Sohnschaft etwas ist, das sich auf das ganze Leben eines Gläubigen bezieht und sich auf praktische Weise zum Ausdruck bringen muss. Genauso wie sie im Falle des Herrn Jesus mit der Auferstehung untrennbar verbunden ist, verlangt sie von uns eine ständige Erfahrung Seiner Auferstehungskraft. Wie lernen wir die Sohnschaft kennen? Nun, da gab es eine Zeit, als wir zum Glauben kamen, und indem wir glaubten, wurden wir zu Kindern oder Söhnen Gottes gemacht. «Ihr alle seid Söhne Gottes durch den Glauben an Christus Jesus» (Gal. 3,26). Weil wir glauben, haben wir die Sohnschaft. Das ist sehr gut so, und natürlich sollten wir stets beharrlich an der Tatsache festhalten, dass dem so ist. Doch das mag Jahre zuvor gewesen sein. Meinte der Herr, dies sei nur etwas in unserer vergangenen Geschichte gewesen, etwas, das sich vor vielen Jahren zugetragen hat? Wir müssen stets an diesere Transaktion mit dem Herrn festhalten und glauben, aber ruft dies nicht nach einer Erneuerung und Verstärkung, während wir voranschreiten? Gibt es keine Gelegenheit, dass sie mehr und mehr bestätigt wird? Gewiss lehrt uns das Wort, dass es solche Gelegenheiten gibt; und so sollte nicht nur der Ursprung, sondern auch die (tägliche) Erfahrung des Gläubigen die sein, dass die Sohnschaft immer wieder frisch demonstriert und manifestiert wird, und zwar auf derselben Ebene wie ihr Ursprung – auf der der Auferstehung.

Welches ist Gottes Bestätigung unserer Sohnschaft? Sie besteht darin, dass er uns ständig Erfahrungen der Tatsache gibt, dass wir von den Toten auferstanden sind. Er hat uns hier in einer Umgebung und vor einem Hintergrund des Todes zurück gelassen: Wir sind aufgerufen, inmitten von Tod zu leben und zu wandeln. Diese Welt ist ein Grab, das früher oder später alle, die außerhalb von Christus sind, verschlingen wird. Doch hier sind, lebend in eben diesem Grab, in dieser Landschaft und in diesem Bereich des Todes. Wir sind kein Teil davon, denn wir leben, und dies ist das Zeugnis, dies ist die Sohnschaft. Die Sohnschaft ist dazu da, dass sie manifest wird. Das Ende dieses Prozesses ist die volle Manifestation der Söhne Gottes nach Römer 8,19. Hier wird, auf eine geistliche Weise, die mannigfaltige Weisheit Gottes in der Gemeinde sichtbar gemacht, zur Verherrlichung Seines Namens und zur Verwirrung der Fürstentümer und Gewalten.

Unsere Wiedergeburt ist die erste Kostprobe des Auferstehungslebens. Wir nehmen zur Kenntnis, dass, nachdem der Abschnitt, der sich auf Christus bezieht, zitiert wird: «Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt», die Schrift ein weiteres Zitat folgen lässt: «Ich und die Kinder, die Gott mir gegeben hat» (Hebr. 2,13). Die Vollendung der ursprünglichen Aussage ist: «Siehe, ich und die Kinder, die Gott mir zu einem Zeichen und Wunder gegeben hat»(Jes. 8,18). Es ist klar, dass Jesajas Worte dem Herrn Jesus in den Mund gelegt werden, der die Ankündigung Seiner eigenen Sohnschaft durch die Auferstehung mit der Tatsache ver, dass Er durch dieselbe Auferstehung uns zu einer lebendigen Hoffnung wiedergeboren hat. Wir sind die Kinder, die Ihm aufgrund Seiner Auferstehung gegeben worden sind. Und wir sind zu Zeichen und Wundern geworden. Was bedeutet das? Nun, als die böse Generation der Juden vom Herrn Jesus ein Zeichen forderte, antwortete Er: «Kein Zeichen wird ihm gegeben werden als nur das Zeichen Jonas» (Mt. 12,39). Er fuhr fort und zeigte auf, dass dieses Zeichen Jonas mit Seinem Tod und Seiner Auferstehung in Verbindung stand. So sind also die Zeichen und Wunder, die mit Christus und den Kindern, die der Vater Ihm gegeben hat, in Beziehung stehen, die Wunder des Auferstehungslebens. Das ist die Erfahrung eines geistlichen Christen; immer wieder lernt Er vom Tod und von der Herrlichkeit der Auferstehung Christi kennen. Auf diese Weise hat die Gemeinde überlebt. Es gibt keinen andern Weg, auf dem wir sicher mit der Fortsetzung der Gemeinde durch die Zeitalter hindurch rechnen können, als die Wunder wirkende Kraft der Auferstehung Christi. Die Mächte der Hölle und des Todes sind durch die Jahrhunderte hindurch wie eine Sintflut über die Gemeinde herein gebrochen, und manchmal hat es so ausgesehen, als würden sie sie regelrecht auslöschen; doch ist die jedes Mal in noch größerer Fülle als je zuvor wieder aufgestanden.

Was für die Gemeinde als Ganze gilt, gilt auch auf geringere Weise für unsere individuelle Erfahrung. Manchmal werden wir in unserem Herzen vom Tod eingeschlossen. Zuweilen fürchten wir sogar um unseren Glauben und fragen uns, ob wir wohl überleben werden. Doch sind wir weiter geschritten, und wir schreiten weiter voran. Dies ist die wunderbare Entfaltung «der überragenden Größe Seiner Kraft uns, den Gläubigen, gegenüber» (Eph. 1,19). Es ist nicht unsere Standhaftigkeit; es ist die Kraft Seiner Auferstehung. Dies ist das Zeugnis – zu Zeichen und Wundern. Die Geschichte lässt sich noch nicht öffentlich lesen, doch eines Tages wird sie zu Seiner Herrlichkeit geoffenbart werden. Jetzt ist es noch eine verborgene Geschichte. Jeder von uns kennt seine eigenen dunklen, tödlichen Stunden im geistlichen Leben, aber er kann auch die überragende Kraft des Auferstehungslebens Christi unter Beweis stellen.

Gott sei Dank, dass, seit Christus die Bitterkeit des Todes für uns gekostet hat, wir sie nicht mehr zu kosten brauchen. Geistlicher Tod ist das vollständige Bewusstsein von dem, was es bedeutet, letztendlich von Gott aufgegeben zu werden. Davon gibt es nichts mehr für diejenigen, die in Christus Jesus sind. Jener Tod wurde von Ihm verschlungen. Möge der Herr uns Glauben schenken, dass wir in der dunkelsten Stunde auf diesem Grund stehen. Wenn wir aufgrund der Auferstehung Kinder sind, dann sind wir zu Zeichen und Wundern in Israel geworden. Wie düster die Aussichten auch immer sein mögen, wir wissen, dass Gottes Antwort in Seinem Sohn der Sieg des Auferstehungslebens ist.


In Übereinstimmung mit dem Wunsch von T. Austin-Sparks, dass das, was er frei erhalten hat, weitergegeben und nicht gewinnbringend verkauft werden sollte und dass seine Botschaften Wort für Wort reproduziert werden, bitten wir Sie, diese Botschaften mit anderen zu teilen und frei anzubieten, um seine Wünsche zu respektieren - frei von jeglichen Änderungen, kostenlos (außer notwendigen Vertriebskosten) und mit dieser Erklärung inklusive.