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Ein guter Kampf

von T. Austin-Sparks

Zuerst veröffentlicht in den Zeitschriften "A Witness and A Testimony", Nov-Dez 1965, Vol. 43-6. Originaltitel: "A Good Warfare". (Übersetzt von Manfred Haller)

«Dieses Gebot vertraue ich dir an, mein Sohn Timotheus, gemäß den früher über dich ergangenen Weissagungen, damit du durch sie gestärkt den guten Kampf kämpfst» (1. Tim. 1,18).

«Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife das ewige Leben, zu dem du auch berufen bist und worüber du das gute Bekenntnis vor vielen Zeugen abgelegt hast» (1. Tim. 6,12).

«Du nun erdulde die Widrigkeiten als ein guter Streiter Jesu Christi» (2. Tim. 2,3).

Müsste ich ein Fragment aus diesen zwei Briefen auswählen, das den Schlüssel zu ihnen liefern könnte, dann, denke ich, wäre es in diesem 18. Vers des ersten Kapitels zu finden: «Dieses Gebot vertraue ich dir an, mein Sohn Timotheus ... damit du ... den guten Kampf kämpfst».

Ich möchte, dass unsere Zeit miteinander dazu genutzt wird, um etwas - es wird nur wenig sein - von der Bedeutung dieser zwei Briefe an Timotheus zu betrachten.

Zuallererst möchte ich sagen, was ihr ja bereits wisst, was aber sehr gut ist, es zu unterstreichen, dass Timotheus ein junger Mann war, und, so nehme ich an, unter den Starken, oder wie wir in der modernen Sprache gerne sagen, denen, die «tough» sind, eher einer der schwächeren jungen Männer, zumindest körperlich, und einer, der bei allem, was der Apostel ihm in diesen beiden Briefen zu sagen hat, eine Aufmunterung an Leib und Geist sehr nötig hatte.

Doch möchte ich euch an die ungeheure Verantwortung erinnern, die der Apostel auf die Schultern eines jungen Mannes legte. Diese zwei Briefe enthalten etwas vom Größten, was je irgend einem Mann anvertraut werden kann, sei er jung oder alt, und darum passt der Apostel die Dinge nicht einfach seiner Jugend an. Er zieht den jungen Mann auf eine sehr hohe Ebene hinauf, indem er versucht, ihm beizubringen, dass die Gnade und Kraft Christi einen jungen Mann zu einem Mann von sehr konkreter Statur machen kann.

Es existiert die Vorstellung, dass man die (geistlichen) Dinge auf das natürliche Maß der Leute herunterholen sollte, während wir doch im Wort Gottes das Umgekehrte antreffen: dass die Leute von ihrer natürlichen Ebene aus auf eine sehr größere, höhere gebracht werden, was immer sie von Natur aus sein mögen. Nun, wie wir sehen werden, wird Timotheus hier nicht als ein armes, schwaches Ding angesprochen, das nicht viel zählt, sondern er wird in einer Sprache angeredet, dass jedermann das Gefühl bekommt: «O, was für eine große Sache ist es doch, ein Diener Christi sein zu dürfen! Was für eine ungeheure Sache!»

Ich sage dies, weil es eine ganze Anzahl junger Leute gibt, von denen einige erst kürzlich zum Herrn gekommen sind: aber ich sage das auch zum Nutzen aller, wie lange wir schon unterwegs sein mögen. Diese Briefe sind eine gewaltige Aufforderung zu wahrer Statur, dass wir uns auf ein hohes Niveau erheben sollen, weil der Herr uns dazu beruft.

Nachdem wir das gesagt haben, lasst uns in diese Botschaft einsteigen. Wir befassen uns mit der Bedeutung dieser Briefe, nicht mit Details. Dies ist auch keine Auslegung der Briefe, weder Vers für Vers, noch einzelner Teile, es geht nur darum, was sie für uns bedeuten, und wir müssen mit dem Verfasser beginnen, mit dem Apostel Paulus.

Ihr werdet wissen, dass Paulus, als er diese Briefe schrieb, im Gefängnis war, in der letzten unter verschiedenen Gefangenschaften. Der zweite Brief bringt uns bis an den Punkt, da der Henker das Schwert gleichsam schon in der Hand hatte. Der Apostel sagt: «Denn ich werde schon geopfert, und die Zeit meines Aufbruchs ist nahe» (2. Tim. 4,6). Mit dem zweiten Brief an Timotheus erreichen wir das Ende seines Lebens. Gemeinhin wird angenommen, dass etwas Zeit zwischen den beiden Briefen liegt. Der erste Brief entstand im ersten Teil seiner Gefangenschaft in Rom, dann wurde er für kurze Zeit freigelassen, und nachher wieder verhaftet und zum Tode verurteilt. Wie dem auch sei, Tatsache ist, dass Paulus nun am Ende seiner irdischen Laufbahn angelangt ist, dass er gefangen, und in diesem zweiten Brief, fast allein ist. Das werden wir sehen, wenn wir weiterfahren.

Das, was uns in diesen beiden Briefen des Apostels Paulus so beeindruckt, ist die Tatsache, dass er sich noch immer in der Glut und im Feuer des Kampfes befindet. Wie immer die Situation oder die Bedingungen sind, das Feuer brennt noch immer in seinem Herzen. Es ist das Feuer des Kämpfers. Beachtet all diese Worte über «Soldaten» und über das «Kämpfen des guten Kampfes»; und ganz abgesehen von diesen konkreten Worten und Ausdrücken, sind diese zwei Briefe einfach voll vom alten, kämpferischen Geist dieses heroischen Apostels. Er ist nicht schwächer geworden, in keiner Weise, im Gegenteil, er versucht, diese Glut und dieses Feuer des Konflikts im Herzen dieses jungen Mannes anzufachen.

Welchen Dank schuldet die Gemeinde doch, durch zwanzig Jahrhunderte hindurch, diesem heroischen, kämpferischen Geist des Apostels, der nie kapitulierte, nie aufgab, obwohl er verwundet, manchmal sogar zerschlagen und gebrochen wurde und viele Narben von diesem lange andauernden Kampf davontrug! Er gedenkt nicht, aufzugeben oder sich unterkriegen zu lassen. Und darum sage ich, die Gemeinde schuldet diesem Geist immensen Dank - und das ist der Geist, der immer wieder andere unter diese Schuldigkeit, unter eine große Verpflichtung bringt.

Wenn wir, ihr und ich, so oft versucht sind, aufzugeben, loszulassen, nachzugeben, zu kapitulieren, zu fühlen, dass es keinen Sinn mehr hat, es weiter zu versuchen, dann werden nicht nur wir selbst alles verlieren, sondern möglicherweise werden wir auch viele vom Volk Gottes um das bringen, das sie haben würden, wenn wir nur bis zum letzten Atemzug gekämpft hätten. 

Der Zeit-Faktor

Die Zeit, und der Zeitfaktor, gehören zu den bezeichnenden Dingen dieser Briefe. Johannes schrieb die Offenbarung mit jenen Sendschreiben an die sieben Gemeinden in Kleinasien im Jahr 96, so dass die Zustände, wie sie im Buch der Offenbarung hinsichtlich der Gemeinden in Asien geoffenbart werden, in den 28 Jahren zwischen der Hinrichtung von Paulus und dem Verfassen der Offenbarung durch Johannes entstanden sein müssen - und was für Zustände! Denkt doch an all das, was der Herr jenen sieben Gemeinden in Asien durch Paulus gab, an dieses Ausschütten von Seiten dieses Mannes für jene Gemeinden, an jene wunderbaren Briefe aus dem Gefängnis in Rom an Ephesus, Kolossä und Thyatira, und an alle andern, denn es handelte sich um Rundbriefe an alle jene Gemeinden. Doch wenn ihr schon nur einen Brief nehmt, sagen wir den so genannten Brief an die Epheser, der ein Brief an alle Gemeinden in Kleinasien war, und alles, was in diesem Brief steht, von einer solchen Tiefe, die wir, ihr und ich, auch mit dem längsten Leben nicht ausloten könnten - das alles, und in 28 Jahren war alles praktisch verflogen! Ihr lest jene Briefe an die Gemeinden in Asien und dann den Anfang des Buches der Offenbarung. Achtundzwanzig Jahre! Da sagt ihr: «Welche Tragödie! Das ist schrecklich! Ein Mensch konnte all das geben, konnte sich selbst auf diese Weise geben, sie konnten all das empfangen, und dann musste der Herr nach achtundzwanzig Jahren genau zu jenen Gemeinden sagen: «Ich habe dies gegen dich, ich habe jenes gegen dich, ich weiß dies und ich weiß jenes». Es ist eine beklagenswerte Situation. Wie ist das möglich?» Nun, seht ihr, das ist der Zeit-Faktor, und es ist ein sehr bezeichnender dazu.

Nun, der Anfang, oder die Anfänge, dieses Zustandes, wie wir ihn im Buch der Offenbarung 28 Jahre danach vorfinden, zeichnet sich in diesen Briefen an Timotheus bereits ab. Ihr findet darin die Anfänge dieser Rutschfahrt nach unten, und auch in der Einstellung der Gemeinden dem Apostel gegenüber am Ende seines Lebens. Wie war die Einstellung gegen ihn und gegen seinen Dienst? (Natürlich sind der Mann und sein Dienst eins). Nun, er schreibt: «Du weißt ja, dass sich von mir alle abgewandt haben, die in der Provinz Asia sind» (2. Tim. 1,15). Das sagt schon alles! Das ist in der Tat eine Veränderung der Einstellung gegenüber ihm und seinem Dienst. Dann erwähnt er fünf Männer besonders, die ihm und seiner Lehre widerstanden. Da ist Alexander, der Kupferschmied, von dem Paulus sagt: «Er hat mir viel Böses erwiesen» (2. Tim. 4,14). Und da sind auch noch Hymenäus und Philetus (2. Tim. 2,17) und Hermogenes und Phygelus (2. Tim. 1,15). Paulus bezeichnet diese fünf Männer als solche, die ihm und seinem Dienst wiederstanden - «hat mir viel Böses erwiesen». Das war ihre Einstellung, und offensichtlich waren es einflussreiche Männer in der Gemeinde. Als Paulus die Gemeinde in Ephesus verlassen hatte und später die Ältesten zusammenrief sagte er, als er sie Gott anbefahl: «Aus eurer eigenen Mitte werden Männer aufstehen, die verkehrte Dinge reden, um die Jünger abzuziehen in ihre Gefolgschaft» (Apg. 20,30). Mitten unter ihnen gab es also solche, die gegen den Dienst eingestellt waren.

Dann aber sagt Paulus, als würde er einen Seufzer ausstoßen: «Demas hat mich verlassen, weil er die jetzige Weltzeit lieb gewonnen hat» (2. Tim. 4,10). Nun, das ist die Tragödie von Demas. Er «ging nach Thessalonike». Wenn ihr die Briefe an die Thessalonicher und die Geschichte der Gemeinde in Thessalonike lest, denke ich, müsstet ihr das Gefühl haben, dass sich der arme Demas gar nicht in die Nähe der Gläubigen dort gewagt hätte. Denn gerade die Gemeinde in Thessalonike war doch äußerst loyal und hingegeben gegenüber Paulus, und als Demas dorthin ging, kann ich mir nicht vorstellen, dass er dort sehr glücklich hätte sein können. Paulus sagte: «Demas hat mich verlassen»... «einer um den andern hat mich verlassen» ... «nur Lukas ist noch bei mir».

Hier ist eine Veränderung, eine große Veränderung gegenüber dem Mann und seinem Dienst eingetreten, dem sie so viel verdankten.

Es besteht also eine offensichtliche Notwendigkeit, dass Timotheus gestärkt werden muss. «Deshalb, mein Sohn, sei stark in der Gnade, die in Christus Jesus ist ... nimm Teil an meinem Leiden als ein guter Soldat» - und die beiden Briefe sind voll solcher Ermahnungen. Timotheus machte eine harte Zeit durch, vielleicht wegen dieser Veränderung und wegen seiner engen Verbindung zum Apostel, denn Paulus sagt zu ihm: «So schäme dich nun nicht des Zeugnisses von unserem Herrn, auch nicht meinetwegen, der ich sein Gefangener bin» (2. Tim. 1,8). Ihr wisst, wenn jemand ein «bunter Vogel» ist, unter einer Wolke von Verdächtigungen, dann werden Leute, die nicht stark sind, nicht zulassen, dass andere erfahren, dass sie mit dem Verdächtigten in Verbindung stehen. Das ist offensichtlich etwas, dem sich Timotheus gegenübersah ... «noch meiner», sagt der Apostel Paulus.

Es gibt hier so vieles, was mit Kampf, mit Streiten zu tun hat, und das alles weist deutlich darauf hin, dass Timotheus gestärkt, fest gemacht und instand gesetzt werden musste, auf seinen eigenen Füßen zu stehen, denn er stand in Gefahr, schwach zu werden, loszulassen wegen des Einflusses dieser starken Männer, Alexander der Kupferschmied und dem ganzen Rest. Paulus sagt: «Niemand verachte dich wegen deiner Jugend» (1. Tim. 4,12). Könnt ihr erkennen, welcher Situation Timotheus sich gegenüber sah? Er brauchte wirklich Hilfe.

Verhalten im Hause Gottes

An nächster Stelle liegt der Nachdruck in diesen Briefen, besonders im zweiten, auf dem Verhalten im Hause Gottes... «damit du weißt, wie man sich verhalten muss im Hause Gottes» (1. Tim. 3,15), und dann werden verschiedene Dinge darum herum gruppiert. Da sind einmal die Ältesten, die Diakone, und andere Dinge in Bezug auf das Verhalten, die Position, den Dienst und den Umgang im Hause Gottes. Warum all das? Weil die Dinge anfangen, krumm zu laufen. Offensichtlich benötigte die ganze Situation im Hause Gottes ein Festmachen, eine Korrektur, eine Stärkung, ein Zusammenziehen. Wenn die Briefe irgend etwas bedeuten, dann zeigen sie auf, wie ich gesagt habe, dass der Zustand, wie er sich in den Briefen an die Gemeinden im Buch der Offenbarung vorfindet, gegen Ende von Paulus‘ Leben begann, und der Verfall ging während der folgenden 28 Jahre weiter. Paulus war sich bewusst, was da angefangen hatte, und in welche Richtung sich die Dinge entwickelten.

Wegen der Situation, wie sie sich in den Gemeinden entwickelte, und wegen der Feinde drinnen und draußen, taucht wiederholt dieser Aufruf zum Kampf auf: «Damit du einen guten Kampf kämpfst... kämpfe den guten Kampf des Glaubens... ein guter Soldat Christi Jesu». Es gibt im Christentum keinen Platz für Sentimentalität, auch nicht für Selbstgefälligkeit. Die Gemeinde ist kein Erholungszentrum; sie ist ein Exerzierplatz für Soldaten. Es ist ein Ausstattungsort für den Kampf, und wenn es verwundete Soldaten gibt, dann ist es auch ein Ort, wo sie geheilt werden, um wieder in den Kampf zurückkehren zu können. Das ist es, was diese Briefe über die Gemeinde sagen. Sie ist nicht der Ort, wo man einfach eine nette, glückliche, angenehme Zeit zubringen kann. Wir befinden uns in einer furchtbaren Schlacht, und merkt es euch, das ist nicht etwas, was im Jahre 96 aufgehört hat, als Johannes die Apokalypse schrieb. Das ist die Art von Zustand, in dem wir uns heute befinden.

Welches waren denn die besonderen Anlässe für diesen Kampf, zu dem der Apostel Timotheus auffordert?

Der Kampf im Unsichtbaren

Wir müssen hier sagen, wie Paulus dies im Brief an die Epheser tat, dass es sich hier nicht um «Fleisch und Blut» handelt, d.h. wir haben es nicht mit Menschen und nicht mit Dingen zu tun. Beachtet bitte, dass er, selbst wenn Paulus so starke Worte über Alexander, den Kupferschmied, fallen lässt, sagt: «Alexander, der Kupferschmied, hat mir viel Böses erwiesen» (2. Tim. 4,14). Paulus hätte sehr nachtragend und bitter gegen diesen Menschen werden können. Er hätte in der Tat sein Schwert ziehen können, denn Paulus war imstande, eine starke Sprache zu sprechen, wenn er wollte. Das tat er bei den galatischen Verleumdern: «Er sei anathema» - oder «er sei verflucht» (Gal. 1,8). Doch nein - «Alexander, der Kupferschmied, hat mir persönlich viel Übles angetan. Der Herr wird es ihm heimzahlen. Ich überlasse ihn der Hand des Herrn». Und wiederum sagt Paulus: «Ich bete zu Gott, dass es ihnen nicht zugerechnet werde» (2. Tim. 4,6). Er kämpft nicht mit Menschen. Er wendet sich nicht gegen Fleisch und Blut. Dies ist ein geistlicher Krieg, und wir müssen dies beachten, wenn wir ein paar Dinge aufgreifen, die hinter diesem Aufruf, den Kampf aufs Neue aufzunehmen, stecken.

a. Gegen das Herunterschrauben des geistlichen Niveaus

Ganz offensichtlich musste eine strenge Entschlossenheit und eine starke und feste Haltung gegen das Abflachen und das Absinken des geistlichen Standards, des geistlichen Lebens, gezeigt werden. Es ist immer schlecht für das geistliche Leben der Gemeinde - wenn es zu einem Verfall, einem Niedergang, zu einem Absinken des Standards, zu einer Abstufung der Dinge kommt. Manchmal wird gesagt, und das tönt sehr plausibel: «Wir wollen zum einfachen Evangelium zurückkehren»! Das ist nur eine andere Art zu sagen: «Wir wollen uns nicht auf solche Höhen hinaufwagen! Wir wollen uns mit etwas Leichterem zufrieden geben, mit etwas Angenehmerem!».

Nun, seht ihr, parallel dazu sagt der Apostel: «Denn es wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen, sondern nach ihren eigenen Begierden sich Lehrer aufhäufen werden» (2. Tim. 4,3). Das heißt: «Oh, sage uns etwas Nettes, Angenehmes; besänftige uns durch die Art, wie du redest; beseitige die Irritation dieses ständigen Appells zu etwas Höherem und Größerem. Mildere, lass etwas nach.» Das war es, nicht wahr, das diesen sieben Gemeinden 28 Jahre später jenen furchtbaren Vorwurf des Herrn einbrachte. Was der Apostel im Grunde sagen will, ist dies: « Schau, Timotheus, geh nicht darauf ein. Gürte dich selbst! Der Kampf richtet sich nicht gegen Fleisch und Blut. Er richtet sich vielmehr gegen diese schreckliche Tendenz, das geistliche Leben herunterzustufen, es auf eine geringere Ebene herunterzuholen. Geh nicht darauf ein!» Er sagt: «Bleibe bei deinem hohen Standard, zu dem zu berufen worden bist».

b. Gegen den Verlust des geistlichen Maßes

Als nächstes: «Hüte dich davor, die Fülle, mit der du bekannt gemacht wurdest, die dir geoffenbart wurde, zu der du berufen wurdest, zu opfern, preiszugeben oder schlittern zu lassen.» Es besteht kein Zweifel darüber, dass der Apostel all seinen Bekehrten - Gemeinden wie Mitarbeitern - die FÜLLE der göttlichen Berufung in Christus präsentierte, die sehr VOLL und sehr groß ist.

Hier nahm die Tendenz ihren Anfang, etwas von diesem Maß zu opfern, preiszugeben, es sich entgleiten zu lassen, und so sagt er: «Kämpfe den guten Kampf des Glaubens». Und was der Glaube für den Apostel Paulus war - nun, da müsst ihr alle seine Briefe lesen, um das herauszufinden. Der Glaube war etwas sehr Großes, sehr Volles. Die Gefahr, die stets lauert, heute so gut wie eh und je, ist die: etwas von der großen Fülle in Christus fahren zu lassen, zu opfern, preiszugeben, zu der wir berufen sind.

c. Gegen Formalität

Als nächstes: Gegen das Ersetzen von echtem, geistlichem Wesen und Leben durch bloße Form, durch Ritual und Beamtentum.

Scheint es nicht vollkommen klar zu sein, wenn Paulus hier so viel über Älteste zu sagen hat und darüber, was für eine Art von Leute sie sein sollten, über ihre Fähigkeiten, ihre Eigenschaften, über ihren Lebensstandard und ihre Gaben, und was er zudem noch über die Diakone zu sagen hat, welche die Diener der Gemeinde in allgemeinen Angelegenheiten sind - er sagt eine ganze Menge über sie, über ihren Lebensstandard, über die Art von Leute, die sie sein sollten - und über andere Dinge, die zusammen das Leben des Volkes Gottes ausmachen - über ihre gemeinschaftliches Leben - dass es als sicher gelten kann, dass er von etwas Bestimmtem zurückruft? Und was war das? Es war das Beamtentum, die Bürokratie. Älteste wurden zu Beamten, Diakone wurden zu Beamten, und vielleicht begehrten sie Amt und Prestige mehr als aufopferungsvollen Dienst. Paulus bemühte sich, eine Entwicklung aufzuhalten, die in all diesen Angelegenheiten das Leben und echte Geistlichkeit fahren ließ und es zuließ, dass sich an ihrer Stelle bloße Formalität festsetzte. Was Paulus meint, wenn wir ihn richtig lesen, ist folgendes:

Ein Ältester ist nicht einfach ein Amtsträger. Er wurde nicht bloß in diese Position versetzt, weil er einen guten Intellekt und die notwendigen Mittel besaß, oder wegen seiner sozialen Stellung oder weil er populär war. Die Gefahr besteht immer, dass man Menschen aus diesen Gründen zu Amtsträgern macht. Sie haben eine öffentliche Position, sie haben Geld, sie gelten etwas unter den Menschen, und deshalb übertragt ihr ihnen ein Amt. Dazu sagt Paulus: NEIN! Ein Ältester ist ein geistlicher Mensch, oder aber er ist nichts. Diese Dinge müssen durch ein geistliches Wesen sichergestellt werden, und wir dürfen nicht zulassen, dass sie zu etwas anderem abdriften.» Dasselbe gilt für alle andern, die irgend eine Position innehaben. Die Gemeinde ist nicht einfach etwas Organisiertes mit einer festen Form. Die Gemeinde ist ein geistlicher Leib, ein lebendiger Ausdruck des Herrn Jesus, oder sie ist nichts.

Hier möchte ich eigentlich eine ganze Menge über die neutestamentliche Gemeinde einfügen. Ihr wisst, es wurde viel über neutestamentliche Gemeinden gesagt und geschrieben. Ich frage mich, was das überhaupt ist. Das ist kein bloßer Scherz! Ich habe mehr als fünfzig Jahre lang diese Sache studiert, und heute muss ich sagen: «Ich frage mich, was eine neutestamentliche Gemeinde überhaupt ist». Wir wissen wirklich nicht alles, was in den neutestamentlichen Gemeinden damals geschah. Natürlich gibt es gewisse Dinge, die grundlegend sind und die vorhanden sein müssen, doch was ich sagen will, ist dies: Dieses Ding damals war eine geistliche Angelegenheit, kein formelles Ritual, irgend eine festgelegte Weise weiterzugehen.

Der Apostel deutet an, dass alles sehr schnell zu Formalismus, Gesetzlichkeit, Bürokratie degeneriert. «Oh, Timotheus, stelle dich dagegen! Bekämpfe dieses Ungeheuer. Kämpfe für echte Geistlichkeit: Kämpfe für das Leben ... «Ergreife das ewige Leben, zu dem du berufen worden bist».

d. Gegen den Verlust des geistlichen Eifers

Dann, weiter, der Konflikt gegen den Verlust dieser Glut, dieses Feuers, dieser Würde, die der wahre Charakter des Volkes Gottes und der Diener des Herrn ist. Hier sagt Paulus: «Entfache die Gabe, die in dir ist», und der Gedanke dabei ist der: «Lass das Feuer in dir aufflammen, mach, dass das Feuer aufs Neue glimmt. Die Dinge sind am Erlöschen, am Sterben, die Glut ist dahin», und ihr wisst, dass wenn etwas nur noch bloße Form geworden ist, die Glut tatsächlich verschwunden ist. Ist es nicht so? Ihr durchlauft eine Form, aber es ist keine Glut darin, kein Feuer. Es hat das Element verloren, das von dem redet, was groß, großartig, was gut ist, und was wir eben «Würde» genannt haben. Wie sehr betonen diese Briefe von Paulus an Timotheus die Notwendigkeit, dass an ihm eine Würde, ein hoher Standard, etwas Infizierendes sichtbar wird. «Entfache... entfache... kämpfe gegen den Verlust der geistlichen Glut». In einem andern Brief hat er tatsächlich im Original diese Worte verwendet. Unsere Übersetzung lautet: «Brennend im Geist, dem Herrn dienend» (Römer 12,11), was ziemlich gut ist, doch das Original sagt: «Haltet die geistliche Glut aufrecht». Ich glaube, es ist Moffat, der uns diese Übersetzung bietet. Das ist es, was Paulus Timotheus sagen wollte: «Entfache! Verlier das Feuer nicht; verlier die Glut nicht. Widersetze dich allem, was diese Tendenz aufweist».

e. Gegen den Verlust der Verantwortung

Schließlich noch der Kampf gegen den Verlust vom Sinn für Berufung und Verantwortung. Das tritt natürlich auf, wenn Paulus sagt: «Bewahre das schöne (dir) anvertraute Gut durch den Heiligen Geist, der in uns wohnt» (2. Tim. 1,14). Wiederum ist es, so glaube ich, Moffat, der das noch genauer übersetzt: «Das Gut, mit dem du betraut wurdest ... Jenes Gut, das dir anvertraut wurde, bewahre vor diesem Verlust des Sinnes für die Berufung!»

Dies ist ein Wort an uns alle. Die Jüngsten bis zu den Ältesten sollten diesen starken, tiefen Sinn für Berufung und Verantwortung haben. Das ist uns überhaupt nicht freigestellt, ob wir das gern haben oder nicht, ob es uns gefällt oder nicht. Wir haben diesbezüglich keine Wahl: Es ist eine Verpflichtung. Es ist Verantwortung. Es ist ein Pfand, das in unsere Hände gelegt wurde. Von Esra lernen wir, wenn ihr euch daran erinnern wollt, als sie zu ihrem langen Trek aufbrachen zum Wiederaufbau der Stadt, dass sie den Schatz, das Gold und das Silber aus Babylon mitnahmen, und sie mussten es in Jerusalem deponieren, sicher und ohne irgendwelchen Verlust - und sie taten es auch. Sie riefen zum Herrn um Schutz, damit sie es durchbrachten, und schließlich, so erfahren wir, haben sie es gebracht und im Hause des Herrn abgegeben. Auf dem Weg ging nichts verloren. Es war ein Depot, ein anvertrautes Gut.

Liebe Freunde, ihr und ich, uns wurde das Zeugnis Jesu in Fülle, eine große Offenbarung von Christus anvertraut. Sie wurde in unsere Hände übergeben. Das Christentum ist - und leider wird es mehr und mehr ganz allgemein - eine Frage, ob wir es mögen oder nicht, etwas also, was wir gern haben, was uns gefällt. Nein, hier ist eine Aufforderung, die sagt: «Seht her, wenn es euch alles kostet, selbst euer Leben, dann müsst ihr darauf achten, dass nichts verloren geht». Es ist nicht eine Frage, ob es uns gefällt, oder ob wir eine gute, glückliche Zeit verbringen, sondern ob ihr, durch jede mögliche Gegnerschaft hindurch, entschlossen seid, euren Schatz letzten Endes intakt vor den Füßen des Meisters nieder zu legen und zu sagen: «Da hast du‘s, Herr. Hier ist das, was dir gehört. Nichts ist verloren gegangen. Du hast es gegeben, ich bringe es zurück.» Um das Gleichnis des Herrn von den Talenten zu benutzen, wir bringen es mit Zinsen zurück, mit einer beträchtlichen Zunahme.

Geht nochmals zu diesen Briefen zurück und seht, dass dieser ganze Ruf und die diese Aufforderung an Timotheus, als repräsentatives Glied der Gemeinde, deshalb geschieht, damit es keinen Verlust des Sinnes für unsere Berufung gibt, für eine hohe und heilige Berufung, für echte Verantwortung - «Ich bin ein VERANTWORTLICHES Glied Christi, Seines Hauses, Seiner Gemeinde. Ich bin kein Passagier, nicht einfach jemand, der mitgetragen und gefüttert werden muss, sondern jemand, der Verantwortung übernimmt, mit einem Sinn für Anvertrautes.» Jedem von uns ist ein Depot durch Jesus Christus anvertraut worden, und am Ende wird er sehen wollen, was wir damit gemacht haben.

Nun, wie ihr seht, dies ist die Bedeutung dieser Briefe, und ich denke, das alles ist uns heute bekannt, diese Tendenz, niedriger anzusetzen, abzuweichen, zu verfallen, etwas zu verlieren. Es ist ein echter Kampf, nicht wahr, den hohen Standard aufrecht zu erhalten, die Dinge auf hohem Niveau zu halten, geistliche Fülle aufrechtzuhalten. Da ist der Druck, da sind die Entmutigungen, das Herzzerbrechen, da sind die verräterischen Christen; da ist auch Alexander der Kupferschmied.

Um dort aufzuhören, wo wir begonnen haben, merken wir uns, dass der Konflikt von Anfang bis Ende andauert. Paulus‘ Leben war, von seiner Bekehrung bis zu seiner Hinrichtung, durch Konflikte gekennzeichnet, und es gab auch am Ende keine Erleichterung. Wenn das Zeugnis Jesu wahrhaft und tief mit einem Leben oder einem Volk verbunden ist, ist es nur logisch, dass die Mächte des Bösen ihren Antagonismus nicht aufgeben werden gegen das, was zu ihrem Untergang bestimmt ist, und jedermann und jede Gruppe, die in dieses Zeugnis hereingerufen wurde, wird ebenso von diesem Antagonismus gekennzeichnet sein. Der Kampf wird deshalb andauern, solange wir «stehen, widerstehen, und, nachdem wir alles getan haben, stehen bleiben».

Möge der Herr uns helfen, so zu handeln.


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