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Disziplin zum Gebet

von Verschiedene Autoren

Teil 1 - Unbewegt und Unerschrocken

von Harry Foster

«Als nun Daniel erfuhr, dass das Edikt unterschrieben war, ging er hinauf in
sein Haus, wo er in seinem Gemach offene Fenster nach Jerusalem hin hatte,
und er fiel dreimal am Tag auf die Knie nieder und betete und dankte vor seinem
Gott, WIE ER ES ZUVOR IMMER GETAN HATTE. (Daniel 6,11)

Es hat etwas ungeheuer Beeindruckendes an sich bei einem Menschen, der von allen Seiten eingeschlossen und angegriffen wird, und der, scheinbar besiegt, dennoch eine ruhige, würdige Beständigkeit des Glaubens aufrechterhält und unbewegt und unerschrocken mit seinem Gott weitergeht.

Daniels Schwierigkeiten entsprangen der Tatsache, dass er für eine Beförderung vorgesehen wurde. «So nahm sich der König vor, ihn über das ganze Reich zu setzen» (V. 4). Es gab zwei ihm gleichgestellte Präsidenten und viele Satrapen unter ihm. Sie alle reagierten heftig gegen die Entscheidung hinsichtlich seiner Beförderung, so heftig, dass sie ein Komplott schmiedeten, um ihn zu vernichten. Zunächst hatte sie großen Erfolg. Es schien unwahrscheinlich, wenn nicht überhaupt unmöglich, dass Daniel je die Oberherrschaft erlangen würde, die für ihn geplant war. Und dennoch tat er es! Die bösen Winkelzüge schlugen fehl. Der Knecht Gottes wurde befreit und über das Königreich gesetzt. Die Mittel, durch die er befördert wurde, schienen sehr seltsam zu sein. Und doch befinden sie sich in völliger Harmonie mit allem, was die Schrift über geistlichen Fortschritt lehr. Besonders befindet sich Daniels Erfahrung in Übereinstimmung mit dem, was im Falle vom Herrn Jesus offensichtlich ist, nämlich, dass der Weg zum Thron über Tod und Auferstehung führt.


Wie er es zuvor immer getan hatte

Die Löwengrube war eine Art Grab. Daniel blieb dieses Grab nicht erspart; er musste mitten hinein gehen. Aber weil er ein Mann Gottes war und seinem Gott die Treue hielt, verloren er nichts und gewann alles durch diesen Abstieg. Seine Rivalen stürzten in dieselbe Grube hinab, und sie blieben auch dort. Gegen Ende des Kapitels werden weder Präsidenten noch Satrapen erwähnt. Daniel hingegen wurde sein Platz über das ganze Reich gegeben, nicht durch irgend eine Anstrengung oder Planung seinerseits, sondern ganz einfach wegen aufrechterhaltenen Position des Glaubens an Gott. Hier ist eine Lektion für uns. Auch wird sind, durch seine erstaunliche Gnade, zur Beförderung ausersehen worden, wir sind für den Thron auserwählt worden. Dies erklärt für uns, genauso wie für Daniel, die besondere Bitterkeit des Konflikts, in den wir verwickelt worden sind. Es stehen große Dinge im Blickfeld; wir müssen wissen, wie wir uns inmitten von all dem verhalten sollen, und welches das Geheimnis ist, das es dem Herrn möglich macht, seinen Vorsatz auch bei uns zu erfüllen, wie er das bei Daniel tat.

Wir stellen fest, dass er einzig und allein auf geistlichem Grund durchkam. Seine eigene Weisheit, seine irdische Autorität, sein Einfluss unter den Menschen, seine Erfahrung, seine Freunde - all das zählte nichts. Wie man ihn schnell beiseite schob und in die Grube warf, muss er ein Bild vollständiger Hilflosigkeit abgegeben haben. Es gab nichts, das er hätte sagen können, und er konnte auch nichts tun. Er versucht erst gar nicht, mit den Löwen zu kämpfen; es wäre nutzlos gewesen, hätte er es getan. In einem geistlichen Konflikt - und in einem solchen befinden wir uns - ist außer geistlicher Kraft nichts von irgend welchem Nutzen. Trotz all seiner scheinbaren Hilflosigkeit hatte Daniel einen festen Stand bei Gott. Der Schlüssel für sein Herauskommen aus dem Konflikt in einem derart vollständigen Triumph findet sich in unserem Vers bezüglich seines Betens, und ganz besonders in den letzten Worten: «wie er es zuvor immer getan hatte».

Er war beharrlich in seinem Glauben. Doch es wäre nicht ausreichend, auf eine bloß allgemeine Weise daran zu denken, dass er Glauben hatte, oder daran, dass er ein Mann gewesen sei, der gewohnheitsmäßig für alle möglichen Dinge betete. Wir können die Natur seiner Beständigkeit nur verstehen, wenn wir erkennen, dass er einer klaren und von Gott geschenkten Vision treu blieb. Er hatte den Vorsatz Gottes hinsichtlich seines Volkes verstanden. Zudem hatte er sein ganzes Leben dieser Vision angepasst, wie das offene Fenster und die «dreimal am Tag Gebetswache» zeigen. Er wusste, was Gott wünschte und beabsichtigte, und er hatte sich von ganzem Herzen seiner Erfüllung verschrieben. Tagein tagaus, in guten und in schlechten Tagen, hielt er sich in der Richtung auf Gott und stand für Gottes Willen ein. Kein Wunder benutzte Satan menschliche Eifersucht und Spucke bei dem entschlossenen Versuch, ihn zum schweigen zu bringe! Doch man brachte ihn nicht zum Schweigen. Man brachte ihn nicht dazu, seine Fenster zu schließen. «Zuvor» blieb er beharrlich bei seiner Gebetswache; nun, da ihm Schwierigkeiten drohten, weigerte er sich, sich von seinem festen Kurs mit Gott abbringen zu lassen. Er hatte eine geistliche «Routine», eine heilige Gewohnheit, einen festen Herzensvorsatz. Als er in die Gegenströmung dieses Konflikts geriet und das Schriftstück gegen ihn unterzeichnet wurde, schien er davon überhaupt keine Notiz zu nehmen, vielmehr blieb er ruhig bei seiner Wache beim Herrn - «WIE ER ES ZUVOR IMMER GETAN HATTE».

Vielleicht sind wir versucht, zu wünschen, dass wir ein Mann seiner Art würden - ruhig, beharrlich, unbewegt - weil wir fälschlicherweise glauben, dies sei eine Sache von Daniels Temperament gewesen. Sollte dies der Fall sein, ist es gut, wenn wir daran denken, was für ein Mensch er sein könnte. «Ich war zutiefst erschrocken und fiel auf mein Antlitz...» (8,17). «Ich, Daniel, fiel in Ohnmacht» (8,27); «Dann sprach er zu mir: Fürchte dich nicht, Daniel...» (10,12). Das war kein Mann aus Stahl, sondern einer, der uns äußerst ähnelt, mit all unseren inneren Schwankungen, unserer Furchtsamkeit, und unserer Neigung, ohnmächtig zu werden. Dennoch war er unerschrocken. Mitten unter Komplotts zu seiner Vernichtung, ohne irgend ein Anzeichen von Anspannung und in ruhiger Würde des Glaubens ging er mit dem Herrn geradeaus weiter. Und so müssen es auch wir machen. Vielleicht wird es uns helfen, einige von Daniels Geheimnissen zu entdecken.


Die Größe seiner Vision

Der erste Grund, weshalb Daniel imstande war, so ruhig weiterzufahren, als sei nichts geschehen, lag in der Größe seiner Vision. Wenn wir eine Vision haben, die sich weitgehend mit uns selbst beschäftigt, mit unseren Umständen und unserem Dienst, werden wir verwirrt oder verletzt, wenn die Dinge bei uns anfangen falsch zu laufen. Wir brauchen, nein, wir haben in der Tat, eine Vision von Gottes universellem und ewigem Vorsatz in seinem Sohn, und das allein wird uns davor retten, in der Stunde des geistlichen Konfliktes überwältigt zu werden.

Daniel schaute zurück, weit über seine eigene Zeit hinaus. Die offenen Fenster ermöglichten den Blick auf einen ursprünglichen Vorsatz Gottes, der seinen Ursprung lange vor seiner eigenen Generation hatte. Das Jerusalem, an das er sich erinnerte, war eine armselige Sache im Vergleich zu der wahren Herrlichkeit von Zion. Die meisten von uns haben die Neigung, mit Bedauern an den Dingen zu kleben, wie wir sie einmal gekannt haben, und wegen der vergangenen Tage zu seufzen. Doch ist es vergeblich und vollkommen unangemessen, unsere Vision so zu limitieren. Wir wurden zu etwas viel Größerem als diesem berufen. Wir haben einen Teil im göttlichen Vorsatz, der in der Ewigkeit konzipiert und in Christus am Kreuz realisiert wurde. Wenn wir unser Herz nur auf das fixieren, was wir einmal gekannt und erfahren haben, auf den begrenzten Bereich unserer Vergangenheit, werden wir in Verwirrung geraten, wenn momentan alles falsch zu laufen scheint. Unsere natürliche Vision ist auf das Unmittelbare beschränkt, auf die gegenwärtigen Erfahrungen und auf die winzige Spanne unseres eigenen Lebens. Wir müssen von uns selbst gerettet werden, und das wird dadurch geschehen, dass wir geistliche Vision empfangen, was den weiten Bereich des göttlichen Vorsatzes in Christus betrifft. Wenn wir wie Daniel weit genug zurückblicken, werden wir aufrecht erhalten durch die Erinnerung an Gottes ursprüngliche Absichten.

Daniel sah auch nach vorne. Uns wird gesagt, dass er nicht nur betete, sondern «vor seinem Gott auch Dank sagte». Natürlich gab es viele Gründe dafür, in Israels vergangener Geschichte Gott zu danken, doch für den Mann des Glaubens, für den Mann mit Vision, liegt das wahre Motiv in der Zukunft. Er hatte die Gewissheit erhalten, dass es für Jerusalem noch eine Zukunft gab, eine Zukunft, die sogar noch herrlicher sein wird als die Vergangenheit. Er wusste, dass Gott sein Ziel verwirklichen würde. Es machte ihm darum wenig aus, wenn im Augenblick die ganze Wut der Hölle um ihn herum tobte; es bedeutete ihm sehr wenig, wenn Daniel von der Erde hinweggefegt werden sollte. Nichts konnte die Erfüllung des Ratschlusses Gottes verhindern. Was immer sonst noch passieren mochte, der Herr würde triumphierend auf sein Ziel zuschreiten. Mit dieser Überzeugung, und mit seinen offenen Fenstern in dieser Richtung, konnte Daniel es sich leisten, seine Feinde zu ignorieren, und alle Beschlüsse von Menschen mit würdiger Verachtung zu behandeln. «Als aber Daniel erfuhr, dass die Schrift unterzeichnet worden war ... betete er, und sagt Dank vor seinem Gott, «WIE ER ES ZUVOR IMMER GETAN HATTE».

Die kleinen Schicksalsschläge der gegenwärtigen Zeit sind verachtenswert im Licht bestimmter Herrlichkeiten, die noch kommen werden. Wir sind zu einem Volk der Ewigkeit geschaffen worden; wir sind berufen, alle gegenwärtigen Probleme und Schwierigkeiten in ihrem größeren Zusammenhang zu sehen. Es mag stimmen, dass wir, wie Daniel, in eine Katastrophe verwickelt zu sein scheinen, dass auch für uns eine Schrift unterzeichnet wurde, die unsere Zukunft hoffnungslos erscheinen lässt. Die Vision, die wir haben, ist nicht persönlich, und auch unser Dienst ist kein persönlicher Dienst, so dürfen wir uns nie von dem überwältigen lassen, was nur uns persönlich betrifft. In Christus sind wir eng mit Gottes ewigem Vorsatz für die Größe seines Sohnes verbunden worden. Dies ist die Größe, die uns aus unserer eigene, natürlichen Kleinlichkeit herausheben will.

Daniel sah weit über seine eigenen Umstände hinaus. Er war nach Hause gegangen und hatte sein eigenes Zimmer betreten. Es mag sehr wohl ein großes Zimmer gewesen sein, wie Zimmer sein können, auf jeden Fall wurde es von den vier Wänden umgeben, die das umschlossen, was ihm gehörte (d.h. es war sein Privatbereich). Er schaute nicht auf die Dinge um ihn herum, sondern durch die offenen Fenster hinweg nach der Stadt Gottes. Wie wichtig war es zu jenem kritischen Zeitpunkt, dass er nicht nur um sich blickte auf das, was zeitlich war, auf die wenig verheißungsvollen Umstände, in denen er sich befand, sondern dass er die göttliche Aussicht auf die gotterfüllte Herrlichkeit Jerusalems im Auge behielt. Nur das Auge des Glaubens konnte damals diese Stadt sehen, doch Daniel hatte dieses Auge des Glaubens. Gewiss war es diese Vision, die ihn ausharren ließ.

Es gibt eine Situation, in welcher Menschen, die unter großem Druck stehen, zu kapitulieren oder Kompromisse einzugehen, der Versuchung nur widerstehen können, wenn sie sich daran erinnern, dass ihre Sache viel größer ist als sie selbst. Sie können in Treue bewahrt bleiben durch die Erkenntnis, vorausgesetzt, sie verzweifeln nicht, dass die Sache, mit der sie verbunden sind, letztlich triumphieren wird trotz allem, was ihnen noch widerfahren mag. Wie viel mehr ist dies bei denen der Fall, deren Sache «geistlicher» Natur ist! Wäre Daniel vorwiegend mit seinem eigenen Überleben beschäftigt gewesen, hätte er sich nicht so verhalten können, wie er es tatsächlich tat. Hätte er vor allem darüber nachgedacht, wie er selbst bewahrt bleiben könnte, hätte er sich möglicherweise mit den Feinden arrangiert oder auf irgend eine Weise kapituliert. Für ihn war die Vision jedoch so groß, dass seine größte Sorge nicht dem galt, wie er überleben, sondern wie er treu bleiben konnte. Er spürte, dass er treu bleiben musste, wegen des Ungeheuren und Großartigen, das auf dem Spiele stand.

Dieses Drängen, treu zu sein, ist in jedem Abschnitt von Daniels Leben feststellbar. Es traf zu, dass er nicht nur im Gebetskämmerlein, wenn er auf seinen Knien lag, sondern auch in jeder Erscheinungsform seines gewöhnlichen Alltagslebens treu war. (V. 4). Es kann nichts Gemeines oder Unbedeutendes im Leben eines Mannes geben, der mit einem großen göttlichen Vorsatz in Verbindung steht: Er realisiert nämlich, dass diese Verbindung in jedem Aspekt seines täglichen Lebens einen sehr hohen Standard erfordert. Wenige von uns können in solche schwierige Umstände versetzt werden, wie es Daniel in Babylon widerfuhr. Und tatsächlich sind sehr wenige ebenso treu geblieben wie er in den viele Prüfungen und Versuchungen, die auf seinem Weg auftraten. Vielleicht war es so, dass er, weil er gelernt hatte, in den kleineren Angelegenheiten treu zu sein, so vollkommen in seiner übergroßen Prüfung triumphierte.

Hätte Daniel es höchst wichtig erachtet, dass vor allem er überleben sollte, wäre es für ihn sehr leicht gewesen, entweder mit Beten aufzuhören, oder wenigstens nicht mehr niederzuknien, oder die Fenster zu schließen, damit es nicht alle sehen konnten. Schließlich war er kein Sklave in Babylon, sondern ein Mann von großer Bedeutung. Er war kein Feind von Darius, sondern vielmehr sein guter Freund. Hätte er es gewollt, hätte er seine persönliche Sicherheit bewahren können, und zweifellos hätte er sich viele gute Gründe ausdenken können, es wenigstens zu versuchen. Was aber wäre dann aus Jerusalem geworden? Was wäre aus den Vorsätzen Gottes für sein Volk geworden? Für Daniel war es die Vision, die zählte, nicht sein persönliches Wohl. Und genau auf diesem Weg fand er seine eigene Befreiung. Der Mann, der der gottgeschenkten Vision treu bleibt, kann es sich leisten, die Frage nach seinem eigenen Schicksal in den Händen des Gebers dieser Vision zu lassen.

Dies ist also die Herausforderung, die an uns alle herantritt, der Ruf, der Vision treu zu bleiben. Daniel erinnert uns daran, wie wichtig es ist, dass ein einziger Mensch fest bleibt vor dem Herrn. Keiner von uns weiß, wie vielen göttlichen Vorsätzen es dienen kann, wenn wir ganz einfach treu sind.

In einem gewissen Sinne kommt es überhaupt nicht auf uns an. Es ist nicht wichtig, die Löwengrube zu meiden aus Schwierigkeiten gerettet zu werden, uns zu rechtfertigen oder für unsere Position zu kämpfen. Doch in einem anderen Sinne kommt es sehr darauf an, dass wir dem Herrn treu bleiben. Um das tun zu können, müssen wir die Größe der Sicht im Augen behalten.

Die Größe seines Gottes

Für Daniel war Gott größer als alles. So einfach war das. Er hatte viele Visionen, die sich mit allen möglichen Leuten, Orten und Ereignissen befassten, doch hatte er eine überragende Vision, und das war die Vision seines Herrn. Keine der historischen oder prophetischen Andeutungen kann ohne Bedeutung sein, denn das Wort Gottes ist nie ohne Bedeutung; doch haben wir das Wesentliche der Geschichte Daniels versäumt, wenn wir uns mit Dingen oder Leuten beschäftigen statt mit dem Herrn selbst. Das ist das zweite von Daniels Geheimnissen bezüglich des beständigen Lebens: Bei ihm überragte die Person des Herrn einfach alles. Prophetische Wahrheiten können uns interessieren oder erleuchten, doch werden sie uns in einer Stunde der Prüfung nicht erretten. Daniels Zimmer war keine Studierstube, wenigsten wurde es nicht als solche benutzt; es war sein Gebetsraum, sein Audienzzimmer mit seinem Gott. Wir beeilen uns, unseren besten Freund aufzusuchen, wenn Schwierigkeiten auftauchen; Daniel jedoch suchte, sobald er wusste, dass das Schriftstück unterzeichnet war, unmittelbar sein Gebetszimmer auf, um mit seinem Herrn zu kommunizieren. Er sank auf seine Knie, nicht als eine Angelegenheit der Routine oder eines Rituals, auch nicht, um eine Anzahl Gebetsanliegen aufzulisten, sondern um seinen Gott anzubeten und auf ihn zu warten. Wie wir gesagt haben, war er mit einer sehr großen Vision verbunden, doch der zentrale und überragende Gesichtspunkt dieser Vision war die Person des Herrn.

Dies ist für uns ebenso wichtig wie es für ihn war. Wenn wir zum Neuen Testament kommen, müssen wir sehr aufpassen, dass wir jedem Detail seiner Lehre das nötige Gewicht geben. Wir machen einen großen Fehler, seine Befehle, seine Ermahnungen und die ausdrücklichen Aussagen des Wortes ignorieren oder ihnen nicht gehorchen. Und dennoch, unsere erste Sorge muss unserem Herrn Jesus selbst gelten. Die Lehren und Methoden zu befolgen, die mit dem Haus Gottes verbunden sind, und doch die überwältigende Gegenwart des Sohnes und Eigentümers zu vermissen, bedeutet nichts anderes, als eine leere Schale mit der lebendigen Realität zu verwechseln.

Daniels Vision vom Herrn war so groß, dass sie zur Verdunkelung all seiner Feinde führte. Zweifellos waren sie sehr imposant, «die Präsidenten, die Abgeordneten, die Satrapen, die Räte und die Gouverneure» (V. 7). Was immer Daniel auch gedacht haben mochte, als er die lange und beeindruckende Liste überflog, gibt es kein Anzeichen dafür, dass es ihm großen Eindruck gemacht hätte. Er ging nach Hause, um seinem Herrn zu begegnen... «wie er es zuvor immer getan hatte». Dass er seine Augen auf den Herrn gerichtet hielt, bedeutet nicht, dass er seine Feinde ignorierte oder vorgab, sie würden nicht existieren. Es bedeutete lediglich, dass er wegen ihres Hasses näher zu seinem Herrn gezogen wurde, weil er erkannte, dass er um keinen Preis zulassen durfte, dass er von dieser Hingabe und Gemeinschaft weggezogen wurde, die das Herzstück des göttlichen Vorsatzes bedeutete. Er war entschlossen, auf positivem Grund standzuhalten. Es kann nur negativ sein, wenn wir uns zu sehr mit unseren Feinden beschäftigen, oder auch mit den Dingen, die Gottes Vorsatz bedrohen. Wir erreichen Gottes Ziel nie, wenn wir negativen Dingen nachjagen.

Daniel weigerte sich, von der Hauptsache abgelenkt zu werden. Er wollte sich nicht einmal wegen seiner eigenen, gefährlichen Lage zum Gebet zurückziehen. Er hatte nur eine Antwort für seine Feinde, und es war die, dass er in seiner Hingabe an den Willen Gottes geradeaus weiterging. Wir müssen seinem Beispiel folgen. Satan wird immer versuchen, uns vom positiven Ziel Gottes abzulenken. Wenn wir uns auf Seitenwege weglocken lassen, wird er stets für uns welche besorgen. Es mögen Dinge sein, die uns herausfordern, Dinge, denen es immer gelingt, unseren Ärger und unseren Zorn hervorzulocken. Wenn wir uns dann zurückziehen und zu sehr darüber beten, haben wir den wahren Ruf zu positivem Gebet verpasst. Es trifft zu, dass Epheser den Aufruf zum Gebetskonflikt betont, aber dieser kommt am Ende eines Briefes, welcher der Hauptvision von Gottes Vorsatz in seinem Sohn gewidmet ist. Deswegen, und nicht wegen geringerer persönlicher Dinge, werden wir zum geistlichem Kampf aufgerufen. Oder, der Teufel kann uns auch mit irgend welchen Nebensachen beschäftigt halten, die wir gern haben, mit an sich guten Dingen, die uns jedoch von der Hauptsache ablenken. Der Mann des Geistes weigert sich, sich ablenken zu lassen. Wie Daniel geht er entschlossen vorwärts.

Daniels Vision war so groß, dass sie auch seine Freunde verdunkelte. Sadrach und seine beiden Gefährten werden hier überhaupt nicht erwähnt. Wir wissen nicht, wo sie zu diesem Zeitpunkt waren. Vielleicht beteten sie im Geheimen für ihn. Wir wissen jedoch, dass es Zeiten gibt, in denen wir allein mit dem Herrn durchkommen müssen. Das ist kein Widerspruch zu geistlicher Gemeinschaft. Eine solche Gemeinschaft kann nur gesund und lebendig bleiben, wenn bei allem der Herr selbst es ist, den wir vor Augen haben. Darius war auch Daniels Freund. Tatsächlich versuchte er ja auch sein Bestes, um ihm zu helfen. Aber es wird uns nicht berichtet, dass Daniel, als er erfuhr, dass das Schriftstück unterzeichnet worden war, Darius aufgesucht hätte, um die Sache mit ihm durchzusprechen und ihn um Hilfe zu bitten. Nein, er ging geradewegs zum Herrn. Mit all seiner augenscheinlichen Macht erwies sich Darius in dieser Angelegenheit als völlig hilflos. Daniel kannte seinen Herrn als «hoch über allen». Er hätte nicht ruhig seinen Weg weitergehen können, hätte er nicht einen konstanten Wandel mit seinem allmächtigen Herrn gepflegt.

Die Macht des Gebets

An dritter Stelle hatte Daniel gelernt, vollständiges Vertrauen in Gottes Fähigkeit zu haben, Gebet zu beantworten. Nichts konnte ihn davon abhalten, auf Gott zu warten, denn er kannte die Macht des Gebets. Daniel war mit der Macht sehr vertraut; er hatte viele Jahre lang an ihrem Sitz zugebracht. In seinem eigenen Land hatte er als Junge die erstaunlichen Dinge gesehen, die durch diese Weltmacht geschehen können. Zusammen mit seinen Mitjuden wurde er durch den mächtigen Herrscher gefangen genommen, durch «das Haupt von Gold», das alle heidnischen Königreiche überragte; und nun hatte er ja schon seit langer Zeit seinen Platz im Herzen dieser erschreckenden Weltautorität. Er wusste alles über die Dekrete eines absoluten Despoten und über «das Gesetz der Meder und Perser, das nicht geändert werden darf» (V. 8.12). Und als er über alles nachgedacht hatte, war er mehr als je davon überzeugt, dass ein Mann auf seinen Knien mehr bedeutete als sie alle zusammen, dass mehr Macht im schlichten Glaubensgebet steckt als im größten Weltreich, das diese Welt je hervorbringen könnte. Er hatte seine Lektion gelernt. Für ihn war das keine bloße Theorie, wie es leider für uns oft ist. Er hatte es in der Vergangen erprobt, und er war zufrieden, es weiter zu erproben. Es war zwar eine besondere Gelegenheit, aber er suchte kein besonderes Heilmittel. Er fuhr ganz einfach mit Beten fort, «wie er es zuvor immer getan hatte».

Wenn ein Mensch vor etwas steht, das satanischen Ursprungs ist, wird er aufs Gebet zurück geworfen, denn nur Gott kann mit diesem großen Feind verfahren. Es ist bedeutsam, dass das unterzeichnete Dekret auf einer Lüge basierte. Darius setzte seine Unterschrift wegen einer bewussten Unwahrheit darunter. Jene, die sie ihm unterbreiteten, bestanden darauf, dass «alle Präsidenten des Königreichs» zugestimmt hätten (V. 7). Daniel war jenen Mit-Präsidenten mindestens ebenbürtig, und doch war er daran nicht beteiligt. Hätte Darius die Wahrheit gekannt, so hätte er mit Sicherheit nie seine Zustimmung gegeben, das Gesetz zu erlassen. Wo immer eine Lüge vorliegt, ist Satan nicht weit weg. Und wenn wir in seine Aktivitäten verwickelt werden, tun wir gut daran, einen Moment zurückzustehen und die ganze Sache noch einmal zu überdenken, und uns danach entscheiden - wie es Daniel offensichtlich tat - dass nur Gott mit dieser Situation fertig wird. Natürlich kann es nötig werden, die Wahrheit offen zu sagen und die Lüge zu denunzieren, aber wie oft haben sich Gottes Knechte nur in noch größere Schwierigkeiten gebracht, als sie versuchten, mit etwas zu kämpfen, das für sie zuviel, zu stark und zu durchtrieben war, wo doch das Vorhandensein einer Lüge in der Situation sie hätte warnen können, dass es sich hier nicht um eine Frage der Meinung oder des Urteils handelt - wir alle machen Fehler - sondern um eine Unwahrheit im Bereich der Tatsachen. Was tun wir gewöhnlich, wenn wir einer solchen Lüge begegnen? Gewöhnlich kämpfen wir dagegen an, wir bringen unsere Argumente vor, wir versuchen, durch unser eigenes Vorgehen damit fertig zu werden. Was aber tat Daniel? Er ging direkt zu Gott zurück, fiel auf seine Knie und fand einen Ort der geistlichen Autorität über der Sache. Er verfuhr mit dem Ganzen am Ort des Gebets.

Dort geschah alles. Der Rest war bloß noch die Ausführung. Eine schmerzliche Ausführung, wenn ihr wollt, denn es befreite ihn nicht von der Notwendigkeit, in die Löwengrube geworfen zu werden, zur großen Betrübnis seines Freundes Darius, der eine Nacht voller Kummer durchwachte. Er hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Seine eigene Macht hatte zwar versagt, Daniel zu befreien - menschliche Macht versagt immer angesichts geistlicher Opposition - doch der Mann auf den Knien war der Mann in Berührung mit dem Thron. Es wird uns nicht berichtet, was für eine Nacht Daniel durchmachte, doch es könnte sehr wohl eine Nacht innerer Ruhe gewesen sein. Und dies nicht deshalb, weil er für sich selbst gebetet hatte, sondern, weil er sich für die Interessen des Herrn eingesetzt hatte und er es sich deshalb leisten konnte, seine eigenen Bedürfnisse der Hand Gottes zu überlassen. Er betete nicht, weil er sich einer Notlage gegenübersah; er betete, weil er ein Beter war. Er glaubte an die überragende Macht des Gebets, und er praktizierte, was er glaubte. Wenn wir doch dasselbe tun würden!

Daniel musste beten, um seine Vision zu empfangen. Ein Mann ist kein Prophet, es sei denn, er sei zuerst ein Mann des Gebets - «... er ist ein Prophet, und er wird für dich beten...» (1. Mose 20,7). Doch das war nur der Anfang. Wir dürfen nicht glauben, die Offenbarung in Bezug auf den Willen Gottes sei ein Ziel in sich selbst; es ist bloß die erste Phase eines Gebetsdienstes. Als Daniel sich zu einem Verständnis der Wege des Herrn durchgebetet hatte, legte er drei Zeiten pro Tag fest, um im Gebet für deren Erfüllung fortzufahren. Sein Gebetsdienst brachte ihn in die Löwengrube, aber er brachte ihn auch wieder hinaus, und er war imstande, die Sache bis zu ihrem glorreichen Ende mitzuverfolgen. «Und diesem Daniel ging es von da an gut» (Dan. 6,28). So - indem er durchbetete, unbewegt und unerschrocken durch die Anschläge und Bedrohungen - ging es diesem Daniel gut. DIESER Daniel, nicht der Daniel des Präsidentenamtes, sondern der Daniel aus der Löwengrube - diesem Daniel ging es gut, nicht nur während der Herrschaft von Darius, sondern auch unter der Herrschaft von Kyros, dem Perser, welcher der Befreier und Wiederhersteller von Jerusalem war.

Das alles geschah in den letzten Jahren seines Lebens. Vielleicht war es deshalb so, weil die Zeit von Jerusalems Befreiung gekommen war, und Satan darum den Mann, der im Gebet dafür eintrat, um so heftiger attackierte. Wenn das so ist, dann liegt hier eine Botschaft an uns vor, die wir mit Sicherheit in den zu Ende gehenden Tagen des Heilszeitalters unser Zeugnis zu geben haben. Das Königreich, um das wir uns im Gebet bemühen, ist nicht irdisch, sondern himmlisch: es betrifft «das Jerusalem, das droben ist» (Gal. 4,26). Wir wollen deshalb einander ermutigen, uns nicht durch die Dinge entmutigen zu lassen, die damit drohen, unser Gebetsleben auszulöschen oder abzulenken. Und wir wollen auch daran denken, dass eben diese Erfahrung der Weg war, auf dem Daniel zu seiner vorgesehenen Beförderung gelangte. Er gelangte auf dem Wege der Löwengrube auf den Thron. Unser Retter stieg auf dem Wege des Kreuzes zu Thron auf. Wir können nur mit ihm herrschen, wenn wir auch mit ihm leiden.

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