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Leiterschaft

von T. Austin-Sparks

Kapitel 6 - David

Niemand wird Davids Recht darauf bestreiten wollen, in die Liste der Führer der göttlichen Geschichte aufgenommen zu werden. Die Sache war einfach die: David musste seine Funktion antreten, weil Gott es so wollte. Alles rottete sich zusammen, um es zum vornherein zu verhindern oder es später umzustürzen. Seine Familie verachtete ihn, ja, selbst sein Vater nahm ihn nicht zur Kenntnis. Saul trachtete ihm aus Eifersucht jahrelang nach dem Leben. Sein eigener Sohn, Absalom, konspirierte verräterisch gegen ihn und traf Vorkehrungen für seine Entthronung. Selbst der Teufel schien entschlossen zu sein – und zwar mit jedem möglichen Mittel – ihn fertig zu machen. Dass er überhaupt Israels größter Führer wurde, sagt deutlich und wortreich, dass das von Gott war.

Doch war es nicht einfach und einzig nackte Souveränität. Es gab Grund in David, auf dem Gott arbeiten konnte. Die Souveränität Gottes ignoriert die Schwachheiten, Irrtümer und Fehler nicht einfach, auch nicht das Böse im Menschen. David wurde in tief ernsten Übeln und Fehlern schuldig, und kein Mensch wurde je gründlicher gezüchtigt als er. Dennoch fand die göttliche Berufung jenes Etwas in dem Menschen, das Gott genügte, einen Grund zu legen, damit ein großer Führer aus ihm wurde. Es ist dieser Grund, dem wir unsere Aufmerksamkeit schenken wollen, wenn wir darangehen, die Fakten und Gesichtspunkte der Leiterschaft in der Bibel zusammenzutragen.

Es gibt bei David ein charakteristisches Merkmal, das alles erklärt und das eine ganze Menge in sich schließt. Z.B. GEISTLICHE GRÖSSE. David stieg in schlicht erhabene Höhen geistlicher Größe hinauf, und die einzelnen Vorkommnisse waren von äußerst prüfungsreichen Natur. Das werden wir sehen, wenn wir voran schreiten.

Wir wollen zuerst die Quelle dieser geistlichen Größe prüfen, die es Gott ermöglichte, von ihm als von «einem Mann nach Gottes Herzen» zu sprechen.

Unter der geistlichen Größe Davids lag

1. Ein großer Sinn für Verantwortlichkeit . Man könnte sehr viel aus dem Mut und der Hingabe machen, die aus diesem Sinn für Verantwortung hervorging, z.B. als David die Schafe vor dem Löwen und Bären verteidigte und sie von ihnen rettete. Wir können davon ausgehen, dass in jener Stunde, als kein öffentliches Auge ihn beobachtete, als kein anderes Motiv oder anderer Anreiz vorlag, wenn Gott bei ihm eine Bereitschaft wahrgenommen hätte, sein eigenes Leben zu retten oder das Leben eines einzigen Schafes zu opfern als eine Angelegenheit der Diskretion oder Politik, Er David nie zum Hirten Seines Volkes und als Typus für den «großen Hirten der Schafe, unseren Herrn Jesus» erwählt hätte, der Sein Leben für die Schafe dahingab, und der sagte: «Wer sein Leben retten will, wird es verlieren, und wer sein Leben um Meinetwillen verliert, wird es finden».

Dann, gemäß demselben Prinzip der Verantwortung, mit allem, was darüber geschrieben und gesagt worden ist, wurde nicht zu viel aus der Begegnung mit und dem Angriff auf Goliath gemacht. Das war der Stoff seiner späteren Sorge für die Nation.

Es ist allzu leicht, göttliche Interessen für die persönliche Sicherheit und für persönlichen Gewinn zu opfern – auf billige Weise die Dinge wegzuwerfen, die Gott kostbar sind, und dies wegen einem unangemessenen Sinn für Verantwortung. Wenn man tatsächlich sagen kann, dass irgend eine Einstellung oder ein Verhalten unsererseits dem Volke Gottes einen Verlust einbrachte, dann haben wir alle Rechte verspielt, als geistlicher Leiter betrachtet zu werden.

2. Ein Herz ganz für Gott . In den Vorfällen mit dem Löwen und dem Bären wird es aus seinen Worten zu Saul deutlich, dass es wie vor dem Herrn war: «Der Herr, der mich errettete». Dem Herrn kam die Ehre zu.
Im Falle von Goliath waren der Herr und Seine Ehre das motivierende und aktivierende Interesse. Diese Sache des «Herzens für den Herrn» führt uns zu allzu vielen Ereignissen, Verbindungen und Ausdrucksweisen, als dass sie alle hier aufgeführt werden könnten, doch ist dies auch gar nicht nötig. In einem gewissen Sinne fasst dies sein Leben zusammen und strömt aus in seinen Psalmen. Wie sehr erklärt dies Gottes große Geduld und Treue! Es war ein Sinn für Verantwortung für die Ehre des Herrn.

3. Eine große Sorge für das Haus Gottes . David war zu einer klaren Wahrnehmung von Gottes ewigem Verlangen gelangt, eine Wohnstätte zu haben inmitten Seines Volkes. Er empfand so tief, dass er für die Befriedigung Gottes in dieser Angelegenheit Verantwortung übernehmen sollte, dass er sich folgendermaßen ausgedrückt hat:

«Gedenke, Herr, dem David alle seine Mühsal! Der dem Herrn schwor, ein Gelübde tat dem Mächtigen Jakobs:
«Ich will das Zelt meines Hauses nicht betreten,
Ich will das Lager meines Bettes nicht besteigen.
Ich will meinen Augen keinen Schlaf gestatten,
keinen Schlummer meinen Augenlidern,
bis ich eine Stätte finde für den Herrn,
Wohnungen für den Starken Jakobs.» Psalm 132.

Wir wissen von seinen Mühen und seiner Sehnsucht nach dem Haus des Herrn; sie bilden einen großen Teil der Psalmen. Eine solche Hingabe an das, was dem Herzen Gottes so teuer war – und noch immer ist – brachte Gott an seine Seite, und obwohl er Zeiten der Ablehnung, der Verfolgung, der Entehrung, und – in der Episode von Absalom – des Exils und des Herzzerbrechens durchmachen musste, rechtfertigte Gott ihn schließlich. Eine solche Verantwortlichkeit für die Befriedigung Gottes ist ein Hauptfaktor bei von Gott erwählter Leiterschaft.

4. Ein großer Respekt und Blick für die Salbung . Die Salbung war – für David – etwas sehr Heiliges. Selbst wenn sie einem gegeben wurde, der sich selbst in ungerechtfertigter Weise zu Davids Feind gemacht, und der ihm unsägliche Schmach zugefügt und ihm unaussprechliche Leiden verursacht hat, war David trotzdem nicht bereit, seine Hand gegen Gottes Gesalbten auszustrecken. Nicht, obwohl es für ihn ein immenser Vorteil gewesen wäre, dies zu tun; und auch wenn dieser Feind vollständig seiner Barmherzigkeit ausgeliefert war.

David mag gewusst haben, dass die Missachtung der Salbung, wo immer sie auch war, auf das Haupt dessen zurückkehren würde, der sie missachtet hat, doch er suchte kein solches Gericht. Die Salbung war für David eine sehr verantwortungsvolle Sache, und er wollte sie weder in Worten oder Taten antasten.

5. Eine ehrliche Klage über den Fall seines Feindes . Vielleicht erhob sich Davids geistliche Größe an keinem Punkt in größere Höhe als in seiner Klage über Sauls Tod. Er war weit entfernt von dem Geist, der sagt: «Er hat es verdient»; «es ist Gottes gerechtes Gericht über ihn», und so weiter. Es gab keine Anspielungen, keine Verurteilungen, kein Erinnern an Sauls böse Taten; keine Selbstrechtfertigungen, keine Häme und kein Frohlocken. Leid, Kummer, Bedauern und Freundlichkeit schluchzte sich in dieser Klage beinahe aus. Im Lichte all dessen, was er von Sauls Hand zu erleiden hatte, konnte nur wahre Größe seinem Geist zugesprochen werden. Die Geschichte mag dem Ende Sauls ein ganz anderes Gesicht geben, und die Verfasser der Chronik machen daraus keine Romanze; für David jedoch war es etwas Kummervolles.

Ja, geistliche Größe war wahrhaft charakteristisch für David.

6. Enttäuschter Ehrgeiz . Wir haben gesehen, welch großen Raum das Haus Gottes in Herz und Leben von David einnahm. Doch als es um die konkrete Realisierung seines heiligen Ehrgeizes und den Bau des Hauses ging, wurde es ihm untersagt und das Vorrecht ihm vorenthalten. In sehr bestimmten Worten sagte Gott: «Du wirst das Haus nicht bauen» (1. Könige 8,19). Was hätte ein kleinerer Mann getan? Wir überlassen es dem Leser, diese Frage zu beantworten. Was David angeht, so war er zweifellos enttäuscht und traurig, doch er erhob sich über die persönlichen Gefühl hinweg und bereitete mit aller Macht alles für das Haus vor (1. Chronik 29,2), und steuerte auch aus seinem privaten Besitz zu all seinen öffentlichen Fonds und Ressourcen bei.

Zuzuschauen, wie ein anderer vollbringt, was das größte Verlangen unseres Herzens war, bedeutet einen Test für geistliches Maß; doch dem andern mit aller Macht zu helfen, ist ein Test für Größe – vorausgesetzt natürlich, dass der Herr diesen andern mit der Salbung für dieses Werk ausgezeichnet hat.

7. Korrigierbarkeit, wenn Fehler gemacht wurden . Mehr als einmal beging David einen schlimmen und kostspieligen Fehler. Wir wollen diese Fehltritte nicht aufzählen. Ein hervorragendes Ereignis das Heraufbringen der Bundeslade nach Jerusalem auf einem neuen Wagen entgegen der Art, wie es in der Schrift vorgeschrieben war. Das Motiv war rein und die Absicht richtig. Doch die Methode war falsch und ein Unglück kam über das Vorhaben. Ussah fiel tot zu Boden. David wurde zornig über den Herrn. Doch suchte er in der Schrift nach einer Erklärung, und nachdem er sie gefunden hatte, gab er seine Bekümmertheit auf, nahm die nötigen Korrekturen vor und tat die Sache auf die von Gott angewiesene Weise. Auch hier wiederum bewies er, dass er geistlich groß genug war, um ein Führer zu sein. Er konnte seinen Fehler zugeben. Er konnte ganz Israel wissen lassen, wo er falsch gehandelt hatte. Und er konnte entsprechend handeln.

Ein sehr großer Faktor bei der Leiterschaft ist diese Gnade und Fähigkeit, sich korrigieren zu lassen, wenn Fehler gemacht wurden. Auch große Männer machen Fehler, doch ihre Größe zeigt sich darin, wie sie damit umgehen.

8. Empfindsamkeit der Sünde gegenüber . Dies braucht nur kurz erwähnt zu werden, denn sogleich springt viel aus Davids Psalmen und aus seiner Geschichte ins Gedächtnis. Die traurigsten, herzzerreißendsten und verheerendsten Ergüsse eines kummervollen Herzens finden sich in einigen von Davids Äußerungen. Und gewöhnlich stehen sie im Zusammenhang mit seinen Sünden und Fehlern. Eine solche Empfindsamkeit gegenüber Fehlern in uns selbst ist in Gottes Urteil unbedingt nötig.

Ein weiteres Vorandrängen, wenn Falsches richtig gestellt werden sollte, bedeutet, den Geist hart und unempfindsam werden zu lassen. Der Geist Gottes ist sehr empfindsam. Eine feinere Sensibilität ist ein Kennzeichen von vornehmen Seelen und von geistlicher Bildung.

Ich denke, was wir gesagt haben, genügt, um der Angelegenheit der Leiterschaft noch mehr Substanz zu verleihen, und es bleibt bloß noch wiederholt zu werden, dass Leiterschaft bei Gott nicht offiziell und durch menschliche Anstellung erworben werden kann; sie ist grundsätzlich immer eine Sache des geistlichen Maßes.

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