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Leiterschaft

von T. Austin-Sparks

Kapitel 8 - Der Apostel Paulus

«Seid meine Nachahmer, wie auch ich Christi (Nachahmer) bin» (1. Kor. 11,1)

Wenn ein Mensch so etwas sagt, dann mutet er sich eine sehr schwere Verantwortung zu. Er zieht Christus in Sein Verhalten hinein, und für jeden, der auf Seine Anweisung hört und dann in die falsche Richtung geht, bedeutet dies, dass Christus am begangenen Irrtum beteiligt war. Der Möchte-gerne-Leiter müsste einem sehr vollen und vollständigen Verständnis von Christus und Seinen Wegen verpflichtet sein.

Die Geschichte liefert reichliche Beweise dafür, dass Paulus sich der Verantwortung, die er auf sich nahm, wohl bewusst war, und zudem auch für die Tatsache, dass Paulus ein sicherer Führer in allem, was Christus betraf, war. Wenn wir also zu einer Betrachtung der Leiterschaft wie im Falle von Paulus kommen, sehen wir auch Leiterschaft im Falle von Christus in mancher wesentlichen Hinsicht.

Es wäre überflüssig, wenn wir Zeit mit dem Versuch vertrödeln würden, zu beweisen, dass Paulus ein Leiter war. Jedermann weiß, dass er es war. Niemand in diesem ganzen Heilsabschnitt nach Christus hat mehr Einfluss auf Verstand und Leben so vieler Leute ausgeübt wie er, und auch heute bringt er die besten theologischen Hirne ganz schön in Trab.

Doch was wir bezwecken wollen, ist dies, die hervorstechendsten Punkte seiner geistlichen Leiterschaft für alle, die irgend welche Verantwortung unter dem Volk Gottes tragen, zu einer klaren Definition zu bringen. Wir werden sieben solche Faktoren einer geistlichen Leiterschaft aufzeigen.

1. Sicht

Mit «Sicht» meinen wir ein (alles) beherrschendes Ziel und einen ebensolchen Vorsatz. Paulus war ein Mann von immenser Energie, und seine Energien umfassen eine große Zahl von Details und Dingen. Doch Paulus war nicht einfach ungeheuer aktiv mit der Absicht, die Dinge zu erledigen. Das heißt, er führte kein Leben von diffusen Aktivitäten, nicht einmal von guten Werken. Alles entsprang vielmehr einem klaren, positiven Ziel und war an dieses gebunden. Paulus hatte etwas gesehen. Er nannte es «das himmlische Gesicht», und dafür, sagt er, sei er «von Christus Jesus ergriffen» worden. Er war ein Mann, der sehr klar wusste, wohin er ging, wozu seine vielfältigen Aktivitäten dienten, und wie das Ende von allem auszusehen hatte. Er hat präzise und knapp dargelegt, worin diese Sicht und dieses Ziel bestand. Wenn es irgend etwas geben sollte, für das die Geschichte Zeugnis ablegen kann, dass es wirklich dauerhaft war – obwohl zeitweise unterschätzt und vielleicht sogar verleumdet – muss es aus einer gottgeschenkten Sicht des göttlichen Vorsatzes ausgehen und von ihr beherrscht werden. Es muss eine klare Sicht davon vorhanden sein, wie die Dinge sein könnten, wenn Gott einen wahren Ausdruck und eine Verwirklichung dessen hätte, worin seine volle und erhabene Absicht besteht.

Zuweilen wird es Enttäuschungen, Entmutigungen, Herzzerbrechen und beinahe Verzweiflung geben, doch kann es dazu keine Alternative geben oder eine Hinwendung zu einigen Ersatzstücken. Die Sicht, wenn sie von Gott geschenkt wurde, wird so sehr ein Teil des Leiters sein, dass sie für ihn nichts Geringeres als Leben oder Tod bedeutet. Dies ist offensichtlich bei allen einstigen Sehern, und ebenso sehr im Falle von dem Apostel Paulus.

2. Erfahrung

Wenn wir erwähnen, Erfahrung sei ein wesentlicher Bestandteil bei der Leiterschaft, dann denken wir nicht notwendigerweise zuerst an die Anzahl Jahre. Es mag zwar Zeit benötigen, doch ist Leiterschaft eine Frage der Qualität und nicht der Quantität. Leiter sind oft Menschen, die eine ganze Menge in einen kurzen Zeitraum hineingepresst und konzentriert bekommen haben. Was wir besonders mit Erfahrung meinen, dass der Betreffende – durch eine tiefe, vielleicht drastische Geschichte mit Gott – selbst zu dem geworden ist, zu dem hin er andere führen möchte. Keine bloße Theorie oder ein Textbuchkonzept ist Geschichte. Seine Sicht, sein Ziel und dessen Prinzipien sind in ihn selbst hineingewirkt worden. Er ist selbst seine Botschaft! Es geht eine heimliche Macht von seiner Persönlichkeit aus, die nicht in erster Linie von der intellektuellen Überzeugung her kommt, sondern von Gottes Wegen mit ihm. Der Mann und seine Botschaft sind ein und dasselbe. Er kennt das in seinem eigenen Wesen, worüber er spricht und wonach er trachtet. Erfahrung bedeutet einfach: das, was aus gründlicher Prüfung und Erprobung hervorgeht. Sie ist mit dem Experiment verwandt: etwas, das geprüft wurde, das einem Test unterzogen wurde. Leiterschaft beruht auf diesem Wissen und Sein als Ergebnis von Prüfung und Erprobung.

Wir brauchen nur auf den besonderen Dienst des Apostels Paulus zu schauen und zu beachten, wie Gott mit ihm umging, nicht nur von seiner neuen Geburt her, sondern von seiner natürlichen Geburt her, wie all das in diesem Dienst zusammenpasste. Wie schwierig, ja unmöglich, zu glauben es auch sein mag, es gibt eine geheime Geschichte Gottes im Leben eines Menschen, der von Ihm zur Leiterschaft auserwählt wurde – selbst bevor er eine lebendige Erkenntnis des Herrn hatte – und seit der Zeit der Wiedergeburt gibt es eine Geschichte mit Gott, die sich auf den Vorsatz bezieht. In den meisten Fällen ist es eine tiefe Geschichte – ein Hineinstopfen und –pressen in einer vergleichsweise kurzen Zeitspanne von dem, was Realität hervorbringt und die Theorie zu etwas fast Abscheulichem macht.

3. Originalität

Hand in Hand mit der Erfahrung geht die Originalität, sie ist nur eine leichte Abweichung davon. Das, ihrer eigentlichen Natur nach, schließt jede Bemühung oder jeden Versuch, «originell» sein zu wollen, aus. Es geht nicht darum, dass wir bestrebt sind, anders zu sein, dass wir die «ausgetretenen Pfade» verlassen oder um irgend etwas anders. Originalität ist keine freiwillige Missachtung alter oder existierender Ordnungen mit der Absicht, etwas Neues zu beginnen. Es ist nicht das Bemühen, etwas zu denken, das niemand zuvor je gedacht hat. Es bedeutet auch nicht, geschickt und klug zu sein. Auch ist Originalität keine Imitation; das versteht sich von selbst. Das Wort selbst bedeutet schlicht «Anfang». Es ist nicht etwas, das wir von einem andern oder von andern aufgeschnappt haben. Es ist auch nicht etwas, das wir in unserem Unterbewussten abgespeichert haben und das nun wieder auftaucht, selbst ohne dass wir merken, dass es nicht unser Eigentum ist. Es steckt in der eigentlichen Natur der Sache, die Gott in uns wirkt, dass sie so real, so wunderbar und persönlich ist, dass wir nicht glauben können, jemand hätte es je zuvor gekannt.

Man kann eine bestimmte Sache jahrelang predigen, und dann, eines Tages, bringt der Herr dieses Leben zu einer lebendigen Erfahrung genau dieser Sache, und er/sie wird kommen und zu euch darüber predigen, als wärt ihr die unwissendsten Gemüter in dieser Angelegenheit. Doch seht das Leben, die Kraft, die Freude im Original! Wie oft wäre es sachdienlich, vielen Predigern und Möchte-gerne-Predigern gegenüber die Frage Christi an Pilatus in Erinnerung zu rufen: «Sagst du das von dir selbst, oder haben andere mit dir über mich geredet?» Mit andern Worten: «Woher hast du das?»

Es ist entscheidend wichtig, sollten andere in eine Erfahrung hineingeführt werden und nicht bloß in eine Lehre oder Theorie, dass der Leiter wirklich imstande ist zu sagen: «Der Herr hat es mir mitgeteilt». In dieser Sache hat der Apostel Paulus uns nicht in Zweifel gelassen: «Es war nicht nach dem Menschen... auch habe ich es nicht von Menschen empfangen» (Gal. 1,11.12 etc.).

Ob es nun in demselben Maße so ist oder nicht, jedenfalls muss die Wahrheit und das Prinzipielle in jeder Form von Leiterschaft vorhanden sein.

4. Mut

Es mag völlig unnötig erscheinen, das Argument des Mutes in Verbindung mit der Leiterschaft ins Gespräch zu bringen. Das scheint doch so offensichtlich zu sein. Aber es ist gar nicht so offensichtlich. Vieles hängt davon ab, was man unter Mut versteht. Physischer Mut ist eines – vielleicht das Allgemeinste. Moralischer Mut ist wieder etwas anderes – weit weniger allgemein. Doch geistlicher Mut gehört noch einmal einer andern Ordnung an, und er ist am wenigsten allgemein. Wir wollen keine Zeit bei den Unterschieden verlieren, sondern wollen direkt ins Herz der Dinge vordringen. Doch lasst uns dies feststellen – die Art von Mut, von der wir hier reden, beruht letztlich nicht auf irgend etwas Natürlichem. Er kann auch nicht auf einer physischen oder moralischen Konstitution beruhen. Tatsächlich können diese von sehr geringer Quantität sein.

In der Richthalle von Pilatus– oder an sie anschließend – gab der Mann, der glaubte, jedem moralischen Test gewachsen zu sein, während der Gerichtsverhandlung über Christus einen erbärmlichen Anblick ab, reduziert auf einen verwerflichen Feigling. In Jerusalem jedoch – weniger als zwei Monate später vor denselben Autoritäten, war das eine, was an ihm beobachtet und von ihm berichtetet wurde, sein «Mut». Das ist es, was wir mit «geistlichem Mut» meinen. Er gründet sich nicht auf das Temperament, sondern steht über dem Temperament. Temperament oder Bildung mögen auf das Diktat von Politik und Diplomatie hin handeln und sich verhalten. Das Temperament hasst möglicherweise den Weg der Unpopularität; oder es hasst es, Freunde, Stellung, Vorteile zu verlieren. Darum wird wohl ein Kompromiss mit Selbstschutz und Selbsterhaltung die Zuflucht oder die Hintertür aus dem Dilemma sein. Es könnte schlimmer sein, doch ist dies der schwächste Weg. Wahrer Mut ist ein Beharren auf dem Grundsätzlichen, und dies um jeden Preis; er kennt keinen Kompromiss, wenn Kompromiss in erster Linie ein Opfern irgend eines geistlichen Wertes bedeutet, und letztlich auf das Hinausschieben des entscheidenden Tages hinausläuft.

Mut ist nicht einfach unvernünftige Sturheit. Er ist auch kein Mangel an Bereitschaft, sich korrigieren zu lassen oder zuzugeben, einen Fehler gemacht zu haben. Er mag das genaue Gegenteil von diesen Dingen sein.

Mut ist ein klares Wissen um die entscheidenden göttlichen Prinzipien und eine Bereitschaft, um ihretwillen alle persönlichen Interessen fahren zu lassen. Wiederum ist gerade die Leiterschaft von Paulus von dieser Art.

5. Ausgleich

Man könnte denken, wenn wir dem, was eben gesagt wurde, noch den «Ausgleich» oder «das Gleichgewicht» anfügen, dass wir etwas zurücknehmen wollen, weil so oft «Ausgleich» und «Kompromiss» miteinander verwechselt werden. Es könnte so sein, aber das wäre nicht immer richtig. Der beste Weg, den Unterschied aufzuzeigen, ist wiederum der, unseren Apostel zu betrachten, und wenn wir dies tun, sehen wir ein klares Spiegelbild unseres Herrn in dieser Hinsicht.

Wenige Menschen haben so starke gegensätzliche Gesichtszüge auf wunderbarere und wirksamere Weise ausgeglichen wie dieses Beispiel zeigt. Dass Paulus ein Mann von sehr starken Wirkungen war, ist unbestritten. Was immer er tat, tat er mit Stärke. Seine eigene Beschreibung von sich selbst trifft sehr zu:

«So kämpfe ich, nicht als jemand, der in die Luft schlägt» (1. Kor. 9,26).

Es gab bei Paulus kein Schattenboxen. Wenn er zuschlug, schlug er hart zu und traf ins Schwarze. Die Kräfte, die in diesem kleinen Körper und Verstand angestaut waren, waren sehr stark, und Ausgeglichenheit war bei ihm weder eine Charakterschwäche noch ein schwächliches Auftreten.

Ausgeglichenheit im Falle dieses Leiters zeigt sich deutlich in der Kombination von Autorität und Freundlichkeit. Er konnte dieselben Leute das, was der «den Stock» nannte, spüren lassen, und dennoch in Tränen zerschmelzen vor lauter Sympathie und Sanftheit. Er konnte - wie sein Meister – diejenigen, die andern oder auch den Interessen Gottes Schaden zufügten, einfach zerstört und beschämt stehen lassen, sozusagen «ohne einen Fuß, auf dem sie stehen konnten». Und trotzdem konnte er – wie in Korinth – einen grimmigen Kampf mit bloßer Liebe und Sanftmut gewinnen.

Es ist nicht unsere Absicht, die verschiedenen Kontraste aufzuzählen, die in Paulus harmonisch zusammenfanden, vielmehr wollen wir aufzeigen, dass ein echter geistlicher Führer nicht nur lauter Wille ohne Herz, lauter Sanftheit ohne Stärke, lauter kalte Vernunft ohne sympathisierende Vorstellungskraft, lauter saloppe Gefühlsduselei ohne «wahrheitend in der Liebe» ist (Eph. 4,15).

Ausgleich erfordert das Gegengewicht zu Gegensätzen, und der Mann, der andere führen will, muss ihr Vertrauen gewinnen – wenn möglich – indem er Stärke, Festigkeit, Treue – selbst wenn er wenn nötig verletzen muss – im Gleichmaß mit Verständnis, Freundlichkeit und Sympathie hält.

6. Abhängigkeit von Gott.

Vielleicht würde es für einige mehr Sinn machen, wenn man diesen besonderen Gesichtspunkt der Leiterschaft in den Kontext natürlicher Ineffizienz stellt. Das heißt, dass demjenigen, den wir im Auge haben, die Dinge fehlen, die natürlicherweise eine Leiterschaft ausmachen. Zum Beispiel: wenn «Herkunft», Schulung, Erziehung, intellektuelle Fähigkeiten, sozialer Status, Persönlichkeit, und ähnliche Qualifikationen, etwa erworbene Titel und Fähigkeiten von sehr gewöhnlicher oder magerer Art sind. Dann könnten wir eine ehrliche Abhängigkeit von Gott sehr wohl verstehen und schätzen.

Es gibt der Sachlage ein vollständig anderes Gesicht, wenn all diese Dinge in einem ungewöhnlichen Maße vorhanden sind; und es öffnet die Türe zu einer sehr ernsten Schlussfolgerung. Wenn es auf den Apostel Paulus, der all diese natürlichen Vorzüge allen andern Menschen voraus hatte, zutrifft, dass er ein Mann war, der in allem von Gott abhängig sein musste – und er wusste, dass ihm nichts anderes übrig blieb – und dass er losgelöst von Gott völlig kraftlos war – den drängen sich uns ernsthafte Schlussfolgerungen auf.

Es wäre ein zu großes und zu langes Stück Arbeit, alle Beweise für diese Abhängigkeit zusammen zu tragen: Alles, was wir von seiner eigenen Feder wissen über seine «Unzulänglichkeiten», «Schwachheiten», Gebetsanliegen, dass ihm geholfen werde; sein Bekenntnis, dass er Hilfe von Gott empfangen habe; und die eine große Erklärung: «... dass wir selbst am Leben verzweifelten; ja, wir hatten in uns selbst schon das Todesurteil, damit wir nicht auf uns selbst vertrauten, sondern auf Gott, der die Toten auferweckt» (2. Kor. 1,8.9). Wir hätten auch noch all die Belehrungen über den «Glauben» einschließen müssen, der die eigentliche Grundlage seines Lebens war.

Zu welchen Schlussfolgerungen also werden wir durch diesen Fall gedrängt?

Die erste ist offensichtlich die, dass, welchen Wert die Souveränität Gottes auch immer in solchen natürlichen Gesichtspunkten haben mag, sie an sich noch keine Garantie für eine geistliche Leiterschaft sind. Sollte je ein Mensch, der zur Leiterschaft berufen worden ist, dazu tendieren, «sich auf seinen eigenen Verstand zu verlassen», dann würde er sich verwirrt wieder finden. Die Salbung ist etwas Zusätzliches zum Vollsten und Besten, und – beachtet dies bitte – sie gehört einer anderen Ordnung von Qualifikation an.

Das führt uns zu einer weiteren Schlussfolgerung. Es ist die, dass natürliche oder erworbene Fähigkeiten – höchstens – Knechte und nicht Meister sind. Sie gehören zur Seele; z.B. Intellekt, Gefühl und Wille, denn diese sind mit dem Wort «natürlich» im Neuen Testament durchwegs gemeint. Die Seele ist die Dienerin des Geistes, und es ist im und durch den menschlichen, «wiedergeborenen» Geist, dass der Heilige Geist wohnt und wirkt. Die Seele ist dasjenige, durch das die menschliche Kommunikation von Mensch zu Mensch geschieht. Der Verstand hilft dem Verstand. Das Herz hilft dem Herzen. Der Wille hilft dem Willen. Das alles ist gut, aber es bleibt auf der natürlichen Ebene, bis das Zusätzliche der Salbung hinzutritt. Dann bewegen sich die Dinge auf die ewige Ebene mit Ergebnissen, die viel weitreichender sind. Genau hier bekommt die Abhängigkeit (von Gott ihre eigentliche Bedeutung; doch sie bezieht sich auf den ganzen Menschen – auf Geist, Seele und Leib, wie zu sehen bei Paulus.

7. Loyalität

Es wäre schwierig, endgültig festzulegen, welches die größte aller Tugenden ist; doch beim Versuch, eine solche Schlussfolgerung zu ziehen, würden wir uns unter einer beträchtlichen Verpflichtung befinden, die Loyalität sehr hoch, wenn nicht an die Spitze zu setzen. Loyalität schließt so viele Dinge in sich wie Zuverlässigkeit, Verlässlichkeit, Treue, Beständigkeit, Großmut usw. Sie ist deshalb eine solch große Tugend, weil sie in solch entschiedenem Kontrast zu den niedrigsten und verächtlichsten aller Züge steht. Verrat könnte zuunterst auf der Skala stehen mit seiner bösen Brut, besonders der Andeutung. Von allen giftigen Pfeilen, die sich im Köcher befinden, gibt es wenige, die finsterer sind als die Anspielung. Sie ist die Zufluchtsstätte des Feiglings, der sich hinter einer Schar von Andeutungen versteckt und sich weigert, sich zu offenbaren. Verleumdungen sind grausame Waffen.

Bei allem, was wir über falsches Verhalten, Schwachheiten, Gemeinheiten und Unloyalität in den verschiedenen Gemeinden und von bestimmten Leuten wissen, ist es mehr als eindrücklich festzustellen, wie sich der Apostel Paulus weigerte, andern Gemeinden oder Personen gegenüber davon zu reden oder zu schreiben. Wir sind von vielem in Korinth angeekelt, was beklagenswert ungerecht, unfair, unfreundlich und grob fleischlich war. Doch finden wir keine einzige Stelle, wo Paulus sie andern Gemeinden gegenüber schlecht macht. Viel eher macht er das Beste aus ihnen. Seine Loyalität finden ihren reichen Ausdruck in seinen Listen mit Leuten, die er erwähnt. Paulus hätte sich nie herabgelassen zu versuchen, sich stark zu machen, indem er irgend jemand schlecht machte. Er war ein Mann, der – hätte sich eine solche finden lassen - der irgend eine mildernde Erklärung fand für ein scheinbares – oder auch tatsächliches – Vergehen, wenn es darum ging, mit andern darüber zu sprechen. Den Delinquenten gegenüber wollte er immer absolut treu und offen sein. Ihr konnte euch auf ihn verlassen, dass er sich vor euch hinstellt, auch wenn er unser Versagen sehr wohl kannte.

Was immer gegen ihn gesagt werden könnte, so wäre die allerverächtlichste Person nötig, um gegen ihn den Vorwurf zu erheben, er sei ein «kleiner» Mann. Er war ein zu großer Mann, um eifersüchtig oder herabsetzend zu sein. Er dachte oder handelte nie leichtfertig, wenn es um Freundschaft ging. Freundschaft war für ihn etwas Heiliges, nie durfte sie billig weggeworfen werden. Wie vieles gäbe es zu sagen zu dieser großen Tugend und zu diesem Faktor der Loyalität, aber auch wenn nur so wenig gesagt wurde, ist es nicht schwierig, zu erkennen, was für einen wichtigen und entscheidenden Teil sie bei der Leiterschaft spielt. Es war weitgehend sie, die Paulus ins Recht setzte, die Position eines geistlichen Leiters zu besetzen, die er innehatte.
Und in dieser Hinsicht, wie in mancher anderen auch, war es sicher, wenn er sagte: «Seid meine Nachahmer, gleichwie ich Christi Nachahmer bin».

Das Kreuz und der Dienst

Der zweite Brief an die Korinther ist, wie wir wissen, der Brief eines Dieners Gottes. Er sagt uns, was ein Diener Gottes vom göttlichen Standpunkt aus ist, wenn das Kreuz sein Werk tut. Moses, der Diener Gottes, tritt sehr stark ins Gesichtsfeld, wie er im Alten Testament diente, die Gedanken Gottes erklärte und den Sinn Gottes offenbarte. Das ist es, was ein Diener ist. Ein Diener ist, so sagt es dieses Wort, jemand, der die Gedanken Gottes aufzeigt, der den Sinn Gottes manifestiert. Wenn Moses aus dem Gesetz vorlas, dann strahlte sein Gesicht, denn die Herrlichkeit Gottes wurde durch ihn als Knecht Gottes, als Diener Gottes zum Ausdruck gebracht. Und vergesst nicht, das war noch unter dem Alten Bund, unter dem Bund der Zeichen, dem Bund der Symbole, der Sinnbilder; ja, und es war ein Dienst des Todes und der Verdammnis: doch sagt der Apostel, wir haben jetzt einen andern Dienst, und dieser Dienst ist das Hervorstrahlen Gottes im Angesicht Jesu Christi in unseren Herzen. Das ist es, was ein Diener ist; und lasst mich das sehr einfach aber deutlich feststellen.

Es gibt im Neuen Testament nichts von einem offiziellen Dienst als solchem. Gott hat in diesem Heilsabschnitt niemals Beamte als solche eingesetzt, damit sie Diener seien. Der Dienst ist eine Sache der Offenbarung Gottes im Angesicht Jesu Christi, die aus dem Herzen hervorstrahlt, und was den einen Diener mehr als den andern zu einem solchen macht, ist das Maß der Offenbarung Christi in seinem Leben; und wir sollten alle bereit sein, dem Platz in unseren Herzen zu geben. Es muss eine Offenbarung Gottes in eurem Herzen, in meinem Herzen sein, die uns zu Dienern Gottes einsetzt.

... Die Ausweispapiere des Dienstes sind das Hervorstrahlen der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi in unserem Herzen, und jeder, der dies hat, kann ein Diener Gottes sein; und jeder, der dies nicht hat, hat kein Recht, sich Diener Gottes zu nennen. Das Kreuz muss alle Vorstellungen von Dienst zerschlagen, die nur professioneller Art sind, die alles andere als geistlich sind. Geistliche Gaben, geistliche Offenbarung, geistliche Erkenntnis, geistliche Ressourcen, geistliche Reichtümer, diese allein konstituieren uns als Diener Gottes.

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