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Glaube zur Ausweitung durch Widerwärtigkeit

von T. Austin-Sparks

Kapitel 2 - Der Schlüssel des Glaubens

«Nach diesen Begebenheiten erging das Wort des Herrn an Abram in einer Offenbarung: Fürchte dich nicht, Abram, ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn! Abram aber sprach: O Herr, Herr, was willst du mir geben, da ich doch kinderlos dahingehe? Und Erbe meines Hauses ist Elieser von Damaskus! Und Abram sprach weiter: Siehe, du hast mir keinen Samen gegeben, und siehe, ein Knecht, der in meinem Haus geboren ist, soll mein Erbe sein! Aber das Wort des Herrn erging an ihn: Dieser soll nicht dein Erbe sein, sondern der aus deinem Leib hervorgehen wird, der soll dein Erbe sein! Und er führte ihn hinaus und sprach: Sieh doch zum Himmel und zähle die Sterne, wenn du sie zählen kannst! Und er sprach zu ihm: So soll dein Same sein! Und Abram glaubte dem Herrn, und das rechnete er ihm als Gerechtigkeit an». (1. Mose 15,1-6)

«Als nun Abram 99 Jahre al war, erschien ihm der Herr und sprach zu ihm: Ich bin Gott, der Allmächtige. Wandle vor mir und sei untadelig! Und ich will meinen bund schließen zwischen mir und dir und will dich über alle Maßen mehren! Da fiel Abram auf sein Angesicht. Und Gott redete weiter mit ihm und sprach: Siehe, ich bin der, welcher im Bund mit dir steht; und du sollst ein Vater vieler Völker werden. Darum sollst du nicht mehr Abram heißen, sondern Abraham soll dein Name sein; denn ich habe ich zum Vater vieler Völker gemacht. Und ich will dich sehr, sehr fruchtbar machen; auch Könige sollen von dir herkommen. Und ich will meinen Bund aufrichten zwischen mir und dir und deinem Samen nach dir von Geschlecht zu Geschlecht als einen ewigen Bund, dein Gott zu sein und der deines Samens nach dir. Und ich will dir und deinem Samen nach dir das Land zum ewigen Besitz geben, in dem du ein Fremdling bist, nämlich das ganze Land Kanaan, und ich will dein Gott sein». (1. Mose 17,1-8).

«Darum ist es aus Glauben, damit es aufgrund von Gnade sei, auf dass die Verheißung dem ganzen Samen sicher sei, nicht nur demjenigen aus dem Gesetz, sondern auch dem aus dem Glauben Abrahams, der unser aller Vater ist (wie geschrieben steht: «Ich habe ich zum Vater vieler Völker gemacht»), vor gott, dem er glaubte, der die toten lebendig macht und dem ruft, was nicht ist, als wäre es da. Er hat da, wo nichts zu hoffen war, auf Hoffnung hin geglaubt, dass er ein Vater vieler Völker werde, gemäß der Zusage: «So soll dein Same sein!». Und er wurde nicht schwach im Glauben und zog nicht seinen Leib in Betracht, der schon erstorben war, weil er fast hundertjährig war; auch nicht den erstorbenen Mutterleib der Sara. Er zweifelte nicht an der Verheißung gotts durch Unglauben, sondern wurde stark durch den glauben, indem er Gott die Ehre gab und völlig überzeugt war, dass er das, was er verheißen hat, auch zu tun vermag. Darum wurde es ihm auch als Gerechtigkeit angerechnet.

Es steht aber nicht allein um seinetwillen geschrieben, dass es ihm angerechnet worden ist, sondern auch um unsertwillen, denen es angerechnet werden soll, wenn wir an den glauben, der unseren Herrn Jesus aus den Toten auferweckt hat, ihn, der um unserer Übertretungen willen dahingegeben und um unserer Rechtfertigung will auferweckt worden ist». (Röm. 4,16-25).

«Durch Glauben gehorchte Abraham, als er berufen wurde, nach dem Ort auszuziehen, den er als Erbteil empfangen sollte; und er zog aus, ohne zu wissen, wohin er kommen werde». (Hebr. 11,8).

In diesen Schriftabschnitten finden wir fünf Dinge. 1. Ausweitung; 2. Festlegung; 3. Leben; 4. Glauben; 5. Vollendung. All das wird am Ende des Heilszeitalters zur Fülle gebracht werden. Das Wort Gottes gibt uns zu verstehen, dass Gott am Ende einen Zustand der Fülle antreffen wird, der dem Wort «Ausweitung» entspricht: Am Ende wird Gott die Dinge festgesetzt, festgelegt haben; alles wird für Gott durch Leben charakterisiert sein; und all das wird durch erprobten und als echt erwiesenen Glauben geschehen. Ihr werdet euch erinnern, wie dieses Ende in der Symbolik der Stadt, der heiligen Stadt, dem neuen Jerusalem ins Blickfeld gebracht wird, die aus dem Himmel vom Gott herab kommt in diesen letzten Kapiteln der Bibel. Hier ist göttliche Fülle: alles ist zu einem Zustand der Endgültigkeit, des fest Eingesetzten gelangt, und alles wird von Leben charakterisiert, das durch den Baum des Lebens, dem Strom des Wassers des Lebens, und anderen Symbolen illustriert wird. Doch was zu all dem führt, den ganzen Weg, ist eine Angelegenheit erprobten und bewährten Glaubens.

Wenn wir die christliche Welt unserer Zeit betrachten, bemerken wir, dass dies die großen Dinge sind, die vordringlichst notwendig sind. Es besteht ein großes Bedürfnis für geistliche, göttliche Ausweitung - die Dinge sind geistlich so klein; für geistliche Festlegung - die Dinge sind so schwach und ungewiss, so veränderlich und unbeständig, ohne Sicherheit, ohne Gewissheit; für göttliches Leben - wie groß ist das Bedürfnis nach mehr Leben, nach himmlischem Leben, nach einer größeren Fülle von Leben unter dem Volk des Herrn. Doch während wir feststellen, dass diese Dinge eine schreiende Notwendigkeit sind, sollten wir vielleicht alle bereit sein zuzugestehen, dass der einzige Weg zu diesen Dingen der ist, dass das Volk des Herrn wirklich getestet, geprüft wird. Wir haben diese Vorstellung nicht gern, doch wir merken, dass alles auf die Probe gestellt werden muss, dass alles geprüft werden muss, damit es eingesetzt werden kann. Und tatsächlich sind wir uns einer neuen Bewegung unter dem Volk Gottes sehr bewusst, durch die ihr Glaube getestet, auf die Probe gestellt und zur Reife gebracht werden soll.

Nun, es scheint so, als sei dies Gottes Weg für sein Volk durch alle Jahrhunderte hindurch gewesen: dass durch geprüften, getesteten, bewährten und fest errichteten Glauben Ausweitung, Festsetzung und reichlicheres Leben erreicht wird. Das sind Gesetzmäßigkeiten der Wege Gottes, Prinzipien der Behandlung seines Volkes. So wollen wir in erster Linie einen umfassenden Blick auf diese Angelegenheit gewinnen, bevor wir zu den praktischen Anwendungen kommen. Die Bibel hat viele Blickwinkel. Wenn ihr nach ihr greift und sie von einem Standpunkt aus betrachtet, könntet ihr glauben, das sei alles, was es mit der Bibel auf sich hat. Es sieht so aus, als wärt ihr imstande, die ganze Bibel in dieser einen Sache zusammenzufassen. Vielleicht ist es Sünde, Gericht, Tod - es ist ein Aspekt, ein Blickwinkel. Oder vielleicht ist es Gerechtigkeit und Leben - ein anderer Gesichtspunkt. Gebt der Bibel eine andere Richtung, und dieselbe Sache scheint sich wieder zu bewahrheiten. Es gibt viele solche Blickwinkel, und jeder einzelne von ihnen scheint umfassend zu sein. Wenn die Bibel so ist, könnt ihr das Ganze erkennen, indem ihr einfach von einem Blickwinkel zu einem andern schwenkt.


Glaube der Schlüssel zu Leben und Ausweitung

Nun, ihr könnt erkennen, wie sehr dies auf die ganz besondere Sache zutrifft, die wir vor uns haben - die Sache der Ausweitung im Leben durch Glauben. Es wäre sehr leicht, die ganze Bibel in diese eine Sache zu verpacken und zu sagen, das sei alles, worum es in der Bibel gehe. Natürlich ist es das nicht, es ist vielmehr ein sehr umfassender Blickwinkel. Ihr könnt sofort sehen, wie dieses Thema durch die ganze Bibel verläuft. Aber nehmen wir einmal an, wir veränderten das Bild und sagen, es gäbe ein ganzes Bündel von Schlüsseln zur Bibel - ein dicker Bund von Schlüsseln - von denen jeder aussieht, als sei er der Hauptschlüssel zur ganzen Bibel; und auf diesem großen Schlüsselbund scheint es drei zu geben, die sozusagen durch einen zweiten Ring mit einander verbunden sind. Diese drei Schlüssel wären Glaube, Leben, Ausweitung.

Der Glaube öffnet die erste Tür. diese Tür führt zum nächsten, nämlich zum Leben, und durch das Leben gelangen wir zum nächsten, zur Ausweitung. Diese Dinge gehen durch das ganze Wort Gottes hindurch zusammen. Natürlich wird dies ganz deutlich durch das Gegenteil aufgezeigt. Unglaube wird in der Schrift stets als etwas gesehen, das zur Begrenzung führt. Wo Unglaube vorliegt, kommt man einfach nicht weiter - ihr bleibt frühzeitig stehen und endet im Tod: Es gibt keine Ausweitung, und darum gibt es auch kein Leben, kein größeres, volleres Leben darüber hinaus. Ihr könnt diese Dinge nicht von einander trennen; sie hängen stets aneinander - Glaube, Leben, Ausweitung.

Alle großen Krisen in der Geschichte des Volkes Gottes, so wie sie in der Schrift berichtet werden, haben diese drei Gesichtszüge. Beginnen wir gleich ganz am Anfang, bei Adam, in den ersten Kapiteln des 1. Buches Mose: Da wird vollkommen deutlich, dass die ganze Frage der Festsetzung, der Ausweitung und des Lebens vom Glauben abhing, und dass, wenn Adam sich weigerte, wenn er aufhörte, Gott zu glauben, es einem toten Punkt, einem vollständigen Stillstand gleichkam. Da gab es nichts mehr. An diesem Punkt setzte der Tod ein. Die Möglichkeit der Gemeinschaft mit Gott und mit allem, was Gott mit dem Leben meinen konnte, hing vollständig von seinem Glauben ab - oder aber von seiner Weigerung, zu glauben. Hätte er nur Gott geglaubt, dann wäre der Weg weit offen gewesen zur Ausweitung, zur Festsetzung und des Lebens, und zwar ständig und unaufhörlich.

Wenn wir im 1. Buch Moses weitergehen zu den Kapiteln 15 und 17, Abschnitte aus denen wir Zitate an den Anfang dieser Betrachtungen gesetzt haben, kommen wir zu Abraham. Der Herr kommt mit Abraham auf dieser Linie der Ausweitung, der Festigung und des Lebens herein. Es sind die drei Dinge, die Abrahams Leben mit Gott zusammenfassen. Und alles hing an seinem Glauben. Alles was Gott über diese Vervielfältigung sagte, über diese ungeheure Vermehrung und Ausweitung; über die Endgültigkeit der Dinge - dass er für immer im Bund eingesetzt werden würde; und über das wunderbare Prinzip des Lebens - das im Falle Abrahams so offensichtlich war, da der Tod ein Argument dafür gewesen wäre, dass weder für ihn noch für Sarah auf irgend eine Weise irgend eine Aussicht bestanden hätte, dass trotz allem das Leben im Blickfeld blieb - all diese Dinge hingen vom Glauben ab. Er glaubte Gott. Hätte er nicht geglaubt, dann wäre nichts möglich gewesen.

Im 2. Buch Mose finden wir die große Krise vor im nationalen Leben Israels - die Befreiung aus Ägypten. Das Kapitel 12 von 2. Mose beruht gerade darauf: «Die ganze Frage hier ist die eurer Befreiung im Hinblick auf eure Erweiterung; es geht um die Frage, wie ihr (als Nation) aufgebaut und ans Ziel, zur Fülle gelangen könnt. Und es ist eine Frage eures Lebens». Der zentrale Gedanke dieses Kapitels ist wohl das Leben, nicht wahr? Die Erschlagung der Erstgeborenen in Ägypten auf der einen Seite, und die Befreiung Israels zum Leben durch den Tod auf der andern Seite. Doch alles hing an dieser Frage des Glaubens - eines Glaubens in Aktion: Ob sie das Lammen nehmen würden, ob sie das Blut sprengen würden, ob sie ihre Lenden gürten und den Stab in die Hand nehmen würden. Alles hing von einer Haltung und einem Geist des Glaubens an Gott ab.

Wenn wir die schrecklichen vierhundert Jahre übergehen, über die das Buch der Richter berichtet - das schrecklichste Buch in der Bibel, wie ich glaube - und zum Buch Samuel kommen, finden wir einen Übergang zu einem neuen Zustand der Ausweitung. Diese Phase wird mit David und Salomo enden, mit der Ausweitung des Königreiches über alles hinaus, was je gewesen war, mit einer Befestigung und einem blühenden Leben. Und auch hier beruht alles auf der Basis des Glaubens. Es war zum Beispiel der Glaube in Samuels Mutter, der Samuel hervorbrachte. Doch können wir uns nicht bei jedem Detail aufhalten. Zuletzt ging, wie wir wissen, der Glaube verloren, und der Unglaube nahm überhand. Und wiederum sehen wir eine Rückkehr zur Begrenzung, zur Knechtschaft, zu Ungewissheit, zu geistlichem Tod. Alles hängt am Glauben.

Wenn wir zum Neuen Testament greifen, stellen wir fest, dass es auch da noch immer um Ausweitung, Festsetzung und Fülle des Lebens geht, und es geht jetzt - ob ihr‘s glaubt oder nicht - um den Glauben! Das sind zum Beispiel genau die Dinge, welche die ersten Kapitel der Offenbarung beherrschen, wo die Gemeinden dran sind. Auch hier ist es eine Frage der geistlichen Ausweitung oder der geistlichen Begrenzung: entweder sind sie gefestigt, oder ihr Leuchter wird von seiner Stelle gerückt, wobei nichts mehr fest eingerichtet und nichts mehr endgültig bleibt. Auch ist es eine Angelegenheit des Lebens, durch den Lebendigen, der tot war, nun aber lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Die Herausforderung ist die, ob es sich um Leben oder Tod handelt, und sie konzentriert sich auf die eine Frage des Glaubens. Wenn wir schließlich die letzten Kapitel der Offenbarung erreichen, finden wir diese Dinge zur Fülle gebracht, in der großen Stadt als eine symbolische Darstellung der Gemeinde. Wie groß ist sie doch, wie voll, wie ausgeweitet, wie solid! Sie ist fertig errichtet. Wie lebendig ist sie auch! Überströmendes Leben ist ihr zentralster Gesichtspunkt. Und sie ist die eigentliche Verkörperung eines geprüften, getesteten und bewährten Glaubens.

Hier also wird die ganze Bibel in diesem Gesichtspunkt zusammengefasst, und unser christliches Leben basiert auf der Bibel, auf der ganzen Bibel. Was bedeutet das? Es bedeutet, dass unser Leben es mit geistlicher Fülle zu tun hat, wie wir sehen werden, wenn wir weiterfahren; damit, dass wir in Ewigkeit befestigt und nicht durch die Zeit fortgetragen werden; und auch mit der großen Angelegenheit des Lebens, das zu einem vollständigen Triumph über den letzten Feind, den Tod, gebracht wird. Und das, was das Christenleben in diesen drei Aspekten beherrscht und umfasst, ist die ganze Frage des Glaubens: geprüfter Glaube, bewährter Glaube, gefestigter Glaube, vollkommener Glaube.


Gottes Reaktion auf Leere

Wir wollen für ein paar Minuten diese Worte, diese Begriffe betrachten, die wir hier benutzt haben. Im Augenblick greifen uns bloß diese Sache der Ausweitung heraus. Wir könnten das alternative Wort «Fülle» verwenden - und wir werden es noch ausführlich tun - doch habe ich hier einen besonderen Gedanken im Sinn, wenn ich dieses Wort «Ausweitung» bevorzuge. Diese ganze Frage der Ausweitung, ob der Herr uns ausweiten wird, oder ob wir selbst ausgeweitet werden, ist eine sehr lebendige Frage und ein entscheidender Punkt, denn Ausweitung ist der beherrschende Gedanke Gottes. Auf dem ganzen Weg durch die Bibel hindurch hat, wie wir gesehen haben, Gott eine Ausweitung im Sinn. Gott denkt stets in Begriffen der Ausweitung, der Zunahme, der endgültigen Fülle. Gott hat nie Freude an Leere und Kleinlichkeit. Gott hat eine Abneigung gegen Leere, und er reagiert stets auf sie.

Wenn wir unsere Bibeln auf den ersten Seiten von 1. Mose öffnen, was ist da fast das erste, das wir lesen? Nach «Im Anfang... Gott» und ein paar weiteren Worten lesen wir: «Und die Erde war formlos und leer» - das bedeutet «verwüstet und leer» - «und der Geist Gottes...» Die Erde war leer, und der Geist Gottes - tat was? - er reagierte auf den Zustand der Leere. Es war, als würde Gott sagen: «Das ist nicht das, was ich will; das steht meinem Gedanken vollständig entgegen. Ich bin dagegen, und ich werde diesbezüglich etwas unternehmen». Gott möchte alles in göttlicher Fülle haben - d.h., in überströmender Fülle. Das ist sein Gedanke für die Erde, und für sein Volk. Und so fängt der Geist Gottes, der über dieser Öde, dieser Leere brütet, an zu arbeiten, und jede Stufe und Phase der göttlichen Aktivität ist es, zu füllen. Er füllt die Erde mit dem weiten Bereich des pflanzlichen Königreichs - Samen in Fülle, und Leben in diesem Samen, die imstande sind, endlose Produktion und Reproduktion zu bewirken. Er füllt die Erde auch mit der immensen Vielfalt des tierischen Königreichs. Er füllt das Meer und sagt: «Das Wasser soll wimmeln von Schwärmen lebendiger Geschöpfe (1. Mose 1,20). Und dann, als er den Menschen schuf, sagte er: «Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde» (V. 28). «Ich bin gegen diese Öde, diese Leere». Und er fährt anhand dieses Prinzips weiter, er ist ganz von diesem Gedanken beherrscht. Wenn wir Abraham erreichen, sagt er: «Ich will deinen Samen mehren wie die Sterne des Himmels, und wie der Sand, der am Strand des Meeres ist» (1. Mose 22,17). Versteht dies, wenn ihr könnt! Das ist der göttliche Gedanke. Über alles Verständnis hinaus denkt Gott in Begriffen der Ausweitung.

Wie vieles lässt sich in der Bibel über dieses Thema zusammenbringen. Der Herr Jesus zum Beispiel kam, um die Gedanken Gottes auf praktische Art auszudrücken, und, unter vielen andern Dingen sprach er auch von einem großen Fest, das abgehalten wurde. Die Gäste wurden aufgeboten, doch sie kamen nicht - sie brachten Ausreden vor. Und so sagte der Mann, der zum Fest einlud, zu seinem Knecht: «Geh auf die Hauptstraßen und an die Hecken, und nötige sie, hereinzukommen, damit mein Haus voll werde!» (Lk. 14,15-24). Hier sehen wir, wie Christus die Gedanken Gottes in diese Welt hereinbringt - «damit mein Haus voll werde». Aber im Neuen Testament ist vielleicht der Tag von Pfingsten das größte Beispiel und der größte Ausdruck für diesen göttlichen Gedanken. Als der Geist kam, erfüllte ein mächtiger, brausender Wind das Haus, in dem sie saßen» (Apg. 2,2). Und dann wird es auch auf jeden Gläubigen angewandt: «Werdet voll Geistes!» (Eph. 5,18).


Die Gefahr der Passivität

So wird deutlich, dass Ausweitung ein beherrschender Gedanke ist bei Gott. Aber der Herr Jesus hat nicht nur gezeigt, dass es das ist, was Gott haben möchte, sondern er hat auf der andern Seite auch gesagt, dass es sehr gefährlich ist, leer zu sein. Er sprach von einem bestimmten «Haus», das eigentlich ein Mann war, der von einem Dämon, einem unreinen Geist, besessen war; und er stellte die Austreibung des unreinen Geistes bildlich dar: doch, obwohl das Haus «gefegt und geschmückt» war, blieb es leer; und weil kein anderer Bewohner es einnahm, kam der unreine Geist in sein altes Zuhause zurück und brachte andere sieben Geister, die noch schlimmer waren als er, mit, und füllte so das leere Haus (Mt. 12,34-45). Es ist etwas Gefährliches, leer zu sein, eine Leere zurückzulassen. Wenn Gott sie nicht füllt, tut es der Teufel. Hütet euch vor negativen Bedingungen, davor, nicht positiv und nicht entschlossen genug zu sein. Hütet euch vor einem Vakuum in eurem Herzen, in eurem Sinn, in eurem Leben. Eines Tages befand sich David in einem Vakuum-Zustand auf dem Dach, zu einem Zeitpunkt, da die Könige gewöhnlich in den Krieg zogen (2. Sam. 11,1-2) - und er war ein König, einer, der sich im Krieg befand. Aber statt sich positiv zu beschäftigen, blieb er in einem passiven Zustand, und wir kennen das Desaster, das über ihn kam, von dem er sich Zeit seines Lebens nicht mehr erholte. Es ist eine gefährliche Sache, leer zu sein. Der Teufel wird dafür sorgen, dass jeder Raum aufgefüllt wird, den er besetzen kann. Der Herr möchte füllen unter Ausschluss von allem Übrigen.


Die Fülle Gottes

Das letzte Wort in dieser Sache in der Bibel ist: «damit ihr erfüllt werdet mit der ganzen Fülle Gottes» (Eph. 3,19). Denkt darüber nach! Das wird zu Gläubigen gesagt, die in ihrem gemeinschaftlichen, auf einander bezogenen Leben beisammen sind - der Gemeinde, «welche ist die Fülle dessen, der alles in allen erfüllt» (Eph. 1,23). Denkt einmal: die Fülle Gottes! - was bedeutet, dass Gott auf eine solche Weise kommt, dass kein Platz mehr bleibt für irgend etwas anderes. So war es bei der Einweihung des salomonischen Tempels im Alten Testament. Als die Priester das Heiligtum verließen, zog die Herrlichkeit des Herrn ein und füllte das Haus, und die Priester konnten nicht mehr stehen und ihren Dienst verrichten (1. Könige 8,10-11; 2. Chron. 5,11-14). Wenn der Herr füllt, dann gibt es keinen Raum mehr für irgend etwas anderes oder jemand anderen. Das ist die Fülle Gottes.

Leere - das Ergebnis von Gericht

Kehren wir zurück zum jenem Wort «leer» oder «öde» das wir am Anfang von 1. Mose finden, so scheint es mir, dass dies das Ergebnis eines Gerichts darstellt. Das ist natürlich schon aus andern Gründen vermutet worden, doch können es die folgenden Überlegungen vielleicht bestätigen. Als der Herr sein Volk Israel für siebzig Jahre in die babylonische Gefangenschaft schickte, verödete das Land. Das Land verfiel in einen Zustand, der sehr wohl mit den Begriffen beschrieben kann, welche benutzt werden, um den Zustand der Erde am Anfang zu umschreiben - öde, wüst und leer. Nun, die babylonische Gefangenschaft Israels war ein Gericht über ihren Unglauben und ihren Götzendienst, und der öde Zustand, in den das Land verfiel, war mit Sicherheit ein Teil dieses Gerichtes; und so ist es wahrscheinlich, dass auch «am Anfang» die Verwüstung das Ergebnis eines Gerichts über eine frühere Schöpfung darstellte.

Doch welches ist der springende Punkt? Es musste doch einfach darum gehen - wie es immer schon gewesen ist - dass Gott nicht erlaubt wurde, alles zu erfüllen. Entweder musste Gott seinen Platz mit andern Dingen teilen, oder Gott war vertrieben worden. Das Ende dieser gegenwärtigen Welt, wie dies im Neuen Testament gezeigt wird, wird genau so sein. Es wird zu einem Punkt kommen, wo Gott endgültig durch diese Welt verworfen und keinen Platz mehr in ihr haben wird. Wir bewegen uns schnell auf diese Zeit zu. Was wird das Ergebnis sein? Es wird Verbrennen dieser Welt sein - Gericht, Zerstörung - und eine längere oder kürzere Periode der Verwüstung, bevor ein neuer Himmel und eine neue Erde entstehen wird, und alle Dinge neu erschaffen werden. Beim Gericht geht es immer um diese eine Sache - ob Gott alles in allem ist oder nicht. Darum beruht die Ausweitung - die Fülle, die Gott stets im Sinn hat - auf dieser Sache, dass Gott seinen vollen Platz bekommt; und das ist die Grundlage für alle Glaubensprüfungen. Gott drängt diesen Punkt immer näher und näher an uns heran, während wir voranschreiten: ob wir Gott genügend Glauben entgegenbringen, ihm in einer unmöglichen Situation seinen Platz zu überlassen.

Die Fülle Gottes als Licht

Nun, was meinen wir mit der Fülle Gottes? Es ist nichts Geringeres, als dass die Natur Gottes alles erfüllt. «Gott ist Licht», sagt die Schrift (1. Joh. 1,5): Denn wo Gott ist, da gibt es keine Finsternis, da ist gar kein Platz für Finsternis; und wenn Gott in Fülle herein kommt, dann gibt es «überhaupt keine Finsternis» mehr. Alles ist «Licht im Herrn» (Eph. 5,8). Und der Herr bewegt sich mit euch und mit mir auf dieser Linie. Er ist bestrebt, uns vollständig aus der Finsternis in sein Licht hineinzubringen; uns so ins Licht zu bringen, wie er im Licht ist. Und wie groß ist der Faktor des Glaubens in dieser Angelegenheit des Ins-Licht-des Herrn-tretens, des Den-Herrn-Kennen-lernens; zu einem Verständnis zu gelangen, oder welchen Ausdruck ihr auch immer für das Licht brauchen mögt. Es bedeutet sehen, es bedeutet kennen, es bedeutet verstehen.

Doch gelangen wir, ihr und ich, niemals zu einem zusätzlichen Strahl echten Lichts - ich meine nicht Information, ich meine geistliches Licht - es sei denn entlang der Linie von Glaubensprüfungen, wo der Glaube wirklich auf die Probe gestellt wird. Eine Schwester im Herrn, die das Gefühl hatte, sie sie viel zu heißblütig, sie lasse sich zu schnell provozieren, sagte zu einem lieben Diener Gottes: «Oh, ich brauche mehr Geduld!» Der Diener Gottes antwortete: «Gut, dann wollen wir niederknien und gleich beten», und so knieten sie nieder, und er betete: «Herr, schicke mehr Trübsal in das Leben dieser lieben Schwester». Sie unterbrach ihn und sagte: «Nein, ich habe nicht gesagt, ich möchte mehr Trübsal - ich möchte mehr Geduld». «Ah», antwortete er, «aber das Wort sagt: «Trübsal wirkt Geduld» (Röm. 5,3).

Ja, wir möchten mehr vom Herrn, aber wir sind immer ebenso bereit, den Weg zu gehen, den er möchte, dass wir einschlagen, um mehr von ihm zu bekommen. Aber es ist und bleibt dieser Weg - der Weg der Trübsal; und was ist Trübsal, wenn nicht die Glaubensprobe? Wir werden in Situationen geworfen, wo nur der Glaube an Gott uns befähigen wird, zu leben und weiterzugehen. Und doch ist es möglich - es ist sehr wohl möglich. Anfangs des letzten Jahres, während meines Besuchs in Kalifornien, schlug ein Bruder dort vor, wir sollten einige liebe Freunde besuchen, die ungefähr sechzig Meilen entfernt lebten, die darum gebeten hatten, dass wir sie besuchten. Diese lieben Kinder Gottes lebten möglicherweise in einer der weltförmigsten, ungeeignetsten, unmöglichsten Situationen, die man sich überhaupt vorstellen kann - an der Wochenend-Zufluchtsstätte aller Hollywood Stars. Ich kann die äußerste Unbeherrschtheit des Fleisches nicht beschreiben. Unsere beiden Freunde lebten in einem großen Trailor oder Caravan, mitten in einem großen Trailor-Park, umgeben von all diesen weltlichen Leuten in ihren luxuriösen Trailorheimen, in einer Atmosphäre äußerster Sinnlichkeit, Fleischlichkeit, Zügellosigkeit. Wir gingen hinein und hatten einen höchst gesegneten Nachmittag mit ihnen über die Dinge des Herrn - eine äußerst kostbare Zeit, mit einer echten Berührung des Himmels - und nachdem wir den ganzen Nachmittag mit ihnen verbracht hatten, sagte ein Bruder: «Vielleicht glaubt ihr es nicht, es gibt in diesem Park 16 äußerst hingegebene Christen. Ich will einige von ihnen holen». Er ging zu einem andern Trailor hinüber und brachte zwei liebe Kinder Gottes zurück, ältere, fromme Leute; und, ohne irgend welche Vorgespräche oder Allgemeinheiten, waren wir sofort wieder in den Dingen des Herrn, und wir hätten die ganze Nacht damit weiterfahren können. Der Bruder sagte uns: «Wir alle versammeln uns in diesem Trailor, wir sind sechzehn, und haben immer äußerst gesegnete Zeiten der Gemeinschaft».

Warum erzähle ich euch davon? An den unpassendsten Orten dieser Erde - ja, die unmöglichsten Orte für irgend etwas von geistlichem Charakter, wandeln Heilige in weißen Gewändern, in lebendiger Gemeinschaft mit dem Herrn. Sagt bitte nicht: «O, der Ort, wo ich lebe und arbeite, ist für ein geistliches Leben oder für geistliches Wachstum unmöglich - alles ist gegen mich». Denkt daran, dass der Herr euch überall ausweiten kann, wenn er euch beruft, dort zu leben. Benutzt nie das Argument, etwas sei unmöglich. Denkt bloß an Abraham und an das Unmögliche. Er gelangte zur Ausweitung, aber nicht weil irgend etwas vorteilhaft für ihn war, nicht weil alles es ihm so leicht machte und alles hilfreich war. Nein, es kann Licht sein am dunkelsten Ort, wenn der Herr dort ist. Als ich zum ersten Mal von jener Situation hörte, äußerte ich den Wunsch, dass jene lieben Freunde doch aus dieser Lage herauskommen möchten, doch als ich sie verließ, änderte ich meine Ansicht vollkommen. Ich weiß nicht, ob es ihnen wirklich besser ginge, wenn sie aus allem dort heraus wären. Denn das ist genau das, was sie geistlich erweitert: es wirft sie auf den Herrn, es bewirkt, dass sie den Herrn erfahren. Es gibt dort nichts für sie außer dem Herrn; alles andere ist gegen ihn.

Die Fülle Gottes wird in Begriffen des Lichts zum Ausdruck gebracht, sogar in der Finsternis; der Liebe - denn Gott ist Liebe - in einem Bereich des Hasses; des Lebens - in einem Bereich des Todes; und der Heiligkeit - in einem Bereich des Unheiligen. «Damit sie erfüllt seien mit der ganzen Fülle Gottes».

Es gibt noch viel mehr zu dieser Angelegenheit der Ausweitung zu sagen. Es war die vorherrschende Sache in den souveränen Gaben des erhöhten Herrn. «Als er erhöht wurde, hat er die Gefangenschaft gefangen geführt, und hat den Menschen Gaben gegeben... und er gab einige als Apostel, einige als Propheten, ... und einige als Pastoren und Lehrer» - wofür? - «zur Ausrüstung der Heiligen für das Werk des Dienstes, zum Aufbau des Leibes Christi: bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens, zu einem erwachsenen Mann, bis zum vollen Maß der Gestalt der Fülle Christi» (Eph. 4,8.11-13). Jede göttliche Gabe in Form eines Dienstes hat Fülle zum ihrem Ziel und als ihr beherrschendes Motiv.

Lasst mich für den Augenblick mit dem abschließen, dass der Test dafür, ob etwas von Gott ist, stets das geistliche Maß ist. Es ist nicht das Maß unseres lehrmäßigen Wissens, nicht einmal das Maß unserer Bibelkenntnis als solcher. Es ist nicht die Exaktheit oder Korrektheit unserer Technik in Form und Vorgehen. Es ist das Maß Gottes. Wir können all die andern Dinge haben, ohne dass irgend ein echtes Maß von gott vorhanden ist. Das ist es, was zählt.

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